Bodyshaming: Mein Körper ist nicht da, um von dir beurteilt zu werden

Nehmen wir an, wir säßen in einer kleinen französischen Bar, draußen, weil das Wetter endlich wieder dazu einlädt und auch, weil die Pandemie sich dankbar moderat in die Sommerferien verabschiedet hat. Wir sehen uns mit zwei Freunden, Männern, die Menschen im Vorbeigehen an und lächeln amüsiert in unsere Weingläser. Mit jedem Schluck lösen sich unsere Zungen und plötzlich läuft sie vorbei, die größte Modesünde der 80er, 90er und dieser Tage: die Radlerhose.

Die Radlerhose – Ein Dorn in meinem Auge

Ich erlaube mir hier einen knackigen, fast bissigen Kommentar zu diesem Kleidungsstück, welches seinen Namen vermutlich nach seinem Zweck erhielt, nämlich als Radfahrutensil am Körper jener sportbegeisterter Menschen, die nach einer Lösung verlangten, zwischen aufgescheuert und totgeschwitzt. Modern wurde sie dann adaptiert und interpretiert von den Massen, als auch Farben wie Neon in Erscheinung traten und Supermoms Dauerwelle trugen.

Ich erlaube mir hier einen knackigen, fast bissigen Kommentar zu diesem Kleidungsstück, welches seinen Namen vermutlich nach seinem Zweck erhielt, nämlich als Radfahrutensil. Modern wurde sie dann adaptiert und interpretiert von den Massen.

Heute ist diese Radlerhose wieder Teil unserer Straßen und meine Augen schweifen in jenem Café andächtig durch die Reihen, als mir eben solch ein Wunderwerk der form follows function begegnet. Ich töne mit schnalzender Zunge, dass ich Radlerhosen, genau wie Vokuhilas einfach nicht schön finde, als mir sofort einer der Herren zu meiner Rechten beipflichtet. Harmlos, wie ich finde. Wir beide sind eben doch Kostverächter. Es muss uns ja auch nicht alles gefallen.

Bodyshaming und Verharmlosung 

Doch wäre da nicht in einem Nebensatz nachgeschoben worden, diese Hosen sollte ja sowieso keiner tragen, der nicht mindestens Modelmaße sein Eigen nenne. Garniert wurde diese Frechheit mit dem Einschub „Huch, war das jetzt schon Bodyshaming?“ und einem verschmitzten Lächeln. Ja, war es und nein, das ist nicht okay. Die andere Begleitung stimmte eifrig zu, ergänzte aber, Bodyshaming fände hier nicht statt, hätten wir ja niemanden direkt angegriffen.

Diese Hosen sollte ja sowieso keiner tragen, der nicht mindestens Modelmaße sein Eigen nenne. Garniert wurde diese Frechheit mit dem Einschub ‚Huch, war das jetzt schon Bodyshaming?‘ und einem verschmitzten Lächeln.

Bei aller Liebe zu den mich auf Wein und Gesellschaft begleitenden Menschen: Hier blieb auch mir einmal mehr die Spucke weg. Glücklicherweise nur kurz, denn nachdem ich mich gesammelt hatte, hielt ich eine flammende Rede, warum ich diesen Kommentar nicht nur unangebracht fände, sondern obendrein jede Konversation in ähnliche Richtung unabhängig vom Adressaten Bodyshaming darstellt, wisse mein Gegenüber doch selbst um die Macht der Worte und die Möglichkeit, auch mir oder anderen ungewollt Schmerz zufügen zu können.

Hier blieb auch mir einmal mehr die Spucke weg. Glücklicherweise nur kurz, denn nachdem ich mich gesammelt hatte, hielt ich eine flammende Rede.

Ja, ich bin schlank und sehe bekleidet sicherlich subjektiv gut aus, aber gibt das dem anderen das Recht, anzunehmen, ich würde mich in der Abwertung von Körpern wohlfühlen?

