Ich sitze in einem dieser hippen veganen Bistros mitten in Hamburg, die zur Mittagszeit immer rappelvoll sind. Ich sitze hier, esse meine überteuerte Falafelbowl und lese ein Buch, als neben mir ein Gespräch beginnt. Nicht einfach irgendein Gespräch – das Gespräch. Das Gespräch, das wir alle schon gefühlt hundertfach geführt haben, egal ob als Freundin oder Betroffene:
„Dann hab ich ihm geschrieben, dass ich ihn nach Feierabend schon gern sehen würde und gewartet. Ich wusste ja nicht, ob ich jetzt schnell duschen gehen kann oder ob er antwortet. Im Endeffekt hat der sich bis Sonntagabend nicht gemeldet!“ Auf engstem Raum ist es nicht schwer, Sätze wie diesen mitzuhören.
Je mehr die Blondine neben mir sich in Rage redet, desto schwieriger wird es für mich, mich auf den Fantasyroman vor mir zu konzentrieren. Je länger das Gespräch anhält, desto öfter möchte ich mich umdrehen und ihr das sagen, was ihre Freundin ihr schon längst hätte sagen sollen, anstatt ihr bei jeder Gesprächspause ermutigend zuzustimmen: „Er ist die Mühe nicht wert.“
Spezies Unverbindlich
Ich weiß, du glaubst, er ist ein toller Typ und ihr versteht euch super und wollt dasselbe im Leben, aber ich muss dir leider die rosa-rote Brille von der Nase nehmen, damit du erkennst: All das ist er nicht. Woher ich das weiß? Weil ich diesen Kerl kenne. Wir alle kennen diesen Typ Mann.
Er gibt dir gerade so viel Aufmerksamkeit, dass du das Interesse nicht verlierst. Er antwortet erst nach Stunden oder Tagen, weil er eben wahnsinnig beschäftigt ist. Er hat fast nie Zeit für dich, aber immer Zeit für die Jungs. Wenn ihr euch dann mal seht, ist alles gut und toll und dann willst du die ganzen nervigen Sachen gar nicht ansprechen, denn wer weiß, wann ihr euch wiederseht.
Ich weiß, du glaubst, er ist ein toller Typ und ihr versteht euch super und wollt dasselbe im Leben, aber ich muss dir leider die rosa-rote Brille von der Nase nehmen.
Er ist nicht wie die anderen, da bist du dir ganz sicher. Ihr habt euch in all den Wochen eigentlich gar nicht so oft gesehen, aber während er entspannt sein Leben lebt, spinnst du unvermeidlich Fantasien und Ideen, wie euer gemeinsames Leben aussehen könnte. Denn sowas will er – hat er dir zumindest mal in einem Nebensatz zu Beginn eures Kennenlernens erzählt. Und genau hier liegt der Fehler. Wenn er dich in seinem Leben haben wollte, würde er sich darum bemühen. Aber das will er gar nicht. Er will nur etwas ganz Entspanntes und Unverbindliches.
Diese Einstellung ist ja auch völlig in Ordnung, nur muss dieser Anspruch an das Casual Dating auch dem Gegenüber kommuniziert werden – leider passiert das nur irgendwie eher selten. Vielleicht hat er doch gar nichts in die Richtung gesagt, oder du hast eine vage Aussage seinerseits irgendwie missverstanden. Also wartest du, anstatt dein eigenes Leben zu leben. Du wartest – bis er zurückruft, bis er schreibt, bis er endlich mal Zeit hat.
Für jeden Tag, den er sich nicht meldet, meldest du dich zwei Stunden nicht – das wird ihm eine Lehre sein. Und du erzählst allen, wie gut ihr zusammenpasst und dass es eben gerade schwierig ist. Das erzählst du solange, bis du diese Lüge selbst glaubst.
Wir alle kennen diesen Mann. Mindestens einmal in unserem Datingleben ist er uns untergekommen und mit etwas Pech haben wir Wochen oder Monate damit verbracht, ihn davon zu überzeugen zu versuchen, wie toll wir sind. In der Regel vergeblich.
Er steht einfach nicht auf dich
Und so sitze ich also hier an meinem Fensterplatz und höre zu, wie sich die arme Frau neben mir immer mehr in ihrem eigenen Wunschdenken verstrickt. Ich möchte sie schütteln – bis es sich in ihr Hirn einbrennt: „Er ist die Mühe nicht wert, weil er nunmal einfach nicht auf dich steht! Wenn die Zeit vor der Beziehung schon harte Arbeit ist, wie soll dann die Beziehung sein? Lass dich nicht hinhalten, weil du glaubst, er sei der Richtige. Wäre er es, würde er sich Zeit für dich nehmen, seinen Freunden auch mal absagen und so schnell wie möglich auf jede deiner Nachrichten antworten.“
Aber natürlich sage ich nichts. Ich sitze hier, versuche mein Buch zu lesen und picke die letzten Reste Gemüse aus meiner fast leeren Schüssel. Abgesehen davon, dass man sich als fremde Person nicht in die Angelegenheiten anderer einmischt, egal wie penetrant laut sie direkt neben einem über sinnlose Dinge diskutieren, ist das Problem nämlich, dass man nur allein von diesen Männern loskommen muss. Es können noch so viele Freundinnen sagen, wie albern man sich aufführt und wie sinnlos alles ist.
Wenn die Zeit vor der Beziehung schon harte Arbeit ist, wie soll dann die Beziehung sein?
In zwei Tagen schickt er eine süße Nachricht mit einem Kuss-Emoji und unser kleines, von eigenen Illusionen getäuschtes Herz macht einen Sprung. Und das passiert sooft, bis wir uns schmerzhaft selbst eingestehen müssen, dass dieser Mensch unsere Mühen nicht wert ist; dass das Problem nicht bei uns liegt, sondern unser Gegenüber einfach keine Lust hat, sich anzustrengen, weil es ihm so unverbindlich eigentlich ganz gut gefällt.
Dann sind wir endlich frei und sagen uns, dass uns das nicht mehr wieder passiert… und manchmal ist das wirklich der Fall. Manchmal sitzen wir ein Jahr später aber wieder in einem veganen Lunchlokal und überzeugen unsere Freundin (und insgeheim uns selbst) vehement davon, dass dieser Kerl, der uns die meiste Zeit mit Desinteresse straft, der Richtige ist.
Headerfoto: David Preston via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!
Danke für diese klare, realistische Ansicht, man! Das ist genau das, was man in so einer Situation hören muss, weil viele Freundinnen, Familienmitglieder und oft der unverbindliche Typ selbst auch einen vollabern mit „Das wird noch kommen“, „Ich liebe dich aber“, „Mach dich rar, dann wird er dich wieder interessant finden“. All das funktioniert nicht und raubt einem nur noch mehr Zeit, Energie, Gedanken. Es verursacht Sorgen, alles dreht sich nur noch um jemanden, der selber kaum an einen denkt. Deshalb IST die einzig richtige Lösung, den Typen loszulassen. Nummer blocken, abschreiben, Standards entwickeln und sich mal selbst ein bisschen was wert sein. Solche Geschichten bieten keinerlei Mehrwert und haben keine Zukunft.