Du siehst mich nicht als Sexobjekt – Und ich musste erst lernen, damit umzugehen

In meiner Vorstellung gehörte eine gesunde Sexualität zu einer erfüllten Beziehung. Mir kam nur erst sehr spät der Gedanke, dass ich keine Ahnung hatte, was eine gesunde Sexualität tatsächlich bedeutet.

How To Be Sexy

So lernte ich bereits sehr zeitig, wie ich einen Partner verführe, manipuliere, umgarne. Ich verwechselte Sexualität mit Intimität und schuf ein Bild von mir im Kopf des anderen, welches keiner Realität dauerhaft standhielt. Ich als Femme Fatale. Mal süß, mal betörend und mindestens zu Beginn stets verfügbar, willig und allzeit bereit.

Tatsächlich wusste ich schneller, wie ich meinen potenziellen Partner ins Bett bekommen würde, als mich mit ihm zu unterhalten. Wir erkundeten des anderen Körper wie Orte auf einer Landkarte: seine Leberflecke am Brustbein, seine Barthaare am Kinn, die kleinen Makel unserer Haut und die krummen Knie. All das war vertrauter als das Wissen um die Zubereitung seines Morgenkaffees oder meine Ziele und Wünsche beruflicher Natur.

Ich lernte bereits sehr zeitig, wie ich einen Partner verführe, manipuliere, umgarne. Ich verwechselte Sexualität mit Intimität und schuf ein Bild von mir im Kopf des anderen, welches keiner Realität dauerhaft standhielt.

Manchmal wachte ich dann auch durchaus mit diesem bitteren Geschmack der Scham auf. Fühlte mich etwas ausgelaugt oder sogar unbefriedigt, obwohl ich gerade phänomenalen Sex gehabt hatte. Ich fühlte manches Mal auch eine Leere in mir, die ich versuchte mit noch mehr körperlicher Nähe auszugleichen.

Ich schmiegte mich wieder an des anderen Körper, kroch in die mir so vertraute Halskuhle und sog den bekannten Duft nach Lust und Leidenschaft ein. Meine körperliche Nähe erzeugte eine körperliche Reaktion auf der anderen Seite und wir wühlten uns wieder durch die Laken, was mir ein Gefühl der Sicherheit und Macht vorgaukelte.

Manchmal wachte ich mit diesem bitteren Geschmack der Scham auf. Fühlte mich etwas ausgelaugt oder sogar unbefriedigt, obwohl ich gerade phänomenalen Sex gehabt hatte.

Diese Kontrolle, die mir so wichtig war, um nicht unverhofft verlassen zu werden oder mich glauben zu lassen, hier handele es sich um Liebe, war alles andere als gesund. Es war selbstzerstörerisch und hemmte meine Entwicklung. Unsere Entwicklung. Denn wenn ich nun endlich bereit war, mich wirklich einzulassen, dem Gegenüber nun auch auf einer tieferen Ebene Vertrauen zu schenken und eine neue Etappe unserer Beziehung zu erreichen, blieb diese andere Seite seltsam unbeteiligt.

Es war selbstzerstörerisch und hemmte meine Entwicklung. Unsere Entwicklung. 

Aus einer aufregenden ersten Zeit wurde dann schnell ein langweiliger Alltag – für den anderen. So verbog ich mich wieder, schmiss mich in die schönsten Kleider, streifte die schwarzen Söckchen über und fühlte mich mitunter benutzt und verkannt.

Die Wahrheit war, ich hatte mich nur noch nie getraut, etwas anderes als meine Sexualität und meinen Körper für mich sprechen zu lassen. Ich flirtete, kokettierte, versprach Aufregung und Abenteuer und wollte doch nur eines: geliebt werden und lieben dürfen. Denn während der andere mich erst noch lernen musste zu vermissen, öffnete ich mich recht schnell für die Idee einer monogamen und langen Beziehung – bereit, meinen Partner nun auch auf anderer Ebene kennenzulernen.

Ende der Performance 

Nun ist es mir aber doch endlich aufgefallen. Ausgerechnet ein Mann brachte mich zu meiner Selbsterkenntnis. Jahrelange Therapien, Gespräche mit Freundinnen und die vielen unterschiedlichen Partnerschaften vermochten es nicht, mich aufzurütteln. Er tat es jetzt ganz nebenbei.

