Ein geplatzter Traum: Als meine Freundin ihr Kind verlor

Heute mag ich nicht über mich und mein Leben schreiben, sondern über das meiner ältesten Freundin Sarah. Seit der 5. Klasse kennen wir uns schon und doch habe ich das Gefühl, sie jetzt erst richtig kennenzulernen. Wieso das so ist, ist alles andere als leicht für mich zu Papier zu bringen. Denn Sarah und ihr Mann haben vor kurzer Zeit ein Baby verloren.

Ich sitze über meinem Tagebuch und merke, wie meine Gedanken stoppen, wie schwer es mir fällt weiter zu schreiben. Viel zu oft, wenn es um den Tod und dem damit verbundenen Verlust eines Menschen ging, habe ich innerlich Abstand genommen.

Allein die bloße Vorstellung, einen geliebten Menschen zu verlieren, war schon zu viel für mich! Als mir Sarah von ihrem Verlust erzählte, passierte es wieder, doch diesmal wollte ich der Leere in mir Raum geben. Wollte ihr den Raum geben, über ihren Schmerz und Gedanken zu reden.

Wie findet man passende Worte für einen Verlust?

Meistens ist es schwer, „passende“ Worte zu finden und sein Mitgefühl auszudrücken, wenn man selber nicht in der gleichen Situation war und/oder diese selber nicht erlebt hat. Deshalb wollte ich über mein unsicheres und vorsichtiges Nachfragen von „Wie geht’s dir heute?“ hinaus.

Sarah öffnete sich und erzählte mir vom ihrem bisherigen Weg, ein Kind zu bekommen. Davon, wie viele Paare eigentlich einen unerfüllten Kinderwunsch haben und wovon die unter uns, die sich mit dem Thema (noch) nicht auseinandersetzen (wollen), nichts wissen. Hier sei angemerkt, dass es nicht auch völlig richtig ist, wenn man sich dazu entschieden hat keine Kinder zu bekommen! Jede Entscheidung hat ihre Berechtigung.

Es schockierte mich, als sie mir erzählte, dass ihr Frauenarzt nur medizinisch beratend zuständig ist.

Es schockierte mich, als sie mir erzählte, dass ihr Frauenarzt nur medizinisch beratend zuständig ist. Was nicht mehr als ein paar Standardtests und das Aufbrummen von Hormonen ist. Keiner ihrer mehrfach gewechselten Gynäkolog:innen sprach wirklich mit ihr. Weder über ihre Möglichkeiten, noch über die vielen anderen Faktoren, die eine wichtige Rollen spielen, um schwanger zu werden. Sie ist schließlich nur eine von vielen Frauen, die versuchen, ein Kind zu bekommen.

Ich frage mich, wie es Ärzt:innen geben kann, die sich dazu entschieden haben, Menschen zu helfen und heilen, doch gleichzeitig so stumpf und empathielos sein können. (Natürlich nicht alle.)

Ursache: ungeklärt. 

Ein unerfüllter Kinderwunsch, der nicht auf organische Ursachen zurückzuführen ist, bekommt überhaupt keine Aufmerksamkeit! Daher bleibt Sarah und ihrem Mann nichts anderes übrig, als sich selber zu informieren. Sie probieren Alternativmedizin aus, gehen zu Heilpraktiker:innen, belesen sich über den Zyklus der Frau, schauen auf ihre Work-Life-Balance, reduzieren Stress, wo es nur geht, ändern ihre Ernährung und bekommen dabei keinerlei Hilfe. Weder mental noch finanziell.

Doch siehe da, Sarah wurde bereits nach kurzer Zeit der Veränderungen in ihrem Alltag schwanger! Ohne Zusatz von Hormonen oder sonstiger Medikamente. Sie allein half ihrem Körper aus eigener Kraft dazu!

Gesundheitsmanagement in Firmen, Präventionsmaßnahmen von Krankenkassen, mehr Achtsamkeit hier und da. Aber wofür all der Hype, wenn man dann, wenn es darauf ankommt, allein gelassen wird?

Gesundheitsmanagement in Firmen, Präventionsmaßnahmen von Krankenkassen, mehr Achtsamkeit hier und da. Aber wofür all der Hype, wenn man dann, wenn es darauf ankommt, allein gelassen wird?

„Körperlich geht es mir nach der Ausschabung gut, aber ich sitze abends oft Zuhause und weine“, hat Sarah mir erzählt.  Ich möchte mir nicht vorstellen, wie vielen Menschen es so geht wie Sarah. Die täglich durch ihre eigene Kraft weiterkämpfen und sich dabei so im Stich gelassen fühlen.

Ich als Freundin weiß immer noch nicht, wie ich ihr wirklich helfen soll. Kann nicht mehr tun, als ihr Mut zusprechen, dass sie eines Tages eine wundervolle Mutter sein wird.

Denn auch wenn das Leben leicht sein soll, ist es an der Zeit, Gesundheit ganzheitlich zu betrachten. Mein Körper kann nur so gesund sein wie meine Seele und umgekehrt.

Gesundheit ist mehr als Leistungsfähigkeit

Wir können nur so leistungsfähig sein (was von uns erwartet wird), wenn sich Zeit dafür genommen wird jeden einzelnen von uns individuell zu betrachten. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, ein unerfüllter Kinderwunsch, ungewollte Partnerlosigkeit sind nur Beispiele für viele Herausforderungen unseres Lebens, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Sie sind nicht laut und auffällig, doch so viele von uns tragen sie mit sich.

Psychische Erkrankungen wie Depressionen, ein unerfüllter Kinderwunsch, ungewollte Partnerlosigkeit sind nur Beispiele für viele Herausforderungen unseres Lebens, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.

Daher wünsche ich mir mehr Gehör, für die von uns, die Hilfe brauchen. Hilfe, die über die schnelle Verschreibung von Schlaftabletten oder Hormonkeulen hinausgeht.

Breathe, peace and love,

eure Marisa

Headerfoto: Anna Shvets via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

Marisa ist 32 und aus Köln. Sie schreibt über mentale Gesundheit, das Leben und Veränderungen in unserer verrückten Zeit.

1 Comment

  • „Ich trauere mit Dir“ war mein Versuch, einer (älteren) Freundin etwas Hilfreiches zu sagen, nachdem sie ihr spätes Wunschkind still (tot) gebären musste.
    Mehr konnte ich nicht sagen, weil sie seit Wochen ununterbrochen weinte.
    Das Zeichen war wichtig, denke ich.
    Bis heute bricht mir das Herz bei solchen Nachrichten, und ich blicke dankbar auf meine 2 gesunden Töchter, die bald selbst Mutter werden könnten, wenn sie denn wollten.
    Die Nachrichten über Fehlgeburten (plötzlich, unerwartet) nehmen jetzt so stark zu, dass mir die Luft wegbleibt!
    Dazu gibt es schon sehr konkrete Hinweise auf Zusammenhänge.
    Liebe mitfühlende Menschheit, seid unendlich vorsichtig mit Eurer Gesundheit, und Der Eurer (ungeborenen) Kinder, in diesen aussergewöhnlichen Zeiten.
    Eigentlich komplett undenkbar, was offenbar gerade passiert.
    Seid wachsam und mutig!
    Danke an ImGegenteil, dass wir emotional in Kontakt bleiben können.

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