Selbstliebe ist in aller Munde. Doch was bedeutet Selbstliebe eigentlich genau? Und was hat Selbstliebe mit Sex zu tun? Nun, eine ganze Menge!
Das verzerrte Körperbild der Medien
Wir sind als Gesellschaft kollektiv traumatisiert, wenn es um unsere Körper und Sexualität geht. Die sozialen Medien, Spielfilme und auch Pornos formen auf recht subtile Weise unsere Vorstellung von einem perfekten Körper und von einer „perfekten“ Sexualität. Meistens gehen diese zwei Dinge auch noch Hand in Hand. Da sehen wir dann fast ausschließlich wohlgeformte, trainierte Körper. Wer kennt nicht diese Szene aus mindestens einem Spielfilm, in der sich ein Mann auf eine Frau legt und nach drei Minuten sind beide gleichzeitig zum Orgasmus gekommen.
Doch sieht die Realität wirklich so aus? Falls du schon einmal Sex hattest, wirst du wissen, dass Sex recht selten bis gar nicht à la Hollywood passiert. Wenige von uns haben einen Körper, der denen der Frauen aus Zeitschriften und Katalogen gleicht und trotzdem haben die meisten von uns ein Sexualleben. So weit so gut.
Unser Sexualleben ist oft geprägt von diesen unbewussten Vorstellungen, die uns die Medien tagein, tagaus vermitteln.
Doch ist unser Sexualleben oft geprägt von diesen unbewussten Vorstellungen, die uns die Medien tagein, tagaus vermitteln. Durch unseren Medienkonsum trennen wir uns ganz unbewusst von unserem Körper ab. Wir nehmen ihn als Objekt wahr, welches man kontinuierlich verbessern kann und sollte, und nicht mehr als ein Teil von uns, zu dem wir eine emotionale Beziehung haben.
Der Orgasmus als übergeordnetes Ziel der Intmität
Schauen wir uns den Orgasmus an. Die meisten Menschen praktizieren Sex mit dem Ziel, einen Orgasmus zu erreichen. Denn die Annahme dahinter ist: Ohne Orgasmus war der Sex nicht gut/befriedigend. Diese Annahme beziehen wir dabei meist auf unsere:n Partner:in und nicht so sehr auf uns selbst. (Und hier kommt die Selbstliebe ins Spiel.)
Viele Frauen* wollen, dass ihr:e Partner:in beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommt, damit sie Bestätigung bekommen, dass der Sex für sie/ihn gut war. Dies gibt uns außerdem Sicherheit, dass der/die andere bei uns bleiben wird. Für heterosexuelle Männer gilt das umgekehrt genauso, denn: Wenn die Partnerin nicht kommt, hat er versagt und sein Ego ist angeknackst.
Viele Menschen gehen dann auch gerne den Weg des „Orgasmus-Vortäuschens“. Die drei häufigsten Gründe dafür sind:
- Druck, zum Orgasmus kommen zu müssen, um den/die Partner:in nicht zu enttäuschen
- Langeweile
- Physischer Schmerz
Wenn ich mich selbst und meinen Körper wirklich liebe, dann werde ich während des Geschlechtsverkehrs weder Langeweile noch physischen Schmerz aushalten. Ich werde mit meinem/meiner Partner:in reden und ihn/sie bitten, eine Pause zu machen oder aufzuhören.
Meine Sexualität kann gar nicht erfüllend sein, wenn ich dabei ständig über meine eigenen Grenzen gehe und meine Wünsche und Bedürfnisse nicht formulieren kann. Dann falle ich eher wieder in einen Kreislauf von kontinuierlicher Retraumatisierung.
Meine Sexualität kann gar nicht erfüllend sein, wenn ich dabei ständig über meine eigenen Grenzen gehe und meine Wünsche und Bedürfnisse nicht formulieren kann.
Selbstliebe bedeutet für mich wortwörtlich „sich selbst zu lieben“. Und zwar körperlich. Ich kann meinen Partner:innen nur sagen, was ich mir im Bett wünsche, wenn ich weiß, was mir gefällt. Wenn ich meine Körperscham abgelegt habe und mit mir selbst intim war. Sexualität beginnt immer mit dem Selbst und nicht mit dem/der anderen.
Was ich meinen Klientinnen rate
Dies ist einer der ersten Ratschläge, die ich meinen heterosexuellen Klientinnen gebe, wenn die Sexualität mit dem Partner eingeschlafen oder nicht erfüllend ist: Werde mit dir selbst intim. Beginne, dich selbst zu lieben. Finde heraus, was dir gefällt und gib es dir selbst. Verführe dich selbst und berühre dich genauso, wie du von deinem Liebhaber berührt wollen würdest.
Wenn man diese Praxis wirklich verkörpert, dann verändert sich die Energie, die man ausstrahlt. In der Regel geht die Veränderung deiner Energie auch nicht an deinen Partner:innen vorbei. Und das Feuer der Sexualität kann auf eine ganz neue Art und Weise entfachen.
Leider bringt uns in jungen Jahren niemand bei, wie wir unsere Sexualität gesund erforschen können. Wirkliche sexuelle Aufklärung, die sich nicht auf das Vermeiden von Geschlechtskrankheiten begrenzt, gibt es nicht. Wir verlieren durch unsere verklemmte Gesellschaft eher den Bezug zu unseren Körpern und zu unserer ureigenen Sexualität und versuchen dann, einem Idealbild nachzujagen, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt.
Wirkliche sexuelle Aufklärung, die sich nicht auf das Vermeiden von Geschlechtskrankheiten begrenzt, gibt es nicht.
Wenn wir älter werden, ist es unsere Aufgabe, selbst Verantwortung für unser Sexualleben zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass unsere Wünsche erfüllt werden. Das erfordert Mut und kontinuierliche Übung. Sich selbst eine gute Liebhaberin zu sein, braucht Zeit. Und das ist auch in Ordnung.
Was du konkret tun kannst, um zu einer erfüllteren Sexualität zu finden
- Höre am besten damit auf, den anderen auf Biegen und Brechen gefallen zu wollen und dich zu verstellen.
- Höre auch auf, dich mit unrealistischen Bildern aus den Medien zu vergleichen.
- Beginne, Sexualität als einen individuellen Lern- und Forschungsraum zu begreifen.
- Habe Spaß am Ausprobieren und Entdecken mit dir selbst.
- Finde heraus, was dich wirklich in Ekstase versetzt und zelebriere deinen eigenen Körper.
- Nutze Selbstbefriedigung als Selbstliebepraxis, um dir etwas Gutes zu tun.
- Und dann: Teile deine Entdeckungen anschließend mit deinem/deiner Partner:in.
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