Der Sommer stand vor der Tür und meine neue Beziehung sah sich mit der Frage konfrontiert, wie wir unsere Ferien verbringen werden. Miteinander, ohneeinander – warum nicht sowohl als auch? Die ersten Urlaubstage planten wir also eine kleine Städtereise gemeinsam. Rom sollte es werden. Frisch geimpft und alle Vorsorgemaßnahmen getroffen, packten wir mutig unsere Köfferchen.
Wir waren schon auch etwas aufgeregt, als uns bewusst wurde, dass fünf knappe Beziehungsmonate und ein Urlaub in der Ferne gründlich schief gehen könnten, aber was soll’s, wir leben ja alle nur einmal.
Was soll ich schreiben? Es war großartig! Wir schliefen nebeneinander wie die Babys, aßen uns kugelrund an Pasta und Eis und staunten über all die Wunder dieser entzückenden Stadt. Unser erster gemeinsamer Urlaub war geglückt und wir bestiegen wieder etwas eleganter eine weitere Beziehungsentwicklungsstufe.
Es war großartig! Unser erster gemeinsamer Urlaub war geglückt und wir bestiegen wieder etwas eleganter eine weitere Beziehungsentwicklungsstufe.
Zu Hause angekommen lagen wir liebestrunken in unseren Betten und murmelten uns Treueschwüre in die für Zweifel taub gewordenen Ohren. Ja, so schön kann neue Liebe sein.
Nähe und Distanz
Viel spannender fand ich aber dann doch, dass ich eine weitere Woche Urlaub ohne ihn, aber mit meinen Kindern woanders verbrachte. Wir stiegen in den Flieger, ich vermisste den Kerl in der Heimat und redete mir gut zu, die paar Tage Abstand täten der Beziehung doch keinen Abbruch. Taten sie auch nicht. Stattdessen wuchs das gegenseitige Vermissen bei gleichzeitiger Erholung meinerseits zwischen Hotelpool und Meeresrauschen, während ich meinen Kindern beim Muschelsuchen zusah.
Wir stiegen in den Flieger, ich vermisste den Kerl in der Heimat und redete mir gut zu, die paar Tage Abstand täten der Beziehung doch keinen Abbruch.
Weitere zehn Tage später musste ich jedoch wieder Abschied nehmen, denn nun war er es, der sich mit seinem Kind in den Urlaub begab. Unendliche sieben Stunden Zugfahrt von mir entfernt, für knapp drei Wochen. In mir begann sich etwas zu rühren. Die Frage, ob ich oder vielmehr wir diesem ständigen Abstand nun genauso gewachsen wären wie der vollkommenen Nähe.
Zugegeben, Nähe ist mitunter aufregend, aber auch aufreibend. Da sieht man sich morgens bis abends in guter bis schlechter Laune dabei zu, wie man in der Fremde die Tage und Nächte übersteht, ohne Anker und doppelten Boden. Eventuell wird einem schwindelig bei dem Gedanken, nicht voreinander flüchten zu können und das Pensionsbett wird plötzlich eng und enger.
In mir begann sich etwas zu rühren. Die Frage, ob ich oder vielmehr wir diesem ständigen Abstand nun genauso gewachsen wären wie der vollkommenen Nähe.
Was man aber auch nicht vergessen sollte, ist die Tatsache, dass wir im Urlaub aufeinander angewiesen sind. Konflikte werden unter Karaffen von Rotwein weggeschlürft und die Augen brennen bei so viel Schönheit in der Unbekannte – da eine Kirche, dort ein röterer Sonnenaufgang als in der Heimat. Diese Magie macht es vielen leichter, sich nicht auf den Sack zu gehen.
Die Königsdisziplin ist hingegen, uns auch noch leiden zu können, wenn man merkt, ohne den anderen über Wochen gut schlafen zu können, prima zu lachen und überhaupt nicht leiden zu müssen. Sind wir uns etwa fremd geworden? Ist der andere doch nicht so wichtig und wunderbar wie gedacht oder bin ich es selbst, die ihm in seinem Urlaub nur blass in Erinnerung blieb, während ich alle zehn Minuten meine Nachrichten nach ihm checke?
Die Königsdisziplin ist hingegen, uns auch noch leiden zu können, wenn man merkt, ohne den anderen über Wochen gut schlafen zu können, prima zu lachen und überhaupt nicht leiden zu müssen. Sind wir uns etwa fremd geworden?
Vermutlich steckt in alldem auch ein Funken Wahrheit, aber eben auch nicht mehr. Eine Möglichkeit ist nämlich auch, dass wir einander inzwischen vertrauten und die Distanz in Kilometern nicht die Nähe in Gedanken schmälerte. Oder im Gefühl. Denn die Vorfreude aufeinander muss nicht in jeder Textnachricht aufleuchten und der Wunsch, sich im Urlaub fallen zu lassen, ohne dem anderen gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben, ist sehr selbstverständlich.
Das richtige Maß
Mit Stolz blickte ich also in die vergangenen drei Wochen, sah mich fröhlich und erschöpft ob der Tatsache, dass ich viel zu viele Abende mit meinen Freundinnen verbracht hatte und viel zu häufig Verabredungen traf, um mich einerseits etwas abzulenken, aber auch andererseits die Möglichkeit zu nutzen, meine dazugewonnene Freizeit zu gestalten.
Ich sah uns beide gedanklich noch etwas näher rücken, in der uns aufgezwungenen Entfernung. Ich spürte, Urlaub mit dem Partner tut zwar extrem gut, aber Urlaub ohne den Partner auch. Wie gut, dass er für Oktober bereits die nächste Reise gebucht hat. Jetzt muss ich diesbezüglich nur noch an meinem Reise-Neid arbeiten.
Headerfoto: Martin Lopez via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!