Das Ding mit der Intimrasur

„Kannst Du Dir bitte den Strich wieder machen? Ich bekomme schon einen Ständer, wenn ich nur daran denke.“ Ich schmunzle, als ich diese Worte auf meinem Display lese, und in meinem Bauch fängt es an zu flirren.

Ich stehe unter der Dusche und schreibe nebenher mit dem Typen, mit dem ich seit ein paar Wochen eine – ja, was eigentlich? – eine Romanze, eine Affäre oder beides in einem habe.  Wir haben uns auf einer Party von gemeinsamen Freunden kennengelernt und wild auf der Tanzfläche rumgemacht, bevor er mich fragte, ob ich nicht mit zu ihm nach Hause kommen wolle.

Inzwischen hatten wir uns schon in irgendein Zimmer der fremden Wohnung zurückgezogen und gerade als es versprach – oder drohte? – sehr intim zu werden, musste ich den Riegel vorschieben.

‚Mir geht das zu schnell‘, log ich. ‚Schade, dabei hätte ich es dir so gerne mit dem Mund gemacht‘, säuselte er in mein Ohr, um gleich darauf wieder daran zu knabbern.

„Mir geht das zu schnell“, log ich. „Schade, dabei hätte ich es dir so gerne mit dem Mund gemacht“, säuselte er in mein Ohr, um gleich darauf wieder daran zu knabbern und zärtlich meinen Hals zu küssen und meine Brüste zu kneten. Ich hätte gerne gewollt, doch war ich an dem Abend nicht nur betrunken und ziemlich horny, sondern – sehr unpassend in dieser Situation – leider auch ziemlich unrasiert. Und zwar überall.

Aber woher hätte ich just an diesem Tag auch wissen sollen, dass ich jemanden abschleppen würde? Mein Outfit stimmte nicht, Mein ohnehin schlampig aufgetragenes Makeup hatte er mir quasi schon längst aus dem Gesicht geschleckt. Ich war überhaupt nicht vorbereitet gewesen –  und das zum ersten Mal seit Monaten!

Ich hatte mich etwa eineinhalb Jahre vorher von meinem Exfreund getrennt und einen ganzen Sommer und den darauffolgenden Herbst und Winter mit gefühlt nichts anderem verbracht, als mich überall und pausenlos bei den kleinsten Anzeichen für kratzende Stoppelchen zu rasieren, um immer und überall gewappnet zu sein – für Sex.

Einen ganzen Sommer und den darauffolgenden Herbst und Winter hatte ich mit gefühlt nichts anderem verbracht, als mich überall bei den kleinsten Anzeichen für Stoppelchen zu rasieren, um immer gewappnet zu sein – für Sex.

Nach der Trennung hatte ich mir ausgemalt, was für ein unglaublich verruchtes Singleleben ich führen würde: mit vielen Partys, Cocktails (im doppelten Sinne natürlich) und jeder Menge One-Night-Stands. Tja, was man sich halt so vorstellt, wenn man nach einer langen Beziehung wieder in die Datingwelt eintaucht.

Ich stellte mir mich vor, glamourös mit gebräunten Beinen – die in meiner Fantasie immer etwas länger sind, als sie es in der Realität einhalten können – in entzückenden und klitzekleinen Sommerkleidchen, mit wenig drunter und noch weniger Hemmungen.

Passiert ist: original nichts. Keine sexy Unterwäsche, keine Drinks auf Partys und vor allem: kein Sex. Bis auf eine Knutscherei mit meinem Nachbarn aus dem vierten Stock, der sich danach nicht mehr traute, mir in die Augen zu gucken, und ein bisschen sexting mit nem ehemaligen Arbeitskollegen. Bei letzterem trug ich natürlich meist auch keine Kleidchen und Highheels, sondern saß in meiner ausgebeulten Jogginghose auf der Couch. Außen Pfui – unten Hui! Da war ich schließlich immer perfekt rasiert.

Da so lange nichts gelaufen war, beschloss ich dann irgendwann: Okay, Du hast den Sex nicht finden können, Lady Marmalade, also wird er Dich auch nicht finden.

Da so lange nichts gelaufen war, beschloss ich dann irgendwann: Okay, Du hast den Sex nicht finden können, Lady Marmalade, also wird er Dich auch nicht finden.

Haha, falsch gedacht. Ich hatte mich nämlich gerade mit der einsamen Seite des Singledaseins angefreundet, da taucht dieser Typ auf – aus dem Nichts! Und nimmt auch noch mich: ein kleines, schmuddeliges Moppelchen, obwohl tausend große und blonde Frauen mit meterlangen Beinen da draußen rumlaufen.

‚Klein, schmuddelig, eine dunkle Bubikopf-Frisur – meinetwegen. Aber unrasiert? Niemals, ich bin doch nicht bescheuert und mach mich hier zum Affen; obwohl es von der Behaarung hinkommen könnte’, dachte ich. Ich ging nicht mit. Hatte aber drei Wochen später ein erstes richtiges Date mit ihm – mein erstes seit einer Ewigkeit. Und diesmal probierte ich vorher Sugaring aus. Geiler Scheiß.

Ich ließ mir alles wegmachen, damit der Kerl auch ja nicht merkt, dass ich ein haariger kleiner Hobbit bin, und der Sex ließ sich dann auch nicht lange bitten. Wir hatten überall in seiner Wohnung Sex. Auf Rotationsbasis. Das ganze Wochenende lang. Und das daraufhin mit wöchentlicher Wiederholung.

Wir hatten überall in seiner Wohnung Sex. Auf Rotationsbasis. Das ganze Wochenende lang. Und das daraufhin mit wöchentlicher Wiederholung.

Da wöchentliches Sugaring aber sowohl haarwuchstechnisch als auch finanziell unmöglich gewesen wäre und ich vom ewigen Rasieren in der Intimzone heftigsten Ausschlag bekommen hätte, fuhr ich meine Besessenheit ein bisschen runter. Ich bin ein Mensch! Ich habe Haare. Sorry.

Und was passierte bei unseren Dates? Ich war überrascht: weiterhin viel Sex, kein Donnerwetter, kein schlimmer Glasscheiben-Klirr-Moment, sondern genauso viel Lust wie vorher auch. Trotz kleiner Härchen, von mir jedoch kunstvoll zu einem Strich geformt.

Als ich ihn fragte, ob er damit ein Problem habe, leckte er mich zur Antwort so hingebungsvoll, dass ich dachte: ‚Hoi! Offenbar watet ein richtiger Mann auch durch das Rough, wenn er aufs Green kommen will.’

Jetzt gerade stehe ich also unter der Dusche und rasiere mich mal wieder, während ich seine Nachricht lese. Ich grinse und setze den Rasierer so an, dass am Ende noch der Strich stehen bleibt, den er sich wünscht. Ja, manche Männer stehen auch drauf: ein bisschen glatt, ein bisschen Haare, ein bisschen sexy Dessous, ein bisschen Jogginghose. Von allem ein Bisschen – mit ganz viel Mensch.

Kiki D.: Wie eine jede Frau in den späten 20er Jahren versucht Kiki D. ihren eigenen Weg durch den Dating-Dschungel der Großstadt zu finden. Manchmal mit ganz viel Glitzer und Champagner, aber manchmal auch mit Straßenstaub und Dosenbier. Meistens ohne Plan, aber es klappt doch immer, irgendwie. Und wenn man Single ist, erlebt man oft sehr unfreiwillig sehr komische Sachen. Hier berichtet sie davon.

HeaderfotoLana Abie via Unsplash.com. (Körperliches-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

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