Tausend Likes für einen Artikel mit dem Titel „Datingscheiße“ auf einer Datingseite, wem fällt was auf?
Machen wir uns nichts vor – Online Dating ist nichts für jedermann. Das wird besonders deutlich, wenn ein Artikel mit dem Titel “Datingscheiße” das Verhalten von jedermann beschreibt und ratzfatz 1.000 Likes erhält. Kurioserweise ist der Artikel auf einer Datingseite veröffentlicht, zugegeben, keiner klassischen App oder Plattform, aber auch bei im gegenteil geht es ums Dating. Beim Lesen des Artikels zwingt sich immer wieder der Gedanke auf, wer zur Hölle den Club der 1.000 Liker zum Online Dating zwingt. Wie kann ich mich offensichtlich von solch einem Artikel so gut verstanden fühlen und ihn gleichzeitig auf einer Datingseite lesen?
Da stehen Dinge wie “Dating ist schwierig geworden”. Für mich ist und bleibt es immer spannend, einen Menschen kennenzulernen und gleichzeitig eins der einfachsten Dinge, die es gibt. Das funktioniert mit der richtigen Erwartung (später mehr), sogar ohne die große Liebe oder wilden Sex im Anschluss an ein Date.
Warum hört und – schlimmer noch – vertraut die Autorin und der Club der 1.000 Liker nicht auf Omas Weisheit: „Wenn der Richtige vor dir steht, dann spürst du das“? Warum wird daraus subtil der Anspruch generiert, es müsste bei jedem Date der Eine sein. Ich zum Beispiel sehe in jedem schlechten Date (was auch immer das bedeutet), bei dem ich nicht die Auserwählte treffe, einen emotionalen Legostein im Bewusstsein für die Richtige. Wenn nur genug zusammenkommen, habe ich im richtigen Moment vielleicht sogar schon eine kleine Lego-Burg gebaut. Von der ich dann den disney-esken Erwartungen meiner Auserwählten zuwinke.
Laut der Autorin funktionieren wir alle “wie russische Matrjoschkas”. Fein, nehmen wir an, es stimmt. Wir sind diese Matrjoschka mit Business- und Facebook-, sowie Freundes- und Familienversion. Darunter der Kern, der am “Rumpf unteilbaren Mini-Matrjoschka”. Was passiert denn mit dieser Matrjoschka, wenn der große Knall eintritt, wenn der richtige Partner vor einem steht? In meiner Welt bläst in dem Moment alleine die Druckwelle dieses Knalls die Matrjoschka von Omas Kommode und lässt sie in tausend Teile zerschellen. Zurück bleiben zwei kleine, nackte Mini-Matrjoschkas und die Erkenntnis, warum diese am Rumpf nicht teilbar sind. Es ist der Moment, in dem man alles braucht, um alles zu geben, um es in die fabelhafte Arena der großen Gefühle zu werfen und herauszufinden, ob einer stirbt oder ein neuer Mensch entsteht. Was so schwer klingt, passiert erfahrungsgemäß spielend leicht und in der Regel zwischen zwei grenzdebil lächelnden Menschen.
Ich selber wurde vom im gegenteil porträtiert, ich würde alle Dating Apps benutzen, wenn ich ein Smartphone hätte und ich habe gefühlt schon alle attraktiven Frauen angestubst, die ich bei Facebook gefunden habe. Ich freue mich, dass die Outdoor Saison wieder losgeht und sich in Berlin ab 20 Grad plus alle ausziehen. Ich definiere Samstag, 15:00 Uhr im Café als die Königsdisziplin des Flirtens und ich kann die Körbe nicht zählen, die mich zu dem gemacht haben, der ich bin. All das ist aus freien Stücken und stets mit großer Freude passiert, es war meine eigene Entscheidung. Das Resultat waren Dates mit großer Erwartung und größerer Enttäuschung, Dates die aussichtslos waren und in tollen Aben(d)teuern geendet sind. Kurzum: die wundervolle Welt des Datings. Jede einzelne Situation ein Legobausteine im Fundament. Ich habe aufgehört, meine eigenen Ansprüche auf andere zu projizieren und im gleichen Moment begonnen, das Jetzt zu genießen. Neben ein wenig Datingpraxis habe ich viel über mich selbst gelernt und lediglich eine Sache, bei der ich mich zu einem liebevollen Rat hinreißen lasse: HAB KEINE ERWARTUNGEN.
Headerbild: Jen Loong via Unsplash.com. („Gedankenspiel-Button“ hinzugefügt.) Danke dafür.
Nun, nicht jeder ist ein überdurchschnittlich selbstbewusster Hipster, der ständig am flirten ist und somit genug Erfahrung und Abgestumpftheit besitzt, völlig erwartungslos an Dates heranzugehen. Die meisten, die sich bewusst zu Dates verabreden, sind tatsächlich auf der Suche nach der/dem Richtigen. Da kann man noch so oft versuchen es den Leuten auszureden („wer sucht, findet eh nicht“), aber der Wunsch und somit die Erwartungen lassen sicht nicht einfach ausschalten. Ich denke nur bei spontanen, unverabredeten Begegnungen kann man halbwegs locker sein. Beim Weggehen, im Alltag oder so. Das ist am Ende auch die beste Art, jemanden zu „finden“. Parallel kann man ja mit den geplanten Dates seine Erfahrungen und Legosteine sammeln, trotz aller Erwartungen und Aufregung.