Küsse mit geschlossenen Lippen – Wie ich mal wieder nicht genug war

Mal wieder bin ich an diesem Punkt angekommen, an dem ich nie wieder sein wollte. An jenem, an dem die Gefühle vollkommen zusammenklappen, wo alles bisher noch Mögliche an Kraft, Willen und Hoffnung wie ein Kartenhaus ineinander sackt. Die Ernüchterung tritt ein, weil man realisieren muss, dass man den Kampf um eine Person und gegen die eigenen Ideale verloren zu haben scheint.

Zehn Wochen an emotionalem Auf und Ab, voller Hoffnung und anfänglicher Begeisterung, nun endlich denjenigen getroffen zu haben, der „es sein könnte“. Ein Partner, ein Freund, ein Teil von dir. Viele Dates, nicht der beste Sex, um ehrlich zu sein, aber die schönsten Nächte, in denen man nackt ineinander verkeilt das größte Schnarchkonzert aller Zeiten als melodische Bestätigung interpretierte.

Viele gemeinsame kulinarische Erlebnisse, lustige Unterhaltungen und die Preisgabe einiger sehr persönlicher Dinge brachten mich immer mehr dazu, in ihm und auch in mir so viel Gutes und viel Potenzial für mehr zu sehen.

Die zehn Wochen waren voller Hoffnung und anfänglicher Begeisterung, nun endlich denjenigen getroffen zu haben, der „es sein könnte“.

Unsere Sprache war nicht Deutsch, was es mir nicht immer einfach machte, meinen sonst unumstößlichen Humor so wiederzugeben, wie ich es gewohnt war. Was auch ein Teil von mir ist und mich auszeichnet, so sagen es jedenfalls meine Freunde. Dennoch habe ich ihn zum Lachen gebracht.

Es war einfach schön und trotzdem entstand nie eine innerliche Ruhe, denn ich ahnte, dass ich leider nicht der Einzige in seinem Leben sein könnte. Nach sechs Wochen stellte ich die Frage, ob es so sei und seine bejahende Antwort schmerzte in mir wie ein Dolch, der in mein Herz gestoßen wurde.

Gut, es war bisher nicht Thema gewesen und keiner hatte irgendwelche Rechte oder Ansprüche auf Exklusivität. Dennoch tat es weh, das Gefühl zu haben, nicht auszureichen. Auch wenn es bisher „nur” unser Kennenlernen war und es für ihn, so sagte er zumindest, lediglich Sex mit Fremden zu sein schien.

Es tat weh, das Gefühl zu haben, nicht auszureichen.

Ich machte fast unter Tränen klar, dass es mir großen Schmerz verursachen würde, ihn mir vorzustellen, wie er mit anderen in den Kissen liegt, auf denen wir Nacht für Nacht eingekuschelt einschlafen. Erst nachdem ich deutlich gemacht hatte, dass ich nicht so weiter machen könne, versprach er, mit mir die Exklusivität zu wagen.

Doch dieses Versprechen hielt er nicht: Ein Freund entdeckte ihn kurze Zeit später in einer der einschlägigen Apps. Auf Sexsuche zur gleichen Zeit, in der wir über WhatsApp miteinander schrieben und er mir sagte, dass er Nachrichten aus seiner Heimat im Internet sehen würde, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Nach dem danach folgenden Gespräch, bei dem ich ihm einen Brief überreichte, in dem ich meine Gefühle nieder geschrieben hatte, war das Ende schon nah. Doch er versprach mir ein zweites Mal, alles zu geben. Es sei nicht einfach für ihn, einen anderen Menschen so nah an sich ran zu lassen. Er habe vieles im Leben alleine meistern müssen und wäre nicht sicher, ob er bereit für eine Beziehung sei. Doch er wollte es versuchen. Diesmal wirklich. Ohne mich anzulügen, ohne mir etwas vorzumachen.

Uns beiden war klar, dass das die letzte Chance ist.

Alle Apps wurden daraufhin in meinem Beisein gelöscht und es wurden Regeln festgelegt, an die wir uns beide zu halten hatten. Es fühlte sich richtig und aufrichtig an. Uns beiden war klar, dass das die letzte Chance ist. Wir unternahmen viel, der Sex wurde nicht viel besser, denn seine Ambitionen, im Bett etwas mehr als nur Präsenz zu zeigen, wurden stetig schwächer.

Ich fing an, an mir und meiner Attraktivität zu zweifeln. Sex war nie ein Thema, über das ich mir Sorgen machen musste. Meine Performance war immer so, dass ich damit sehr zufrieden war. Es gab immer ein Geben und Nehmen, aber nicht nur ein einseitiges.

