Die letzten Monate waren wie eine Art umgekehrte Paarungszeit in meiner kleinen sozialen Blase hier in Berlin. Es gab es so viele „Schlussstriche“, dass auch ich mir Gedanken darüber mache, ob Beziehungen in meinem Alter überhaupt halten sollten und wie man mit so viel Veränderung und Konfrontation umgeht. Was bleibt am Ende so einer Beziehung?
Die nostalgische Trennungskiste
Aktuell herrscht Trennungschaos in Berlin. So war es auch bei einer meiner engsten Freundinnen vor einigen Wochen so weit, als sie mich mit gebrochenem Herzen anrief und ich vor lauter Tränen im Hörer kaum ein Wort verstand. Und siehe da, zwei Wochen später kann ich sie endlich in den Arm nehmen und es steht eine neue Person vor mir.
Die Traurigkeit über das plötzliche Ende der Beziehung schlummert noch irgendwo in ihr, aber sie lächelt mich an, sie strahlt Selbstsicherheit und Kraft aus und ist bestimmt eine der toughsten Menschen, die ich kenne. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie viel Seelenarbeit hinter dieser Entwicklung steckt.
Zwei Wochen später, und wir stehen in ihrer neuen Wohnung, umringt von gemeinsamen alten Bekannten, die eine ähnliche Situation erst vor Kurzem durchlebt haben. Sie wirken allesamt anders auf mich, strahlen eine neue Kraft aus, bewegen sich sich selbstbestimmter und schauen mich auf neue Art und Weise an.
Die Beziehung, die länger gehalten hat, als es gut gewesen wäre und die so schwer loszulassen war, dass ich nie für möglich hielt, dass genau dies eines Tages doch möglich wäre.
Ich selbst habe erst eine richtige Trennung hinter mir – die von meiner Jugendliebe. Die Beziehung, die länger gehalten hat, als es gut gewesen wäre und die so schwer loszulassen war, dass ich nie für möglich hielt, dass genau dies eines Tages doch möglich wäre.
Irgendwann habe ich mich gezwungen, die Trennungskiste zu packen: eine Kiste voller Liebesbriefe, Andenken von gemeinsamen Schultagen, Gedichten über ihn, Souvenirs aus gemeinsamen Urlauben, dem letzten Hemd, was nicht mehr nach ihm roch, und dem letzten Einkaufszettel, den wir gemeinsam geschrieben hatten.
Die Kiste steht inzwischen bei meinen Eltern und ab und zu ertappe ich mich dabei, sie bei einem Besuch zu öffnen. Und dann halte ich einen der wenigen greifbaren Beweise unserer gemeinsamen Zeit in den Händen.
Liebeskummer – für alle, die wollen
Ich weiß nicht, ob die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens solche Kisten packen – und ob ich es wieder tun würde oder ob ich es nach meiner ersten Trennung einfach gebraucht habe. Schließlich sind die meisten Überbleibsel einer Beziehung nicht greifbar, nicht einpackbar, nicht einfach wegräumbar.
Meiner Meinung nach tun Trennungen nicht so weh, weil wir Angst haben, dass es niemanden anderen da draußen gibt, sondern weil wir wissen, dass es nie wieder genau dieselbe Person da draußen gibt. Nie wieder genau dieselbe Beziehung. Wir trauern um die Einzigartigkeit der Person, die wir geliebt haben, und schlussendlich auch um die Person, die wir selbst in der Beziehung waren.
Trennungen tun nicht so weh, weil wir Angst haben, dass es niemanden anderen da draußen gibt, sondern weil wir wissen, dass es nie wieder genau dieselbe Person da draußen gibt.
Ich denke, manchen Menschen sind die „greifbaren“ Zeugen ihrer Vergangenheit – wie die in meiner Trennunsgkiste – wichtiger als anderen. Meine Freundin hat nach ihrer Trennung keine Kiste gepackt, aber das Lied, was ihr Exfreund für sie geschrieben hat, ist in ihrer Spotify Playlist.
Es ist dasselbe Lied, was viele Leute irgendwann einfach so beim Sonntagsbrunch anmachen und sich nichts dabei denken, nicht um sie oder um ihn wissen, sondern mit ihren eigenen Gefühlen, eigenen Erinnerungen und Tagträumen belegen.
