Der klägliche Versuch, Dich zu vergessen

Sie liegt unter mir. Stöhnt, ächzt, quiekt. Von meiner nassen Stirn fällt der Schweiß auf ihre Brüste. Die Geräuschkulisse ist alles – außer sinnlich und erotisch. Meine Stöße sind ohne Leidenschaft. Ein Stakkato meiner Hüfte, welches sie einfach in der Couch festnageln will.

Nachdem wir fertig sind, rolle ich mich herunter. Mein Kopf ist leer. Für einen Moment. Aber sobald ich wieder zu Atem komme, so beginnt mein Kopf wieder Gedanken abzufeuern. Sie dreht sich zu mir und will mich in den Arm nehmen. Ich bin angewidert. Von ihren Berührungen, ihrem Atem, dem Geruch, der uns umgibt, von dieser Wohnung – aber vor allem von mir selbst. Jede Faser in meinem Körper schreit nach Flucht. Wortlos stehe ich auf und drehe mir eine Tüte. Ich will gerade nicht denken.

Nach den ersten Zügen baut sich diese Wolke in meinem Kopf auf. Mein Hirn ist Caspar Davids Gemälde vom Meeresstrand im Nebel. Im Bild dieses Malers erkenne ich die Umrisse im Hintergrund. Du bist dieser Umriss. Du. Die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will. Egal, wie oft ich versuche, dich aus meinem Kopf zu ficken. Du bist allgegenwärtig.

Egal, wie oft ich versuche, dich aus meinem Kopf zu ficken. Du bist allgegenwärtig.

Selbstzerstörung ist mein Mittel zum Zweck. Ich höre unsere alten Lieder. Stalke Deine Aktivitäten auf Instagram und Facebook. Checke Deinen Status in WhatsApp. Ich will Dich einfach nicht vergessen. Nicht für immer verlieren.

Bei jedem Abschied atme ich den Duft Deiner Haare ein. Inhaliere ihn. Mit dem Versuch, Dein Bouquet in mir zu konservieren. Das vermisse ich am meisten.

Dein Aroma. Diese süße Unbekümmertheit, welche Dich umgibt. Dein Lachen, so lebensfroh und herzerwärmend. Selbst dein Niesen, das nach einem fiependen Meerschweinchen klingt. Die Farben haben in Deiner Gegenwart einen Geschmack. Margeriten, Rotklee, Kornblumen. Eine wilde Blumenwiese. Das bist du.

Du sagst, Du hättest Deine Leichtigkeit verloren. Das Unbeschwerte in Deinem Leben sei weg. Du hättest keine Kraft mehr, um für uns beide stark zu sein. Bullshit! Du bist einfach abgehauen. Statt Dich unseren Problemen, mir – uns – zu stellen.

Ich habe es nicht kommen sehen. War gefangen in meiner Trauer um den Mist, der sonst überall im meinem Leben passiert war … in meiner Familie. Und damit habe ich „uns“ heruntergezogen. Und Dich schlussendlich in die Flucht getrieben. Und nun stehen wir beide vor diesem Haufen aus Scherben und haben keinen Besen zur Hand.

Wir haben uns kaputt geliebt. Mit dem Wissen, dass wir uns brauchen. Das wir einfach „WIR“ sind.

Ein krampfhaftes Zusammenbleiben würde uns beide vernichten. Das Sinnbild der letzten Wochen und Monate: Eine Kakophonie an Vorwürfen, Misstrauen, falschen Versprechen, Lügen, Fluchtreflexen. Ich habe Dich kaputt gemacht. Verabscheust Du mich dafür? Wirst Du mir irgendwann wieder in die Augen sehen können? Wirst Du mir verzeihen können? Ich hoffe es sehr, denn ich – ich hasse Dich nicht.

Wir haben uns kaputt geliebt. Mit dem Wissen, dass wir uns brauchen. Das wir einfach „WIR“ sind.

