Endlich wieder feiern gehen, ausgelassen tanzen, nett im Restaurant verweilen und plaudern … Wie sehr ich mich darauf nach der Pandemie freue? 12 von 10. Das dachte ich noch vor ein paar Monaten. Damals war die Sehnsucht nach Gesellschaft, nach sozialem Austausch mit auch mal wieder anderen Personen als dem eigenen Partner und maximal noch Kolleg:innen immens groß. Die eigenen vier Wände wieder verlassen und sich lebendig fühlen.
Völlig desozialisiert?
Nun sind viele von uns geimpft, Restaurants und Cafés sind wieder geöffnet. Das ein oder andere Bier in geselliger Runde? Einiges ist wieder möglich. Und ich? Will trotzdem manchmal einfach zuhause bleiben. Viel öfter als noch vor der Pandemie.
Das ein oder andere Bier in geselliger Runde? Einiges ist wieder möglich. Und ich? Will trotzdem manchmal einfach zuhause bleiben. Viel öfter als noch vor der Pandemie.
Ich mag diese Komfortzone, die ich mir in den letzten Monaten aufgebaut habe – mit vielen bunten Kissen und Decken, jeglichen erdenklichen Kräuterteevariationen, der ein oder anderen Meditationspause und (endlich) Zeit und Muße zum Schreiben und Lesen. Den Begriff Komfort-Zone habe ich damit in vielerlei Hinsicht ausgereizt.
Oft frage ich mich jedoch rückblickend, was während dieser Zeit mit mir passiert ist; was vielleicht mit vielen von uns passiert ist. Denn zumindest bei mir selbst nehme ich eine Veränderung wahr: Von vielen Menschen umgeben zu sein, mehreren Personen im Gespräch zu folgen, empfinde ich oftmals als anstrengend. Bin ich wieder zuhause, frage ich mich, worüber eigentlich geredet wurde. Mein sozialer Akku ist leer. Batteriestatus rot.
Von vielen Menschen umgeben zu sein, mehreren Personen im Gespräch zu folgen, empfinde ich oftmals als anstrengend. Bin ich wieder zuhause, frage ich mich, worüber eigentlich geredet wurde. Mein sozialer Akku ist leer. Batteriestatus rot.
Erstmal eine halbe Stunde Yoga und drei Folgen der Lieblingsnetflix-Serie – danach geht es langsam wieder bergauf. Die Bedürfnisse des inneren Sims-Charakters wurden, soweit es geht, gepflegt und er ist wieder aufnahmefähig. Aber das dauert seine Zeit. Und anders als bei dem Computerspiel gibt es dafür auch keine Beschleunigungstaste.
Ein bisschen fühlt es sich an, als hätte ich das soziale Miteinander verlernt. Ich frage mich also: Hat mich die Pandemie zur Einzelgängerin gemacht? Nach so vielen Monaten des Rückzugs weiß ich oftmals nicht, worüber ich mit anderen sprechen soll oder inwieweit mich ein Treffen weiterbringt. Es ist ja nicht viel passiert! Oder hat die Pandemie „einfach nur“ meine wahren Bedürfnisse offenbart, die ich all die Jahre vorher übersehen hatte oder womöglich auch übersehen wollte, weil ich sie als nicht gesellschaftsfähig genug erachtet habe?
Hat mich die Pandemie zur Einzelgängerin gemacht? Oder hat die Pandemie meine wahren Bedürfnisse offenbart, die ich all die Jahre vorher übersehen hatte oder womöglich auch übersehen wollte?
Mich zurückziehen und für mich sein, meine kleinen privaten Kreativ-Projekte ganz für mich alleine verfolgen und die kleinen und großen sozialen Happenings wohldosiert in den Terminkalender streuen. Vielleicht ist das mein eigentliches Ich.
Immer mit der Ruhe
„Ich freue mich so, dass wir uns bald wiedersehen!“ Ein oft gehörter Satz. Und mein Gehirn dann manchmal so: Ja, ich freue mich auch, dass wir das theoretisch könnten. Aber noch besser fände ich es, wenn wir uns damit noch etwas Zeit ließen. Es ist nicht so, dass ich im Umgang mit anderen unsicher bin oder Angst habe, ich habe nur schlicht und einfach manchmal keine Lust dazu.
Daher schaltet sich bei diesem inneren Konflikt auch immer das schlechte Gewissen ein. Wie bringe ich meinem Gegenüber schonend bei, dass ich heute Abend nicht für einen spontanen Drink zur Verfügung stehe? Das kann ich doch unmöglich bringen, erst recht nicht nach einer so langen Zeit sozialer Abstinenz. Spiele ich die „Mir geht es heute nicht so gut“-Karte aus, bleibe aber trotzdem wieder bis um 19:30 Uhr im Büro und fläze mich dann erst zuhause auf die Couch? Auch irgendwie schief und, naja, auch einfach nicht die Wahrheit.
Wie bringe ich meinem Gegenüber schonend bei, dass ich heute Abend nicht für einen spontanen Drink zur Verfügung stehe? Das kann ich doch unmöglich bringen, erst recht nicht nach einer so langen Zeit sozialer Abstinenz.
Ich will lieber ehrlich sein: Heute nicht, ich brauche Zeit für mich. Wir haben alle einige seltsame Monate hinter uns: Für den einen oder die andere existenzbedrohlich, kräftezehrend – keine Frage. Andere haben – so wie ich – auch eine kleine Forschungsreise in sich selbst unternommen und neue Erkenntnisse gesammelt über persönliche Wünsche und auch über die Beziehungen zu Personen im eigenen Umfeld und ihren gesamten Alltag umstrukturiert. So etwas bleibt nicht folgenlos.
Ich will lieber ehrlich sein: Heute nicht, ich brauche Zeit für mich.
Und wenn ich mir nun manchmal noch selbst genug bin, ist das völlig in Ordnung. Und es ist auch okay, wenn das in Zukunft so bleibt, einfach weil es vielleicht schon immer so hätte sein sollen.
Headerfoto: cottonbro via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!