Ein Gedicht für dich
Vor Kurzem habe ich an einem Schreibwettbewerb teilgenommen mit einem kurzen Gedicht, dass von meiner Beziehung mit meinem Freund handelt. Heute morgen hatte ich dann eine Einladung in meinem Postfach das nominierte Gedicht bei der Preisverleihung vorzutragen und dachte mir plötzlich: Hm, was für ein komisches Gefühl das für meinen Freund sein müsse, dass ich da einen Text vorlese, der für ihn geschrieben wurde und von ihm handelt.
Was für eine skurrile Vorstellung, wie viel Intimes man da doch an die Außenwelt trägt. Und gleichzeitig erscheint diese Vorstellung überhaupt nicht skurril: Ist nicht alles, was wir künstlerisch ausdrücken, schreiben, malen, singen, tanzen, gestalten oder denken hervorgegangen aus einem ursprünglichen Funken unserer eigenen Emotionen?
Ist nicht alles, was wir künstlerisch ausdrücken, schreiben, gestalten oder denken hervorgegangen aus einem ursprünglichen Funken unserer eigenen Emotionen?
So fühlt sich diese öffentliche Lesung für mich auch wie eine Offenbarung an, die ein kleines Stück meines Herzens für andere Menschen begreifbar macht. Völlig gleichgültig, ob diese eine ganz andere Bedeutung hinter meinen Worten verstehen, und mein Gedicht womöglich ganz andere Assoziationen und Gefühle bei den Zuhörern erweckt als bei mir.
Auch wenn die Worte stets gleich bleiben, lese ich das Gedicht in einem Jahr bestimmt ganz anders als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich es geschrieben habe. In ein paar Jahren lese ich es erneut und denke an diese Zeit zurück, und daran, wie mein Leben und ich selbst in diesem Alter waren. Vielleicht liest es auch eine fremde Person und denkt es ganz anders.
Wie es auch verwandelt wird, es bleibt immer ein Produkt meiner Gefühle zu dieser einen Beziehung zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, mit einer ganz besonderen Person. Für mich bleibt es ein weiterer greifbarer Zeuge seiner Zeit.
die Immateriellen Zeugen unserer Liebe
Wie kann ich meine Freundin nach der Trennung trösten? Diese Frage habe ich mir die letzten Wochen immer wieder gestellt. Ich finde, der Gedanke an die immateriellen Zeugen der Zeit hilft da besonders (zumindest mir). Wenn man sich einsam und allein auf der Welt fühlt und wieder einmal die Lektion lernen musste, dass am Ende des Tages nur Verlass auf sich selbst ist.
Ich spiele nicht darauf an, dass man sich durch verschiedene Partner besser selbst kennenlernt und besser versteht, was man sich von einer Beziehung wünscht. Nein, ich denke eher an das „lieben lernen“ und an all die Skills, die wir von unseren Partnern beigebracht bekommen, verstehen oder selbst dem anderen beibringen.
Ich könnte jetzt sagen: Mein Freund hat mir beigebracht, Curry zu kochen, hat mich in Krafttraining eingeführt und hat meine Liebe zur Natur wieder entfacht. Oder auch: Durch unsere Beziehung bin ich geduldiger, resilienter und achtsamer geworden. Ich habe gelernt, selbstbewusster mit meinen Mitmenschen umzugehen und mehr für mich einzustehen.
Egal, was mit unserer Beziehung passiert: Die Erfahrung unserer Gefühle füreinander und die Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit wird meinen weiteren Lebensweg prägen.
Egal, was mit unserer Beziehung passiert: Die Erfahrung unserer Gefühle füreinander und die Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit wird meinen weiteren Lebensweg prägen. Das werde ich auch meiner Freundin sagen, wenn sie darüber sprechen will. Auch sie wird diese Beziehung und die Erinnerung an ihren Exfreund weitertragen, und zwar nicht nur in ihrem Herzen, still und leise für sich allein.
Sondern hinaus in die Welt; nämlich mit ihrer Persönlichkeit, ihrer Ausstrahlung, ihrem Handeln und all den Entscheidungen, die sie trifft. Und dabei ist es nicht wichtig, einzugrenzen und genau zu bestimmen, wo der Einfluss dieser einen Person anfängt oder aufhört. Das ist schließlich Interpretationssache, und jeder kann daraus für sich selbst machen, was er will, und daraus neue Bedeutung schöpfen.
Headerbild: cottonbro via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!