Es waren die kleinen, aber so wichtigen Dinge wie das Küssen. Er küsste meist mit geschlossenen Lippen. Nur dann, wenn er wirklich wollte, wurden Zungenküsse zugelassen, die für mich das Höchstmaß an Intimität bedeuten. Eng, sanft, aber auch gern sehr wild. Doch nein, zwischen uns war das nicht so.

Es waren die kleinen, aber so wichtigen Dinge, wie das Küssen. Er küsste meist mit geschlossenen Lippen.

Am Samstagmorgen, nachdem es eine Stunde vorher noch zum Blaskonzert im Schlafzimmer kam, Küsse jedoch nur noch in Form von gespitzten Lippen verteilt wurden, war es dann Zeit zu reden. Auf meine Frage, was denn los sei, wurde mir von einem Augenblick auf den anderen der Boden unter den Füßen weggezogen.

Der Sex mit mir würde ihm nichts geben, wir würden nicht harmonisieren und es fehle ihm an der Lust, dem Abenteuer und dem Feuer. All das, was er wohl in den letzten zwei Wochen (!) der Monogamie mit mir nicht kompensieren konnte, weil ich eben kein Fremder war, kein wildes Abenteuer. Von jetzt auf gleich wurde ich abgestempelt und weggeschoben.

Er machte mir klar, dass sich seine Gefühle wohl auch nicht ändern würden. So war es mit seinem Ex vor drei Jahren auch. Es hätte auf einmal nicht mehr gepasst und er wollte es nicht mehr. Er kenne sich zu gut, um zu wissen, dass er es nicht ändern könne.

15 Minuten später verließ ich mit gepackten Taschen seine Wohnung. Jedes mitgebrachte Teil wurde von mir hektisch eingepackt, um bloß nichts zurück zu lassen. Es ging plötzlich alles so schnell. Begleitet von Trauer, Schock und Fassungslosigkeit. Der Sex mit mir sei nicht gut. Worte eines Menschen, der mir seit zehn Wochen sehr ans Herz gewachsen ist.

Dieser Mensch bedeutete mir so viel, dass selbst der mieseste Sex für mich kein Grund gewesen wäre, ihn fallen zu lassen.

Klar, auch ich war anderes gewohnt, weil ich eben aktiver bin, mich aber auch nicht als Entertainer begreife. Ich hätte alles dafür getan, es auch in diesem Punkt besser zu machen. Denn der Mensch, der mir gegenüber saß, bedeutete mir so unendlich viel, dass selbst der mieseste Sex für mich kein Grund gewesen wäre, ihn fallen zu lassen. Doch alleine kann man gerade diesen Punkt nicht ändern, da müssen schon beide ran.

Nur einer wollte nicht mehr. War das die Wahrheit, war ich einfach nicht sein Typ? Fand er mich wirklich nicht attraktiv? Nach zehn Wochen! Das hätte ihm doch mal früher klar werden können. Aber das war es nicht, jedenfalls glaube ich das nicht. Die Tatsache, ihm Grenzen auferlegt zu haben und die Freiheit genommen zu haben, mit Anderen Spaß und Wildheit zu erleben, damit kam er nicht klar. Der einfachste Weg war es für ihn, etwas so Grundlegendes aus dem Hut zu zaubern, gegen das ich auch nicht mehr viel ausrichten konnte.

Wie viele Eingeständnisse muss man hinnehmen, um irgendwann mal glücklich zu werden?

So schloss sich nach zehn Wochen das letzte Mal seine Wohnungstüre hinter mir. Ein schlimmes Gefühl und viele Gedanken, die bis heute nicht ruhen. Warum reicht ein Mensch nicht aus? Warum kann man Dinge nicht versuchen, für etwas kämpfen und etwas wagen, was man bisher vielleicht nicht gewagt hat? Wie viele Hürden und Eingeständnisse muss man hinnehmen, um irgendwann mal glücklich zu werden und im besten Falle auch zu bleiben?

Mir fehlt die Antwort. Was bleibt, ist die Tatsache, wieder einmal alles gegeben zu haben. Und mal wieder hat es nicht gereicht.

Constantin ist 30 Jahre alt, schwul und lebt in Köln. Er ist ein humorvoller Mensch, der nicht gerade gegen die Wand gelaufen ist. Er steht mitten im Leben. Freunde und Familie sind ihm sehr wichtig. Zum Sport geht er gern, im Job ist er erfolgreich. In der Liebe sieht es leider anders aus. Als Single sieht er sich nicht gern und sucht daher schon länger (vier Jahre) nach dem, was ihm im Leben fehlt, einen Partner, die große Liebe! Doch der Weg ist nicht so einfach. Er will ankommen und nicht das nächste Drama!

Headerfoto: Blake Connelly via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

1 Comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.