Körper in unserer Gesellschaft 

Ich finde mich generell nicht wieder in unserer sehr körperbetonten, übersexualisierten Gesellschaft. Jede Werbung wird dann vermeintlich tauglich, wenn Menschen mit glatter Haut, weißen Zähnen und besonders freizügiger Kleidung etwas in die Kamera halten. Natürlich wirkt Attraktivität und wenn nicht die, dann eben irgendetwas anderes auf den Körper zu reduzierendes. Eine augenscheinliche Narbe, ein fleischiges Gesäß, eine unverhüllte Brust, ein kirschroter Mund, der gierig in den Apfel beißt. Alles schreit: „Bewerte mich!“

Ich finde mich generell nicht wieder in unserer sehr körperbetonten, übersexualisierten Gesellschaft.

Ich finde mich nicht nur nicht darin wieder, ich kann auch mittlerweile den Deckmantel „Bodypositivity“ nicht mehr ertragen. Mein Körper sollte niemanden etwas angehen und mich sollten andere Körper nicht dazu verführen, ständig über sie nachzudenken. Automatisch sehe ich an mir runter, vergleiche mich, hadere mit mir, hadere mit ihnen und entwickle dadurch eine ungesunde Einstellung zu ihnen und mir.

Ich liebe Mode, ich kleide mich gerne ein und benutzte mein Rouge und den Lippenstift genauso eifrig wie viele andere Damen (und Herren), aber ich würde es nicht mehr wagen, darüber zu urteilen, ob es andere mir gleichtun oder völlig anders machen.

Mein Körper ist nicht dein Problem

Während ich also meinen Wein beiseitestelle, um mich ritterlich in die Schlacht zu werfen, fliegen mir die Argumente für und gegen Kleidungsstile und Körpermaße entgegen, dass es nur so scheppert. Hier sitzen zwei Experten.

Während ich also meinen Wein beiseitestelle, um mich ritterlich in die Schlacht zu werfen, fliegen mir die Argumente für und gegen Kleidungsstile und Körpermaße entgegen, dass es nur so scheppert.

Natürlich gefällt mir nicht jede Delle an meinem Körper und verdammt noch mal, ja, auch ich bin ein visueller Typ, aber welche Vision einer Person sollte ich mir einbilden entspricht denn der Norm und damit einer gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz? Frauen mit Beinhaaren? Noch lange nicht! Schwangerschaftsrisse am Bauch im Bikini? Eher die Ausnahme. Männer mit Mascara und Lipgloss? Kommt wohl auf die Szene an.

Ich garantiere den Anwesenden also, dass nicht ich mich einst freiwillig für die Intimrasur entschied und die glatten Achseln, weil ich das so zauberhaft und hygienisch fand, sondern weil ich mich schämte, anders als die anderen Mädchen rumzulaufen und irgendwie auch schämte, zur Frau zu werden.

Lange drückte ich meine Brüste weg, trug weite Hosen und versteckte meine Schenkel. Noch heute trage ich bei einem BMI von 19 nur lange Kleider und Tshirts mit Ärmeln, weil ich meine Waden und Oberarme für eine zierliche Frau zu kräftig finde.

Ich garantiere den Anwesenden, dass nicht ich mich einst freiwillig für die Intimrasur entschied und die glatten Achseln, weil ich das so zauberhaft und hygienisch fand, sondern weil ich mich schämte, anders als die anderen Mädchen rumzulaufen und irgendwie auch schämte, zur Frau zu werden.

Es ist ein Graus zu ahnen, dass jemand in einer Bar sitzen könnte und sich ein Urteil über mich und meine Hosenwahl erlaube, obwohl ich doch vielleicht erstmals den Mut gefasst hab, bei über 37 Grad nicht in langen Jeans umzukommen.

Solange der Sommer sich anfühlt wie ein Urlaub auf den Malediven, bin ich bereit, Menschen dabei zu unterstützen, nicht in der Hitze umzukommen oder sich gegen den Strandbesuch zu entscheiden. Mich geht das nämlich im Grunde auch überhaupt nichts an und unsere Gesellschaft ist krank zu glauben, ihr Einfluss sei hilfreich oder wie es so fabelhaft häufig heißt: „normal“. Nichts daran ist normal. Körper sind normal. Einstellungen mitunter leider nicht.

Headerfoto: Gemma Chua-Tran via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

Laurine Lauretta, ein Perpetuum Mobile. Zwischen alleinerziehender Mutterschaft, pädagogischer Arbeit und Frausein, bleibt noch genug Zeit sich viele Gedanken um die Liebe, das Leben und allerlei Unsinn zu machen. Hier in Wort und Text.

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