Doch wir wissen auch, dass wir uns nicht gut tun. Mein Kopf sagt, dass „WIR“ gerade nicht funktionieren. Der restliche Körper skandiert: „Ob Du bescheuert bist, hab ich Dich gefragt?“
„Die Zeit wird zeigen, was mit uns ist“, waren deine Worte. Ein schwacher Trost. Ein Hoffnungsschimmer, den ich auch erkenne, wenn ich in deine Augen blicke. In Deinen Worten höre ich dagegen nur leere Versprechen.

Und doch klammere ich mich an der Selbsttäuschung von dem fest, was wir hätten sein können. Die Illusion von uns – Johnny, June und dem Drittel Egon. Spaßige Träume von der Zukunft eben. Diese wilden Gedankensprünge, die jedes verliebte Pärchen hat, wenn es von einer gemeinsamen Zukunft spricht.

Mit Dir war alles so anders. So echt. So final. So Zuhause. So Liebe. So Heimat. So Wir.

Und doch war mit Dir alles so anders. So echt. So final. So Zuhause. So Liebe. So Heimat. So Wir.
Jetzt bleiben mir nur noch die Narben auf meiner Haut und in mir. Die echten, die mir helfen sollten, mein Denken an dich zu verdrängen. Und die Narben in meinem Kopf, eindringlich juckend, wenn diese besonderen Daten jetzt näher rücken.

Vielleicht war unser Lied von Anfang an auch zu sehr dramatische Ballade als heiterer Chanson.

So bleibt mir nur ein Abgesang: Danke an Dich, für dieses Lied. Danke an Dich, für Deinen Halt, Deine Hilfe, Deine Unterstützung. Danke für diese kleinen Wunder und dieses Feuerwerk aus Magie. Danke an DICH, für Dein Sein. Danke an Dich, dafür, dass Du mich aufbaust ­­– und doch versengst.

„Erst wenn Du alles verloren hast, hast Du die Freiheit alles zu tun.“ Habe ich das nicht? Also kann ich doch treffen und nehmen, wen ich will. Warum dann dieses Gefühl, ich würde Dich betrügen? Oder betrüge ich meine Gefühle Dir gegenüber?
Ich sollte den Schmerz wohl annehmen, akzeptieren, aber das kann ich nicht. Ich will leiden. Und so sitze ich da, kämpfe immer noch dagegen an, betäube mich mit Gras und mit anderen Frauen.
„Hey, alles klar?“

Ich drehe mich vom Fenster weg, betrachte sie. Scheiße, sie sieht Dir nicht mal ähnlich.

Ich drehe mich vom Fenster weg, betrachte sie. Scheiße, sie sieht Dir nicht mal ähnlich. Nur Du existierst in meinem Kopf. Deine blauen Augen, Deine wunderschönen Brüste, Dein flacher Bauch, Der kleine Leberfleck auf der linken Wange. Dein Bild hat sich in meine Netzhaut eingebrannt.

Mit dem süffisanten Grinsen meines grasgeschwängerten Hirns auf den Lippen antworte ich knapp „Klar! Noch einmal?“ Sie nickt. Na dann. Auf einen neuen Versuch, dich zu vergessen.

FloH befindet sich mitten in der Midlife-Crisis der typischen Generation Y. Er steht an einem Scheideweg und beginnt – nach über 10 Jahren Landesverteidigung – nun ein neues Leben als Schüler und Student. Mit viel Empathie und einigen Selbstzweifeln im Gepäck möchte er wenigstens anderen helfen und im Bereich „Soziales“ irgendwann mal das Arbeiten anfangen. Derzeit versucht er seine handwerklichen Fähigkeiten, die gar nicht existieren, mit dem Einrichten einer neuen Wohnung auszubauen. Und das nicht nur mit dem Aufbau von Ikea-Regalen.

Headerfoto: chester wade via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

1 Comment

  • Erschreckend nachfühlbar, lebendig, ehrlich… …sehr schön, zu Beginn dennoch schwer ….im Abgang ein Hauch von Leichtigkeit.

    Danke

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