Ich stelle mir für einen Moment vor, dass ich mein Leben genauso haben wollte, wie es bisher war und jetzt ist. Mit all den Hochs, mit all den Tiefs und mit all den mittelmäßigen, scheinbar unbedeutenden langweiligen Phasen zwischendurch.
Nach einigen ruhigen Minuten waren da nur berauschende Gefühle. Ich war der Meinung, mein Leben selbstbestimmt gestaltet zu haben, weswegen ich mich unendlich frei gefühlt habe, was mich wiederum extrem glücklich gemacht hat.
Freiheit beginnt in mir. Freiheit ist nicht der endlose Blick ins Weite. Freiheit ist nicht der Wecker, der morgens nicht klingelt. Freiheit ist nicht, selbstständig zu arbeiten. Freiheit ist ein Gefühl.
Ich bin frei, wenn ich mich frei fühle. Und ich bestimme selbst, was ich fühle.
Mit Sicherheit finde ich Orte und Situationen da draußen, die mir dieses Gefühl von Freiheit geben. Allerdings nur, weil sie mit meiner Vorstellung von Freiheit übereinstimmen. Ich bin frei, wenn ich mich frei fühle. Und ich bestimme selbst, was ich fühle und wie ich über mich und mein Leben denke.
Bis ich an dieser Erkenntnis angelangt war, hat es eine lange Zeit gebraucht. Ich war unglücklich, fühlte mich gefangen in einem Leben, das sich gar nicht wie meins angefühlt hat und nichtsdestotrotz war ich die Protagonistin der Show. Dass da der Glücksrausch eher an mir vorbeigezogen ist, macht dann wahrscheinlich auch nur Sinn.
Wenn man mal ganz lässig von oben aufs Leben guckt, gibt es eigentlich nicht wirklich einen Grund, unglücklich zu sein. Ich bin ein Gewinner, ich habe es geschafft, erste von Millionen zu sein und lebendig auf diese Welt zu kommen. Außerdem hatte ich offensichtlich das Glück, dass mich jemand gefüttert und mir Schutz gegeben hat, bis ich in der Lage war, das selbst zu tun.
Mein Gehirn hatte die Komödie auf der VHS-Kassette mit einem Thriller überspielt und dann hatte ich den Bandsalat. Es gab Angst mit Hoffnungslosigkeit auf Loser-Gefühlen.
Und doch kam mir dieser Hauptgewinn früher wie der Zonk vor. Das Leben war nervig und anstrengend, es überforderte mich, war zu viel und ich wollte mich einfach nur noch zurückziehen und in Ruhe gelassen werden. Mein Gehirn hatte die Komödie auf der VHS-Kassette mit einem Thriller überspielt und dann hatte ich den Bandsalat. Es gab Angst mit Hoffnungslosigkeit auf Loser-Gefühlen. Mmmh, lecker. Nicht!
Wenn ich an meine depressiven Verstimmungen zurück denke, kann ich mich nur schemenhaft daran erinnern, wie mein Alltag war. An was ich mich allerdings wirklich gut erinnern kann, ist der Prozess, wie ich da wieder raus gekommen bin und wie ich das Gefühl von Glück wiedergefunden habe. Wie es angefangen hat und welche Schritte ich unternommen habe.
Mittlerweile habe ich diese Dunkelkammer weit hinter mir gelassen. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich immer mal wieder die Tage, an denen ich frustriert bin, die Schotten dicht machen will und mich die Aussichtslosigkeit überrollt.
Inzwischen habe ich überhaupt keine Sympathie mehr für schlechte Gefühle. Weil gute Gefühle sich viel geiler anfühlen.
Inzwischen habe ich allerdings überhaupt keine Sympathie mehr für schlechte Gefühle. Zum einen, weil gute Gefühle sich viel geiler anfühlen und zum anderen, weil ich glaube, dass eine schlechte Stimmung noch mehr schlechte Ereignisse anzieht und wer will das schon. Ich finde es also super wichtig, dass ich immer wieder, und zwar so schnurstracks wie möglich, auf die positive Seite des Lebens falle.
Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber wenn die fiese Tante D was Gutes bei ihrem Besuch mitgebracht hat, dann waren es die Tricks, wie man der Schrapnelle, diesen miesen Gefühlen und Gedanken ein Bein stellt und sie wieder los wird.
TRICK 1 – Was ist los?
Die erste Frage, die wir hören, wenn irgendetwas mit uns nicht in Ordnung scheint. Einfach und leicht verständlich, aber unter Umständen extrem schwer zu beantworten. Mehr als „Weiß nicht.“, „Mir geht’s nicht so gut.“ und „Vielleicht brauche ich mal wieder Urlaub.“ kommt am Anfang meistens nicht. Erfahrungsgemäß sorgt eine Mit-dem-Leben-überfordert-sein-Phase dazu, dass man sich zurückziehen und seine Ruhe haben möchte.
Und trust me, der Körper weiß ganz genau, was er zum Heilen braucht. Und in diesem Fall ist etwas Zeit mit sich der beste Anfang. Denn um einen guten Start hinzulegen, wäre es prima, wenn wir es schaffen würden, die „Was ist los?“–Frage zu beantworten. Dafür brauchen wir auch eigentlich nur einen kleinen Helfer – die Wahrheit.
