Ich liege am anderen Ende der Welt im Bett und frage mich, was ich mir dabei eigentlich gedacht habe. Eine Festanleihe mit dem Hochzeitsmann passt zur Zeit nicht in mein restliches Portfolio.
Im Moment weiß ich nicht, wann ich wieder in Berlin leben möchte, was ich im nächsten Jahr machen oder wo ich sein will. Jetzt gerade möchte ich die Freiheit und Flexibilität genießen. Was ich weiß, ist, dass er gebunden ist und nicht mitmachen kann. Ich weiß aber auch, dass ich das, aus rein egoistischen Gründen, nicht möchte.
Ich möchte nicht die Verantwortung übernehmen, jemanden woanders glücklich machen zu müssen. Gerade keine Verantwortung zu haben, gibt mir ein Gefühl von Freiheit und Freiheit ist für mich Glück – mein all time high. Ich bin zwar kein Warren Buffet, aber auch ich habe erkannt, dass Daytrading zur Zeit wesentlich besser in meinen Lebensstil passt als auf eine hohe Dividende beim Hochzeitsmann zu hoffen.
Das Gute ist, im Moment sind wir wie eine Vorzugsaktie. Eine gewisse Beteiligung am Stammkapital ist vorhanden, aber ein Stimmrecht gibt es nicht.
Das Gute ist, im Moment sind wir wie eine Vorzugsaktie. Eine gewisse Beteiligung am Stammkapital ist vorhanden, aber ein Stimmrecht gibt es nicht. Da kann man sich ja immer noch sagen: „Easy-Peasy-Lari-Fari-Aktienhandel“ und mehr nicht. Hervorragend, um sich selbst in die Aktentasche zu lügen.
Häufig hat man ja auch mehrere Aktienpakete, falls mal was schiefläuft. Da kann man dann die, bei denen die Gewinnaussichten wenig reizvoll erscheinen, einfach abstoßen.
Ja, ich habe auch kurzzeitig darüber nachgedacht, diese hier abzustoßen. Denn die Gewinnaussichten sehen nicht unbedingt rosig aus. Für keinen von uns. Die Frage ist, wie das auf lange Sicht aussieht und ob es sich lohnt, zu warten. Werden Aktien, die nicht gewinnbringend sind, nicht eigentlich direkt abgestoßen?
Schon allein, um den Schaden nicht größer werden zu lassen? Und müssten wir das nicht eigentlich auch tun? Aber ich hab das Gefühl, es ist zu spät. Da wurde schon zu viel investiert. Und damit schon die wichtigste Regel missachtet: Gehe nie all in!
Gehe nie all in!
Wann mir das aufgefallen ist? Als er mir erzählt hat, dass er in letzter Zeit getindert hat. Beim Zugfahren. Er war so gestresst. Wirklich? Wenn mir das nächste Mal jemand erzählt, dass er gestresst sei, werde ich anstatt Sport, Meditation oder einem Buch einfach mal Tinder empfehlen. Das scheint zu funktionieren.
Dann ist ihm aufgefallen, dass er nicht wirklich großes Interesse an anderen Frauen hat, und somit wurde Tinder wieder gelöscht. Mir hingegen ist aufgefallen, dass es mich erschrocken hat. In diesem Moment stieg mein Angstindex. Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass mich das kalt gelassen hätte. Aber gut, wer billige Pennystockaktien will, der soll sich welche besorgen.
Ich weiß, dass der Gedanke von mir nicht unbedingt fair war, denn seine Nachricht gab mir eigentlich keinerlei Anlass zu denken, dass er sich ernsthaft nach anderen Frauen umschauen würde. Allerdings habe ich vor drei Jahren ein Auslandssemester gemacht.
Zwei Wochen nachdem ich angekommen war, hat mir mein Ex-Freund (mit dem irgendwie trotzdem noch was lief) erzählt, dass er jemanden kennengelernt hat und es irgendwie ernster wird. Wir wollten ja immer ehrlich zueinander sein, daher musste er mir das unbedingt mitteilen.
Manchmal wird Ehrlichkeit komplett überbewertet. Da kann man sich wirklich mal was von den Großinvestoren abschauen, die die Kleinanleger über den Tisch ziehen.
Nein, muss man nicht. Manchmal wird Ehrlichkeit komplett überbewertet. Da kann man sich wirklich mal was von den Großinvestoren abschauen, die die Kleinanleger über den Tisch ziehen. Ich habe zwei Tage im Bett gelegen und geheult. Ihm nachts geschrieben, dass es gar nicht sein kann, dass eine andere Frau so perfekt in seinen Arm passt wie ich.
Nun ja, am Ende hat sie es auch nicht und ich hätte jetzt gern einen anderen Arm. Den, der am Handy hängt und tindert. Als Vorzugsaktie kann man da nicht viel machen. Bei einem Versuch der feindlichen Übernahme fehlen einem dann doch die Stimmrechte.
Und dann frage ich mich wieder, ob es Sinn macht, Aktien mit so vielen Unsicherheitsfaktoren zu behalten? Wie viel Kursrutsch kann man in Kauf nehmen? Bei Privatanlegern wird häufig empfohlen, die Aktie zu halten. Besonders, wenn man eigentlich von der Aktie überzeugt ist – das bin ich.
Allerdings sollte man sich dabei sicher sein, dass in den kommenden 6 bis 18 Monaten die Investitionen nicht benötigt werden und man mit kleinen Dividenden auskommt.
Ich genieße es, dass ich in der nächsten Zeit komplett meinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen nachgehen kann. Ich bin nicht bereit, diese zurückzustecken.
Für mich bedeutet das, dass ich in der nächsten Zeit komplett meinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen nachgehen kann. Ich bin nicht bereit, diese zurückzustecken. Besonders, weil ich so lange darauf gewartet habe. Am Ende würde das nur zu Vorwürfen führen.
Glücklicherweise haben wir in dieser Hinsicht die gleiche Einstellung. Wohin uns diese Aktie bringt, wissen wir beide nicht. Selbst bei hoher Prognosesicherheit ist unklar, wie es ausgeht. Sicherheiten gibt es nie.
Vielleicht gibt es am Ende einen Crash, der tut bestimmt weh, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht gibt es auch eine hohe Gewinnausschüttung. Obwohl ich so weit weg bin, habe ich das Gefühl, dass wir uns trotzdem immer näher kommen, und ich bin unglaublich dankbar für sein Verständnis, was meine Pläne oder Nicht-Pläne angeht, und die Bereitschaft dazu, eine Lösung dafür zu finden.
Ich habe ich mich für „Halten“ entschieden, denn verkaufen, in andere Wertpapiere investieren, auf einem Festgeldkonto anlegen und später wieder einsteigen – das funktioniert (für mich) nicht und das möchte ich auch nicht.
Wenn man es genau nimmt, dann bin ich jetzt seine Auslandsanleihe. Die Prognosen für globale Anleihen sind zwar eher vorsichtig denn optimistisch, aber zum Glück ist es mit zwischenmenschlichen Beziehungen ja dann doch nicht wie an der Börse.
Headerfoto: Aneta Ivanova via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!