Es ist Oktober und ich liege mit Dir im Park auf der Decke. Aus unserer Freundschaft, in der es immer mal wieder geknistert hat, ist plötzlich etwas mehr geworden. Aber was? Das Gras kitzelt an meinem Ohr. Du lächelst und Deine Grübchen vertiefen sich. Auch wenn Du Dir so wenig in die Karten schauen lässt, mag ich, was wir zusammen sind. Ich mag Deinen schiefen Schneidezahn, Dein Grinsen, Deine braunen Locken – Dich.
Wir können über alles reden, theoretisch. Ich weiß, wie gut Du eigentlich reden könntest, aber trotzdem tust Du es nicht ohne meinen Anstoß. Du gestehst mir, dass Du noch an deiner letzten Beziehung knabberst und sowieso seien es für Dich „komische Zeiten“.
Ach egal, wer hängt nicht an irgendwem oder irgendwas? „Es ist die Verletzlichkeit, die uns verbindet“, habe ich in einem Podcast von Laura Seiler gehört. Summa Summarum: Wir haben das Potenzial, ein Dreamteam zu sein!
Es muss einfach so sein, dass diese ganzen Schmerzkörper überwindbar sind, so lange wir es wollen.
Wir mögen dieselben Filme, die gleichen Menschen, jedes Event, das Dich interessiert, finde ich auch spannend, wir können genauso gut reden, wie uns leidenschaftlich lieben, wir kennen uns nicht von Tinder und wir waren lange befreundet. Es muss einfach so sein, dass diese ganzen Schmerzkörper überwindbar sind, solange wir es wollen.
Immer wenn wir uns sehen, dann ist es so schön. Es könnte eigentlich alles fein sein. Und doch fühlt es sich zwischendurch so uneigentlich an. Nach wenigen Stunden verflüchtigt sich das Gefühl der Verbundenheit. Und Du gehst zum Schwimmen, ich zum Tanzen, Du zum Chor in Deiner Straße, ich zum Pilates in meiner Straße.
Irgendwie löst sich dieses Gefühl, dass ich Dich nicht zu fassen kriege, nicht auf. Wenn wir uns nah kommen, dann musst Du erst mal wieder ein paar Schritte zurück gehen. Als wärst Du ein Gemisch, das sich immer wieder reguliert und sein chemisches Gleichgewicht herstellt. Drei Tropfen Endorphin (knutschen, kuscheln), fünf Tropfen Cortisol (wegrennen, grübeln und zweifeln).
Ich arbeite an mir; Menschen sind ein guter Spiegel zur Selbstreflexion und eigentlich muss bzw. will ich ja auch eh alles in mir finden und nicht in Dir suchen.
Ich arbeite an mir; Menschen sind ein guter Spiegel zur Selbstreflexion und eigentlich muss bzw. will ich ja auch eh alles in mir finden und nicht in Dir suchen. Und Übung macht doch die Meisterin! Ich bin frei! Wie viele Bücher habe ich über dieses Thema gelesen. Mein Mantra: „Ich habe alles in mir, ich brauche nichts von Außen“, aber eins bleibt: Das macht was mit mir. Und auch wenn ich ohne Dich sein kann, will ich eigentlich lieber mit Dir sein.
Du schreibst nun auch ein bisschen mehr. Ganz kleine Schritte in meine Richtung. Ich wollte nie die Frau sein, die sich ärgert, dass ein Mann nicht schreibt und vor Dir war ich auch nie diese Frau. Aber irgendwie ist auch meine chemische Formel im Ungleichgewicht. Denn langsam verliere ich mich in Dir und dabei sollen wir uns ja beide finden. Beziehung ist Entwicklung. Meine feste Überzeugung.
Aber langsam schwindet auch meine Euphorie und die Angst wird größer als die Liebe. Was ist, wenn wir uns nie finden? Und uns immer nur suchen bzw. ich Dich suche. Bei Dir habe ich eher das Gefühl, dass Du entweder Dich oder ganz etwas anderes – oder jemand anderen – suchst. Ich weiß nicht mehr, wie ich die Angst schmälern soll. Angst ist nur da, wenn irgendwas wichtig ist und zählt. Du zählst für mich. Aber ich kann Dir nicht mehr begegnen, ohne dass meine Brust eng wird.
Ich weiß, wenn ich jetzt auch noch Angst habe, dann gibt es niemanden mehr, der unser Boot auf Kurs hält, denn dass Du Angst hast, das ist klar.
Ich will an Dich ja meine Liebe verschenken, nicht geizen, entspannt sein, denn das wäre jetzt gerade der einzige Weg: bedingungsloses Vertrauen und Zuversicht, dass es gut wird! Ich weiß, wenn ich jetzt auch noch Angst habe, dann gibt es niemanden mehr, der unser Boot auf Kurs hält, denn dass Du Angst hast, das ist klar.
Ich denke an den Slam von Julia Engelmann, Jahr 2013, der gerade aktueller denn je erscheint – zumindest für mich:
„Lass ma´ an uns (selber) glauben,
ist mir egal, ob das verrückt ist,
und wer genau kuckt, sieht,
dass Mut auch bloß ein Anagramm von Glück ist“
Aber jetzt ist es in mir gekippt, jetzt kann ich nicht mehr. Ich habe in meinem Leben schon ein paar Beziehungen zusammfallen sehen, wie ein Kartenhaus. Ich habe, was ich in mir an Zuversicht finden konnte, jeden Satz, den meine Freundinnen mir zugesprochen haben, auf unser Konto eingezahlt. Und irgendwie ist es jetzt, nach vier Monaten und dem vielen Abwarten und sich Abgrenzen von Freundinnen, die etwas „engagiertere“ Männer haben, nichts mehr auf dem Konto der Zuversicht.
Von einem Tag auf den anderen schaffe ich es nicht mehr, dass die Liebe größer ist als die Angst. Und wütend bin ich auch: „Was denkst Du eigentlich, wer Du bist? Brad Pitt, der begehrenswerteste Mann der Welt oder Prinz Harry?“
Jetzt bräuchte ich Deine Zuversicht und Deinen Mut und Dein Entgegenkommen. Ein kleines: Wir schaffen das.
Jetzt bräuchte ich Deine Zuversicht und Deinen Mut und Dein Entgegenkommen. Ein kleines: „Wir schaffen das“. Ich brauche, dass Du jetzt anfängst, uns hochzuhalten. Zumindest für einen Tag, bis ich das wieder schaffe und wir uns dann irgendwann abwechseln?
Und jetzt breche ich in Tränen aus, wenn ich Dich sehe. Und dann sagst Du zu mir: „Ich habe gemerkt, ich möchte keine Beziehung haben. Vielleicht wäre es jetzt mit jeder Frau so passiert, vielleicht bin ich es einfach gerade – vielleicht aber auch Du“.
Headerfoto: Brooke Cagle via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Sehr sehr schön, wie gut ich das kenne! Das Kartenhaus, das Zögern, alles zusammen. Und dann wieder ’sich selber suchen‘ müssen… Kann man das nicht auch zusammen?
Wunderschön geschrieben und genau so vielen von uns passiert. Wie schade dass etwas so gutes am Ende für einen von beiden nicht reicht und dessen Liebe an jenachdem mit viel weniger Potential verschenkt wird. Danke für diesen Text.