Manchmal passieren Dinge im Leben, die man so nicht vorausgesehen hat. Egal wie vorausschauend man geplant hat, wie kontrolliert man sein Leben lebt, immer bedacht auf der sicheren Seite zu stehen, um bloß nicht Gefahr zu laufen die Kontrolle zu verlieren. Irgendwann kommt das Leben, zeigt dir den Mittelfinger, sagt „fick dich“ mit einem dreckigen Lachen im Gesicht und schubst dich von der Klippe, von der du dich doch so sorgfältig ferngehalten hast. Und dann fällst du.
Kontrolle behalten, Kontrolle zurückzuerlangen
Habt ihr als Kind auch mal diesen Traum gehabt, in dem man in einen Abgrund fällt und kurz vorm Aufprall aufwacht? Mit rasendem Herzen und einem Puls, der dem besten Rennpferd Konkurrenz macht? Ich hatte diesen Traum unglaublich oft als Kind. Es war immer der Gleiche: Ich musste irgendeine Prüfung absolvieren, mich gegen andere durchsetzen und kurz vorm Ziel wurde ich vorzugsweise von einem Monster von der Klippe geschubst.
Ich hatte den Traum so oft, dass ich irgendwann sogar bewusst mit den Fingern meine Augenlider gegriffen habe, um das Aufwachen sofort zu erzwingen und das quälende Gefühl der Machtlosigkeit im Fallen nicht bis zum Ende ertragen zu müssen. Mit den Händen an den Augen bin ich dann aufgewacht und war froh, es wieder einmal überstanden zu haben.
Kontrolle behalten und bei Verlust alles daran setzen, die Kontrolle möglichst schnell zurückzuerlangen. Das war meine selbstauferlegte Lebensmission. Leider ist das Ziel jedoch sehr kurzfristig gedacht. Kontrolle gibt mir Sicherheit für den Moment. Wenn ich die Kontrolle habe, bin ich die Herrin meines Schicksals. (Haha…) Wie schön man sich doch selbst belügen kann und wie sehr man sich damit selbst im Weg steht.
Das Gefühl der Machtlosigkeit überrollte mich wie eine Monsterwelle vor Nazaré
Ungefähr so habe ich mich vor kurzem auch gefühlt, als ich – für mich völlig unvorbereitet – die Kündigung für meinen Job erhalten habe. Ich fiel und war das gar nicht mehr gewohnt. In meinem bisherigen Berufsleben habe immer ich alle Weichen gestellt. Ich habe gekündigt, ich habe mich versetzen lassen. Ich habe beschlossen, dass der Job nicht mehr zu mir passt. Ich habe über mein Leben entschieden.
Im Fallen streckte ich alle Arme und Beine aus und versuchte mich irgendwie festzuhalten. Ich ergriff die Hände meiner Familie, meine Freunde packten meine Füße. Alle hielten mich und ich konnte mich von dem Gefühl der Machtlosigkeit überrollen lassen, wie von einer Monsterwelle vor Nazaré. So wie die aussehen, fühlte es sich nämlich an. Während ich ein paar Tage da so hing in meinem sicheren sozialen Netz und die Welle der Panik sich über mir brach, spürte ich noch ein anderes Gefühl: Erleichterung. Wo kam das her?
Es ist dein Leben, spring und mach endlich was dich glücklich macht!
Also grübelte ich und musste eingestehen, dass der Job mir zwar Spaß gemacht hat, aber es nicht mein Herzensprojekt war. Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes machen. Etwas mit Sport und Menschen. Eigentlich wollte ich mich selbstständig machen. Eigentlich wusste ich doch, dass ich nicht zu 100% glücklich war, wenn ich mich auch wohl und sicher gefühlt habe. Eigentlich ist das doch irgendwie jetzt ganz gut so, wie es ist. Nein – es IST gut, wie es ist. Ohne eigentlich. Punkt.
Und plötzlich erinnere ich mich an den Moment zurück, in dem ich dachte, das Leben zeigt mir den Mittelfinger, sagt „fick dich“ und lacht mir dreckig ins Gesicht. Und meine Wahrnehmung wird zurechtgerückt. Das Leben lächelt mich offen und hoffnungsvoll an, reicht mir die Hand und sagt „es ist dein Leben, spring und mach endlich, was dich glücklich macht!“
Einfach mal die Zügel fahren lassen
Wenn wir Kontrollettis also einfach mal zwischendurch die Zügel fahren lassen und uns in Situationen begeben, in denen wir sinngemäß nur überleben oder etwas erreichen können, indem wir loslassen. Indem wir durchatmen und den Dingen mit offenen Augen, bereit und flexibel entgegen gehen, erleben wir wahre Wunder, wachsen über uns hinaus und entfalten unser gesamtes Potenzial, das wir die ganze Zeit mit straffer Hand reglementiert haben, aus Angst davor, zu scheitern.
Also lasse ich los, nehme die Welle und stelle mich wieder drauf, wenn ich vom Brett falle
Denn was ist schon das Schlimmste, was passieren kann? Das habe ich mich ernsthaft gefragt. Ich lebe in der komfortablen Situation, dass das Schlimmste, was mir passieren kann – also wirklich der worst of worst cases – zur Folge hat, dass ich mit meinem Vorhaben scheitere. Ich werde nie auf der Straße landen, ich werde nie hungern müssen. Also lasse ich jetzt los, nehme die Welle und stelle mich wieder drauf, wenn ich vom Brett falle. Immer und immer wieder und immer mit meinem Ziel vor Augen mein volles Potenzial zu leben. Enjoy the ride!
Headerfoto: cottonbro via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!