Es ist wahr, ich hab nicht unbedingt ein Händchen dafür, welche Männer ich in mein Leben – und in der Vergangenheit nicht zu selten auch in mein Herz – gelassen habe. In den letzten sechs Jahren habe ich mich oft verliebt, bin daran gescheitert, fast ertrunken und habe mich nach endlosen Abenden mit meinen Freund:innen und vielen Gläsern Wein wieder aufgerappelt.
Ich habe die Begrifflichkeiten „Toxische Beziehung“ oder „Toxische Männlichkeit“ als Narrativ meiner Zeit und Generation verinnerlicht. Doch habe ich die unzähligen Erfahrungen mit emotional labilen Männern und meine kräftezehrende Arbeit, dass sie sich ihrer Gefühle bewusst werden, nicht auch selbst zu verantworten?
Die Begeisterten vs. die Ruhigen
Ich hätte die Männer auch haben können, naja den ein oder anderen. Der, der mir seine Zuneigung auf dem Silbertablett servierte, offen sagte, wieviel er von mir hielte und welche Zukunftspläne ihm mit mir vorschwebten. Und ja, auch diese Sorte Männer ist mit Vorsicht zu genießen, denn nicht immer folgen solchen Worten auch Taten. Dennoch habe ich es zu selten überhaupt versucht.
Meine Schwäche lag bei Männern, die ruhig waren, mich nicht erhöhten und mich durch ihre introvertierte Art in dem Glauben ließen, mit sich im Reinen zu sein. Die es nicht nötig hatten, laut zu sein. Doch auch da lag ich leider sehr oft daneben. Denn am Ende, so musste ich oft feststellen, ist eine ruhige Art auch einfach nur Unsicherheit und Unsicherheit auch nur ein Spiegel der inneren Zerrissenheit.
Meine Schwäche lag bei Männern, die ruhig waren, mich nicht erhöhten und mich durch ihre introvertierte Art in dem Glauben ließen, mit sich im Reinen zu sein.
Wo wir wieder bei toxischen Verhaltensmustern wären. Im Duden wird das Adjektiv “toxisch” mit bösartig, gefährlich, schädlich und zermürbend bezeichnet. Mit einem Blick in die Vergangenheit kann ich sagen: Indeed.
In dem fabelhaften Film “Vielleicht lieber Morgen” fragt der introvertierte Hauptdarsteller seinen Lehrer: “Warum suchen sich die liebenswerten Menschen immer die Falschen aus?” Sein Lehrer antwortet darauf: “Wir akzeptieren das, was wir zu verdienen glauben.”
Und ja, vielleicht ist es so einfach. Wenn ich nicht kämpfen muss, damit mich jemand liebt, ist es die Sache nicht wert? Was ein selbstzerstörerischer Gedanke. Aber wenn wir mit einem Blick auf unser Verhaltensmuster ehrlich sind, steckt darin sehr viel Wahrheit.
Im Bett mit dem, der sich nicht festlegen kann
Vor kurzem habe ich mir diese Fragen erst wieder gestellt, während ich im Bett und in den Armen eines Mannes lag, der offensichtlich die Intimität und Zweisamkeit mit mir genoss, der es nach über einem halben Jahr mit mir allerdings nicht schaffte, sich festzulegen. Doch eins ist dabei neu: Er ist weder berechnend noch strategisch oder bewusst hinhaltend. Er ist einfach nur abwartend und ja, sicherlich auch ängstlich. Und noch etwas ist dabei neu: Ich musste feststellen, ich bin es auch. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben mich zögerlich und verkopft werden lassen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben mich zögerlich und verkopft werden lassen.
Ich mag unsere Momente nur zu zweit. Doch der Einfluss von außen machte mich unsicher. Freund:innen, die ein Commitment oder wenigstens eine Erklärung erwarteten, “was das denn jetzt hier sei”. Familienmitglieder, die immer von dem “Sozusagen-Freund” sprachen und es als befremdlich ansahen, wenn man ihnen erklärte, dass es auch ein “Dazwischen” gäbe.
“Machst du dir da nichts vor?”, hieß es nicht zu selten. Machte ich das? Ich muss zugeben, es gibt zuweilen schon den Wunsch in mir, einen Mann kennenzulernen, der irgendwann (besser nicht zu spät) erkennt, was ich ihm bedeute und es mir aus tiefstem Herzen und voller Überzeugung sagen kann, ohne dass diese Worte nach dem nächsten Krach revidiert werden.
Aber was ich bei dieser Denke immer wieder zurückstelle, bin ich selbst und meine Sichtweise. Ich rede von dem Wunsch, dass ein Mann seine Gefühle mir gegenüber offenbart. Doch kann ich das überhaupt selbst zurückgeben?