Um einen guten Start hinzulegen, wäre es prima, wenn wir es schaffen würden, die „Was ist los?“–Frage zu beantworten.
Also, rein in die Gefühlsanalyse. Frage 1: Was bin ich? Hier kann man mit der kompletten Gefühlspalette auffahren: Traurig, wütend, enttäuscht, aufgebracht, am Boden zerstört, verletzt, erschöpft, genervt – you name it.
Was immer es sein mag, gesteh es dir ein und geh dann direkt zu Frage 2: Warum? Weil ich den Job nicht bekommen habe, weil ich diesen Januar auch so gerne nach Thailand geflogen wär, weil ich schon so alt bin und immer noch Single und eigentlich wollte ich doch ein Kind, weil ich seit Monaten ununterbrochen arbeite, weil mir mein Partner nie unter die Arme greift. Die Gründe sind vielfältig und oft ist es nicht nur einer, sondern mehrere. Den ersten zu finden, reicht meistens schon mal aus.
TRICK 2 – Du musst gar nichts, aber was willst du?
Zu wissen, was los ist, ist noch nicht das Ende der Geschichte, aber, wie gesagt, ein guter Anfang. Wenn man ehrlich ist, fühlt sich das schon ein bisschen besser an, weil man jetzt einen Angriffspunkt hat. Es gilt, Ideen zu sammeln, wie man das Problem beseitigen kann. Dabei kann man gar nicht kreativ genug sein. Es ist erlaubt, an alles zu denken und es ist auch erlaubt, alles umzusetzen. Denn wir alle müssen gar nichts, außer atmen, essen, schlafen und aufs Klo.
Wir alle müssen gar nichts, außer atmen, essen, schlafen und aufs Klo.
Ich habe mich oft dabei ertappt, dass ich zu wissen geglaubt habe, was andere von mir erwarten und meistens lag ich da gar nicht so falsch. Keiner von uns ist allerdings hier, um Erwartungen von anderen zu erfüllen. Nicht zu verwechseln mit Versprechen. Aber gegenüber Erwartungen haben wir keinerlei Verantwortung. Deine Familie will, dass du Anwalt wirst und du willst in Bali eine Bar aufmachen? See you bald in Bali, hoffentlich!
TRICK 3 – Mach Pause
Das Problem zu erkennen, ist ein anstrengender Prozess, der viel Kraft kostet. Je nachdem, wie tief man im Schlammassel hängt, kann das ein Projekt oder für eine Zeit lang sogar ein Full-Time-Job sein. Also, mach Pause vom Heilen. Das heißt nicht, dass du dich wieder in das Shit-Emoji zurück fallen lassen sollst, sondern einfach, dass du dich mal mit etwas anderem beschäftigst, als mit dem Nicht-gut-drauf-sein.
Also, mach Pause vom Heilen.
Nimm die Einladungen von Freunden an, geh ins Kino, geh raus in den Park, Eisessen, Wochenendtrip, lass dich ablenken. Sei mit Menschen, bei denen du einfach sein kannst. Die sich freuen, wenn du dabei bist, auch wenn du nicht so viel sagst oder auf dem Tisch tanzt.
TRICK 4 – Sei nett zu dir
Es ist sehr schön, einen Ansatz zu haben, wie man sein Leben wieder besser gestalten kann. Allerdings formen sich aus den Ideen und Vorstellungen schnell Erwartungen an einen selber, und die sind fast genauso anstrengend als kämen sie von außerhalb. Rome wasn’t build in a day und dein Leben wird auch nicht über Nacht von Grund auf erneuert werden. Sei New Kids On The Block, mach es Schritt für Schritt. Sei zielstrebig, aber geduldig und verurteile dich nicht, wenn es mit etwas mal nicht auf Anhieb so gut geklappt hat. It’s coming.
TRICK 5 – Freude an der Freude
Ich weiß, dass es schwierig ist, den schlechten Zeiten die gleiche Daseinsberechtigung zu geben wie den guten. Ich weiß, dass es schwierig ist, sich für Momente, in denen man im großen Stil versagt hat, genauso zu lieben, wie für die, wo man Großes erreicht hat. Aber kein Leben war perfekt oder wird jemals perfekt sein.
Je öfter man Lust hat, gut drauf zu sein, egal, wie die Situation ist, desto einfacher wird es.
Und wenn wir es nicht schaffen, der dark side of life dem Platz in unserem Herzen zu geben, dann sollten wir auf jeden Fall versuchen, so oft wie möglich vom Balkon aus der hellen Seite aufs Leben zu schauen. Da wo Schatten ist, ist auch immer Licht. Je öfter man Lust hat, gut drauf zu sein, egal, wie die Situation ist, desto einfacher wird es.
In diesem Sinne ist meine letzte Empfehlung: Wenn euch der nächste Thriller-Salat serviert wird, dann lasst diesen freundlich mit einer Notiz in die Gehirn-Küche zurück gehen: „Ich hab eher Bock auf gute Laune. Bring back the Komödie!“
Diese Kolumne könnt ihr euch auch bei Spotify, iTunes und Deezer von Karlie höchst persönlich vorlesen lassen. Oder einfach hier:
Headerfoto: Teymi Townsend via Unsplash. („Wahrheit-oder-Licht“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Sehr schön und einfühlsam geschrieben. Danke Dir!