Denn während ich in alten Mustern versuchte auf sicherem Terrain zu wandeln, blockierte er meine Annäherungsversuche. Da gab es keine Fummelei im Treppenhaus mehr, die Begierde versprach, sobald wir die Wohnung betreten würden. Es gab keine doppeldeutigen Nachrichten oder anstößigen Chats. Er flirtete mit mir, ohne mich zu sexualisieren.

Er flirtete mit mir, ohne mich zu sexualisieren. Meine Welt war erschüttert.

Meine Welt war erschüttert. Ich stattdessen flirtete also anfangs wackelig und unsicher. Ich schickte Fotos von mir in schmachtenden Posen und machte augenzwinkernd freche Andeutungen, wenn wir Hand in Hand durch die Straßen liefen. Er blieb stumm, lächelte mich nur fröhlich von der Seite an, drückte meine Hand liebevoll und sah dabei so zufrieden aus, dass ich die Haltung verlor.

Ich strauchelte, wusste gar nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Wir unterhielten uns also, einfach so. Einfach über irgendetwas, unabhängig von Sex, unabhängig von oberflächlichen Körperlichkeiten. Stattdessen ging es um Interessen, um das Innen des anderen – Bedürfnisse, Gefühle, die Vergangenheit und die nahe Zukunft.

Es ging um allerlei Blödsinn und nur hin und wieder, wenn ich nicht mehr damit rechnete, sagte er mir, dass er mich schön fände. Und weil ich nun gelernt hatte, diese Art von Komplimenten nicht mehr für meine Bestätigung oder zu meiner Sicherheit zu brauchen, fühlten sie sich nebensächlich und belanglos an.

Nur hin und wiedersagte er mir, dass er mich schön fände. Und weil ich nun gelernt hatte, diese Art von Komplimenten nicht mehr für meine Bestätigung oder zu meiner Sicherheit zu brauchen, fühlten sie sich nebensächlich und belanglos an.

Stattdessen erkannte ich, wie schön es ist, für Dinge gemocht zu werden, die mich tatsächlich ausmachen, wie meinen Witz, meine Poesie oder meine Klugheit, wie er es beschrieb. Mein Körper war nur noch das Transportmittel für all meine schönen inneren Eigenschaften.

Ich ertappe mich nun immer wieder dabei, wie ich dazu ansetze, meine Standardformel anzuwenden: mich verkleiden, mich anpreisen und ihn verführen zu wollen. Glücklicherweise erkenne ich nun aber auch, dass mich dieses Verhalten mein halbes Leben lang nie glücklich gemacht hat. Eine Lektion, für die ich ihm dankbar bin. Werte, die wir unseren Söhnen und Töchtern unbedingt weitergeben sollten.

Mein Körper war nur noch das Transportmittel für all meine schönen inneren Eigenschaften.

Denn auch wenn eine schöne gemeinsame Sexualität das Salz in der Suppe unserer Beziehung sein kann, so ist sie eben doch nicht alles. Und auch wenn es großes Vergnügen bereitet, für den eigenen Körper und die Ausstaffierung dessen Komplimente zu erhalten, ist doch auch dieser immer dem Verfall unterworfen. Es wäre schade, wenn wir eines Tages zurückblicken müssten und feststellten, dass alles, wofür wir uns wertschätzten und wertschätzen ließen, unsere fleischige Hülle gewesen ist.

Headerfoto: Ba Tik via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür! 

Laurine Lauretta, ein Perpetuum Mobile. Zwischen alleinerziehender Mutterschaft, pädagogischer Arbeit und Frausein, bleibt noch genug Zeit sich viele Gedanken um die Liebe, das Leben und allerlei Unsinn zu machen. Hier in Wort und Text.

1 Comment

  • Können wir nicht beides haben? Den Flirt, den Sex, das Aufregende und irgendwann wird es aber tiefergehend? Oder eben auch nicht?
    Und wer sagt denn, das Sex mit nicht mehr „schönen“ Körpern nicht auch Spaß machen kann?

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