Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Alle Jahre wieder kommen auch dieselben Fragen. Alle Jahre wieder bin ich genervt davon, immer wieder auf unwichtige Dinge reduziert zu werden.
Die Weihnachtszeit ist auch bei uns der Familie gewidmet. Wo letztes Jahr (zum Glück meiner Schwester und mir) Weihnachten im großen Kreis ausfiel und wir dem Himmel sei Dank auf Raclette verzichten mussten (ein Jahr Raclette-frei, yay!), kam sonst die Jahre davor immer die ganze Familie zusammen.
Weil man sich eben das ganze Jahr, außer zu Weihnachten, nicht sieht, muss man ja auch jeden auf den neuesten Stand bringen.
Tanten, Onkel, Omas, Opas, Cousins und Cousinen, Geschwister, eben alle. Und weil man sich eben das ganze Jahr, außer zu Weihnachten, nicht sieht, muss man ja auch jeden auf den neuesten Stand bringen.
Am liebsten sind meiner Schwester und mir da die Fragen unserer Verwandten. Die Frage, wie es einem geht, wird bestimmt dreimal am Weihnachtsabend von ein und derselben Person gestellt und letztendlich kann man sie auch dreimal anders beantworten, weil einem eh nicht zugehört wird.
Fragen, die ich nicht mehr hören kann
Weitere Fragen lauten dann: Fährt dein Auto noch? Gefällt dir Göttingen noch? Gefällt dir dein Studium noch? In welchem Semester bist du? Und, hast du eigentlich einen Freund? Die Standard-Kernfragen halt.
Braucht ja niemand wissen, dass ich mein Auto schon seit zwei Jahren nicht mehr besitze. Hauptsache die Frage bleibt gleich. Auch die Tatsache, dass ich Göttingen immer noch liebe, wird sich in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern, und auch nicht, dass ich sehr zufrieden mit meinem Studium bin.
Manchmal weiß ich nicht, in welcher Zeitschleife meine Verwandten stecken geblieben sind.
Manchmal kommt mir die Überraschung darüber entgegen, dass ich tatsächlich schon letztes Jahr das Bachelorstudium in Regelstudienzeit abgeschlossen habe. Ehrlich gesagt, kann ich kaum auf die Bewunderung warten, dass ich nächstes Jahr schon meinen Master abschließen werde. „Wie, du bist gar nicht im 3. Bachelorsemester?“ Manchmal weiß ich nicht, in welcher Zeitschleife meine Verwandten stecken geblieben sind.
Und auch dieses Jahr wird die Antwort auf meine Lieblingsfrage ( Achtung, Ironie) sein: Nein, ich habe keinen Freund. Und die nachfolgenden Fragen werden sein: „Was ist denn aus XYZ geworden? Und was aus ABC, ihr hattet euch doch so gut verstanden? Hast du eigentlich noch Kontakt zu V.?“
Manchmal möchte ich dann gerne aufschreien. Oder direkt eine PowerPoint-Präsentation öffnen und die letzten 365 Tage rekapitulieren, damit auch jeder weiß, wer wann wie lange in meinem Leben war. Mit pro und contra am Besten.
Vielleicht wird die Antwort auf die Frage, ob ich einen Freund habe, demnächst lauten: Ich bin glücklich.
Ich warte jedes Jahr darauf, dass sich die Fragen ändern. Dass mein Single sein nicht mit unglücklich sein in Verbindung gebracht wird. Vielleicht wird die Antwort auf die Frage, ob ich einen Freund habe, demnächst lauten: Ich bin glücklich. Ob vergeben oder nicht, muss die Person dann für sich entscheiden, was zutrifft.
Die perfekte Antwort auf nervige Fragen
Vielleicht wird das die Antwort auf jede der Fragen. Wie geht’s dir? Ich bin glücklich. Gefällt dir Göttingen noch? Ich bin glücklich. Gefällt dir dein Studium noch? Ich bin glücklich. Und, hast du einen Freund? Ich bin glücklich. So dass ein für alle Mal klar ist, dass mein Glück nicht von anderen abhängig ist. Damit klar wird, dass es wichtigere Dinge gibt als das Auto, das Studium oder der Beziehungsstatus.
Ich will gar nicht wissen, wie die Reaktion sein wird, wenn ich die Frage an Weihnachten zukünftig bejahen sollte. Vielleicht wird es dann ganz still im Raum.
Ich will gar nicht wissen, wie die Reaktion sein wird, wenn ich die Frage an Weihnachten zukünftig bejahen sollte. Vielleicht wird es dann ganz still im Raum. Keiner bewegt sich mehr. Selbst die Hunde geben keinen Mucks von sich.
Und dann kommt wahrscheinlich die Frage, ob er mir noch gefällt. Und darauf das Jahr, ob wir noch zusammen sind. Und wiederum darauf das Jahr, wie lange wir schon zusammen sind. Und irgendwann denken sie, dass wir seit drei Jahren zusammen sind, weil sie wieder in ihrer Zeitschleife gefangen sind, aber in der Realität sind wir schon seit zehn Jahren verheiratet.
Ich liebe meine Familie. Ohne Zweifel. Ich freue mich auch jedes Jahr sie wiederzusehen. Auch wenn die Lautstärke und die immer gleichen Fragen anstrengend sind. Aber letztes Weihnachten haben wir durch Corona und den Lockdown gesehen, was es heißt, ein Weihnachtsfest im kleinen Kreis zu haben. Und das will ich dieses Jahr auch. Ein weiteres Jahr Raclette-frei bleiben.
Headerfoto: cottonbro (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!