Ich rede von dem Wunsch, dass ein Mann seine Gefühle mir gegenüber offenbart. Doch kann ich das überhaupt selbst zurückgeben?
Oh ja, ich habe in der Vergangenheit geliebt. Selbstlos, aufopferungsvoll und mit jeder Faser meines Körpers. Doch die letzte große Liebe und ihr Verlust haben mich verändert. Sie haben meinen Blick auf die Liebe verändert. Sie ist nicht mehr laut, schrill und expressionistisch. Sie ist abwartend und bedacht. Ist sie dadurch weniger echt? Ich habe gelernt, dass es nicht ratsam ist, nach einer Liebe zu streben, die es schafft, ohne Worte in die Seele des anderen zu blicken und sofort weiß, was das Gegenüber fühlt oder denkt.
Wie arrogant sind wir zu erwarten, dass uns jemand wortlos doch zu verstehen hat und wenn er oder sie es nicht tut, dann was? Sind wir nicht füreinander bestimmt? Das klingt mir sehr nach Scheuklappen. Ein Mann, der zu mir passt, muss dieses Kriterium der sogenannten “Seelenverwandtschaft” (würg) erfüllen? Ein Wort: Bullshit!
Unsere Partnerinnen müssen nicht alle Bedürfnisse bedienen
Ist es nicht eher so, dass wir Menschen, Freund:innen, Familienmitglieder in unserem Leben haben, die alle auf unterschiedliche Weise das bedienen, wofür wir brennen? Mit dem einen Freund teile ich den Musikgeschmack, mit der einen Freundin rede ich nächtelang über True Crime und nerdige Reportagen. Mit meinem Papa gehe ich zum Handball und mit der einen Freundin fahre ich auf ein verlängertes Wellness-Wochenende. Wenn wir immer noch erwarten, dass unser Partner oder unsere Partnerin alles mit uns teilt, sind wir unfair und ziemlich egoistisch.
Wenn wir immer noch erwarten, dass unser Partner oder unsere Partnerin alles mit uns teilt, sind wir unfair und ziemlich egoistisch.
Und so liege ich wieder hier in den Armen eines Mannes, der sich nicht sicher ist mit mir und ich mir nicht sicher bin mit ihm. Ein Mann, der so viele meiner Interessen nicht teilt. Für den ich ehrliche Zuneigung, aber keine tiefe Liebe empfinde. Und ich frage mich: “Ist das genug?” Eine Antwort: Ja!
Wir sollten uns wirklich mehr von gängigen Mustern entfernen oder von Meinungen anderer, wie eine Beziehung zwischen zwei Menschen üblicherweise zu sein hat. Wir sollten den Begriff der Seelenverwandtschaft nicht nur auf einen Menschen projizieren und wir sollten verdammt nochmal lernen, dass Liebe auch still sein kann.
Headerfoto: Néo Rioux via Pexels (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Gute Message aber die Generalisierungen gefallen mir garnicht. Nur weil jemand eine ruhige Art hat, heißt das nicht dass diese Person Unsicherheiten hat und Unsicherheiten sind auch nicht gleich innere Zerrissenheit sondern gehören zu jeder Persönlichkeit. Finde ich schade dass hier nicht nochmal differenziert wird beziehungsweise explizit auf was sich bezogen wird.
Sehr authentischer, ehrlicher Beitrag. Die Idee der Großen Liebe habe ich noch nie richtig verstanden. Weil wenn es sie gab, was kommt dann?
Ergibt keinen Sinn. Ich sehe Beziehungen für sich. Natürlich war ich auch lange auf der Schiene, eine romantische Beziehung muss (fast) alles erfüllen, nur dann ist sie „echt“. Geprägt von RomComs und Schnulzen.
Seit ein paar Jahren, mit mehr Abstand und vor allem mehr Selbstbewusstsein für mich und meine Bedürfnisse werde ich immer entspannter was das 2er-Konzept angeht. Alles kann nichts muss 🙂
Vor allem ist es für mich wichtig Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir und ich ihnen gut tue. Ob mit Sex oder ohne, verbindlich oder unverbindlich. Eben ehrliche Zuneigung.
Liebe Ann-Kathrin,
danke für diesen Post! Du hast mir aus der Seele geschrieben, denn auch ich habe in meiner letzten Beziehung diese aufopfernde, schrille, laute (und zerstörende) Liebe gehabt, die mich für den Mann, mit dem alles leise, ruhig und zärtlich passiert, verändert hat. Und auch ich sage: ja! Es ist genug!
Schön zu wissen, dass es anderen da draußen genau so geht. 🙂