Selbstliebe ist einer jener Begriffe, die es binnen kürzester Zeit zu einem Trendwort geschafft haben. Genauso wie Bodypositivity oder Achtsamkeit. Bestimmt sind dir diese Begriffe auch schon einmal begegnet. Aber was hat es wirklich damit auf sich?
Im Grunde wissen wir es alle: Wir sollen uns so lieben und annehmen, wie wir sind. Mit ein paar Kilos mehr oder weniger, mit Narben dort oder Cellulite da. Wir sollen aufhören, an unserer „Imperfektion“ zu mäkeln und uns bewusst werden, dass es nicht DAS Schönheitsideal gibt. Fotos werden retuschiert und gestellt. Hier ein paar Fältchen weniger, da das Doppelkinn weg. Kein Wunder, dass es so weit gekommen ist, dass etwas wie Selbstliebe, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, nun aktiv propagiert werden muss.
Unperfekt ist das neue Makellos
Der Industrie muss zugutegehalten werden, dass sie nun seit einiger Zeit versucht mit diesen vermeintlichen Idealen zu brechen: Immer häufiger findet man Werbeplakate und Kampagnen bei denen Frauen aller Körperformen und auch dem einen oder anderen Makel zu sehen sind.
Ich finde die Idee dahinter ja schön. Aber um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, dass der ganze Hype um Selbstliebe und Co. nun auch schon wieder zu einem Zwang geworden ist: Du MUSST dich so lieben wie du bist!
Dabei bedeutet Selbstliebe für mich, dass ich liebevoll mit mir umgehe. Dass es Dinge gibt, die ich an mir nicht schön finde und die ich gerne ändern möchte, gehört für mich dazu. Und nicht, dass ich das jetzt auf Biegen und Brechen akzeptieren muss.
Selbstliebe bedeutet für mich, dass ich mich gut um mich kümmere. Gerade auch dann, wenn es mir einmal ganz schlecht geht. Dass ich akzeptiere, dass ich gute und schlechte Tage habe. Dass ich mich verändern darf.
Und dass ich mich vielleicht auch mal NICHT liebe.
Selbstliebe bedeutet für mich, dass ich mich gut um mich kümmere. Gerade auch dann, wenn es mir einmal ganz schlecht geht
Denn das wichtigste bei der Liebe ist doch, dass man ehrlich zu sich ist. Und wenn ich ehrlich bin, dann liebe ich mich eben nicht immer.
Im Grunde wird mit dem Wort „Selbstliebe“ doch nur wieder eine Bedeutung festgelegt. Für das allgemeine Verständnis ist das sicherlich unabdingbar. Wir selbst sollten uns jedoch unsere eigenen Definitionen zu diesem Begriff machen.
Für mich geht es daher bei der Selbstliebe nicht immer darum, mich toll zu finden und zu akzeptieren. Mir geht es darum, ehrlich zu mir selbst zu sein. Mich auch mal nicht mögen zu dürfen. Vor allem denke ich, dass es darum geht, einen für sich passenden Umgang mit all den Gefühlen und Emotionen zu finden. Dazu ist der erste Schritt wieder Zugang zu sich selbst zu finden.
Und das geht manches Mal vielleicht auch nur dann, wenn man sich NICHT liebt.
Denn dann kommet all das Schmerzhafte hervor, das sich nicht einfach mal eben „weglieben“ lässt.
Selbstliebe bedeutet Akzeptanz
Vielleicht merke ich dann, dass ich nur zum Yoga gehe, weil das ja so gut sein soll, mich aber in Wirklichkeit nur stresst. Dass die „Selbstliebe“ nur eine weitere Ausrede ist, nicht endlich mal meinen Hintern hochzubekommen und ENDLICH mit dem Joggen anzufangen, um die unliebsamen Kilos runterzubekommen, die mich wirklich stören.
Vielleicht merke ich aber auch, dass ich diesen großen Leberfleck an meinem Bauch echt nicht mag. Und dass ich das nicht einfach so hinnehmen muss, nur weil jetzt alle auf der Welle der Selbstliebe reiten. Ja, vielleicht lasse ich ihn entfernen. Weil ICH es möchte. Weil ICH mich dann wohlerfühle. Egal, was die anderen davon halten.
Liebe lässt sich eben nicht erzwingen. Auch nicht die Liebe zu einem Selbst.
Ich für meinen Teil habe daher beschlossen, mich von dem Aufruf zu bedingungsloser Selbstliebe nicht verrückt machen zu lassen. Ich mag nicht alles an mir (und das ist eine Untertreibung). Aber das ist ok. Manches ändere ich, manches nicht.
Ich mag nicht alles an mir. Aber das ist ok. Manches ändere ich, manches nicht.
Was ich jedoch versuche, ist, ehrlich zu sein. Zu mir und zu anderen. Dann klage ich meiner Freundin am Telefon mein Leid, weil ich mal wieder einen echt beschissenen Tag habe, was mein Körperbild angeht. Oder ich gestehe mir selbst ein, dass ich einfach kein Yoga-Mensch bin und mich abends einfach doch lieber auf die Coach lege und ein Buch lese oder auch mal die eine oder andere Netflix-Serie schaue.
Ja, vielleicht liegt er ja in der Ehrlichkeit: Der Schlüssel zu der Liebe zu sich selbst.
Denn nur wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, uns mit unseren Gefühlen auseinandersetzen und sie hinterfragen, können wir an den richtigen Schräubchen drehen und herausfinden, was uns wirklich fehlt, um uns selbst zu lieben.
Egal ob es eine Veränderung ist, Akzeptanz oder die Einsicht, dass uns etwas ganz anderes fehlt.
Wie in der wahren Liebe auch, ist Ehrlichkeit nicht immer einfach und kann ganz schön schmerzhaft sein. Deswegen: Sei lieb zu dir und halte eventuell eine Tafel Schokolade in Reichweite.
Headerbild: cottonbro (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!