Mein Spiegelbild sagt: Du bist ok. Insta findet, da geht mehr. Über Selbstliebe – oder eben auch nicht

Mein Spiegelbild sagt: Du bist ok. Insta findet, da geht mehr. Ach, halt. Calm down. Das waren nur zu viele gefilterte Best-ofs. Durchatmen. Ein Like für den Mehr-Selbstliebe-Post beruhigt meine Psyche.

Er ist so plump. Egal. Wichtig ist doch: Du bist ok. Ok. Bla. Alles wieder eingenordet, betrachte ich Menschen bei ihrer Yogasession. Man rennt wie irre durch den Wald, tanzt befreit alleine zu Musik, empfiehlt Öle, Care-Time,… – Moment mal, liebe ich mich jetzt oder nicht oder nur nicht genug. Worauf achte ich gleich? Ach ja: me time, tu dir Gutes, dazwischen trinken Leute Sekt und finden: Das gehört ja wohl auch dazu.

Sekt it is

Erste Parallelstrassen bahnen sich den Weg durch mein Gehirn. Ich öffne schnell einen Sekt. Sehe währenddessen Leute am Pool, gefolgt von ambitionierten Politikstories, Schriftgröße 5. Irgendwie hat sie ja Recht, wir Frauen werden benach….., ups Daumen verrutscht, Story weg.

Ach krass, @sudelheft ist grad in LA. Andere Menschen mit glatter Haut finden Kaffeepulver-Peelings gut. Ich trinke zuhause aber keinen Kaffee. Mist. Aber ist ja auch egal: Love yourself, no bodyshaming. Haut ok.

Love überhaupt fucking alles an dir. Ok. Aber dieses Vitamin Öl, es tue so gut. Ausgeglichenheit, Glück. Ein Glück bin ich glücklich. Zumindest meistens. Oder ich war es mal. Aber so hart mit sich sein, hat ja auch keinen Zweck.

90 Tage Fitness Challenge ist schon hart, die machen das da. Ich nicht. Hm. Und die Yoga Hose gibt es jetzt sogar 10% günstiger. Ich klicke auf die Website und erinnere mich an Nachhaltigkeit. Shit. Ich vergesse die Hose und lese politische Statements. Muss ich auch was dazu sagen? Verf***** AfD, oder so?

Die Lage ist ernst

Ich denke drei Tage drüber nach. Inszwischen legt sich die Aufregung über irgendeine Lage. Man ist längst beim nächsten Thema, ich verwerfe Ideen. Dazwischen 150 Likes für Frühstücksbrettchen-Abrisskalender-Love-Yourself-Posts. Kann ja nicht schaden.

Mitgefühl auch nicht. Finde plötzlich, dass ich zu viel Mitgefühl für doofe Leute habe. Befreie dich von giftigen Beziehung, fordert ein Post, in mir baut sich Tatendrang auf, werde sofort eine Abschiedsnachricht an die doofe Person schreiben. Gleich.

Ist ja eigentlich auch egal. Der Spiegel sagt: Du bist ok.

Ich schäme mich noch schnell für einen Post vom Strand mit den Hashtags Instatravel und Instaphotographer und noch mehr für die 900 Likes der anderen. Ich beschließe, den Kaffeesatz meines Mannes aus dem Biomüll zu graben, um mein Peeling anzusetzen. Vielleicht hilft es ja doch der Haut. Das zerdepperte Ei im Müll hindert mich daran.

Ist ja eigentlich auch egal. Der Spiegel sagt: Du bist ok.

Headerfoto: Julia Szymik

Svenja aka Tante Kante / 36/ Wiesbaden/ Lehrerin/ Bloggerin/ Mutter/ Teil des Podcasts "Freunde werden".

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