Momente, in denen du neben mir isst und sagst „Hatte gerade nichts Vegetarisches im Haus … wir gehen nachher noch etwas essen, ok?“ Und ich warte, bis du zu Ende gespeist hast, damit wir um 22.30 beim Italiener noch „die kleine Karte“ kriegen, bei der ich entweder Salat oder Dips bestellen kann.
Momente, in denen du Kopfhörer einsetzt, wenn wir gemeinsam etwas unternehmen.
Momente, in denen du stundenlang gebannt auf einen Bildschirm starrst, während ich neben dir bin.
Momente, in denen ich erscheine und du mir sagst, dass jemand anderes gerade noch fehlt.
Momente, in denen du mir erzählst, „ich dürfe“ dir bei irgendetwas Gesellschaft leisten. Oder sogar helfen.
Momente, ich denen ich dich noch nicht einmal mehr mag. Aber bleibe.
Selbsttäuschung
Und gegen aussen wirke ich so stark. So unabhängig. So voll von, ich benötige keine Menschenseele. Wie viele machen sich dies vor?
Ich kann wunderbar alleine sein, wenn alle Umstände stimmen. Ich komme gut mit mir klar, wenn andere mir den Raum dazu geben. Nur nicht, wenn sie mich dahin verbannen.
Nun – genau genommen ist niemand wirklich alleine, wenn andere die Fäden dazu noch immer in der Hand halten.
Es ist eine schöne Illusion, aber bleibt das Wunschdenken einer Zeit, in der jede:r so mit sich beschäftigt ist, dass seine:ihre Mitmenschen grösstenteils zu Referenz-Zwecken der eigenen Persönlichkeit dienen. Oder als Alibi, nicht alleine sein zu müssen, wenn man nicht will.
Du hast mich zum ersten Mal in meinem Leben gezwungen alleine zu sein, als ich die Wahl hatte, dies zu verhindern.
Ich bin dir, lieber „ich-habe-nichts-für-dich-zu-essen“, lieber „ich-setze-mir-die-Kopfhörer-ein“, lieber „du-darfst-mich-begleiten“, so dankbar: Du hast mich ins Abseits gestellt.
Und das nicht auf eine Art und Weise, die mich besonders wütend macht, sondern verbunden mit einem „du bist doch mein Schatz“.
Du hast mich damit einer Wut beraubt, die ich als mein Grundrecht ansah, wenn ich mit meinen Verlustängsten und Trennungsschmerzen konfrontiert wurde. Du hast mich zum ersten Mal in meinem Leben gezwungen alleine zu sein, als ich die Wahl hatte, dies zu verhindern.
Ich habe dich für mich selbst verlassen. Du hast mich deinetwegen nie wirklich kennen gelernt. Aber es ist einfacher, mich an deine Abwesenheit zu gewöhnen, als an die Einsamkeit neben dir.
Headerfoto: Ron McClenny via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!
Oh mein Gott was für ein schöner, wahrer und trauriger Text