Eigentlich müsste ich glücklich und zufrieden sein; nach jahrelangem Singledasein, unzähligen Dramen und Herzensbrüchen ist endlich Ruhe eingekehrt. Als ich am Ende meiner Kräfte angekommen war, völlig zerstört am Boden lag und jegliche Hoffnung auf ein Happy Beginning verloren hatte, traf ich dich. Eigentlich war es nur aus Macht der Gewohnheit, um über den letzten Heartbreak hinweg zu kommen, schnell ein paar Mal nach rechts wischen, sich treffen, in das nächste Drama stürzen oder erkennen, dass es doch erst einmal Zeit für etwas Abstand vom Dating-Chaos ist.
Auf dem Weg zu unserem ersten Treffen redete ich mir innerlich gut zu und versuchte, mein Selbstwertgefühl zu pushen, nein, überhaupt wiederherzustellen. Denn das letzte Dating-Drama hatte erst zwei Wochen zuvor sein finales Ende gefunden. Man(n) hatte es geschafft, mir innerhalb von sechs Monaten das bisschen Selbstvertrauen, was ich bis dato noch hatte, vollkommen zu nehmen.
Ich sprach mir innerlich gut zu: Ich bin liebenswert. Ich bin es wert, geliebt zu werden. Ich bin gut so, wie ich bin.
So war ich also auf dem Weg zu dir und sprach mir innerlich gut zu: Ich bin liebenswert. Ich bin es wert, geliebt zu werden. Ich bin gut so, wie ich bin. Jeder möchte geliebt werden – eine Gemeinsamkeit, die uns jetzt schon miteinander verbindet.
Ich hatte keine Erwartungen an unser Treffen. Ich wusste nicht, wie du aussiehst, denn auf deinen Bildern warst du nur schemenhaft zu erkennen. Ich wusste um keine gemeinsamen Interessen, denn wir schrieben uns einfach nur von alltäglichen Dingen. Eigentlich wollte ich mich nur etwas ablenken. Zu mehr sah ich mich emotional sowieso nicht im Stande.
Als ich dich das erste Mal sah, wurde ich positiv überrascht. Du sahst gut aus, warst sympathisch, eloquent, hast mich viel zum Lachen gebracht und mich für einen kurzen Moment mein gebrochenes Herz vergessen lassen. Ein paar Gemeinsamkeiten haben wir sogar auch noch gefunden.
Es war gut, sich in meinem schwächsten Moment mit dir zu treffen, denn anders hätte ich mich wahrscheinlich nie auf dich eingelassen. Zu sehr wurde ich in den Bann gezogen von Männern, die nur mit mir spielen wollten. Du warst so anders als alle Männer zuvor: ruhig, zurückhaltend, etwas verunsichert, nett, ehrlich und ernsthaft interessiert – einfach du selbst. Authentisch. Wäre ich nicht völlig am Ende gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich nie für dich interessiert. Und das, obwohl ich mir immer einen Mann wie dich gewünscht habe.
Wir stehen an deinem Hofeingang und plötzlich werden wir zu 15-Jährigen, die sich anschauen und nicht um den nächsten Schritt wissen.
Es wurde spät und du musstest los. Wir wohnen in der gleichen Straße, also begaben wir uns gemeinsam auf den Heimweg. Wir stehen an deinem Hofeingang und plötzlich werden wir zu 15-Jährigen, die sich anschauen und nicht um den nächsten Schritt wissen. Ich würde dich gerne küssen, aber bin verunsichert. Meine neueste Faustregel: Nichts darf mehr beim ersten Date geschehen. So gehe ich zu mir und du gehst zu dir.
Ich schüttele den Kopf auf dem restlichen Heimweg. Wie peinlich! Und fürchte, dich nie mehr wieder zu sehen. Üblicherweise würde ich die nächsten Tage nichts mehr von dir hören und unentwegt den Ablauf unseres Abends durchgehen, um den Fehler zu finden, den dein Interesse an mir sofort wieder abklingen ließ.
Doch so nicht dieses Mal. Du hast dich am nächsten Tag bei mir gemeldet. Du hättest es schade gefunden, dass wir uns zum Abschied nicht geküsst haben. Du würdest mich mögen.
So sahen wir uns wieder und alles nahm seinen Lauf. Und plötzlich war sie wieder da – die Hoffnung. Es gab sie noch, die Guten. Erst war es schwer für mich zu verstehen, aber du mochtest mich. Einfach so. Ich musste dir nichts beweisen, ich musste dich nicht von mir überzeugen, ich musste mich nicht verstellen, ich konnte einfach so sein, wie ich bin. Einfach ich selbst. Das war dir genug. Mir war das völlig neu.
Wenn es mal schwierig wurde, hast du keinen Rückzieher gemacht. Denn du wolltest alle Seiten an mir kennenlernen. Die einfachen und leichten genauso wie die komplizierten und schweren, hast du gesagt.
Ich mag dich. Sehr. Ich mag es, wie sehr du mich magst.
Und doch bin ich so verunsichert. Es ist so leicht und unbeschwert mit dir. Es läuft einfach. Kaum Ecken und Kanten. Wir sind nun zusammen und gehen fortan gemeinsam durchs Leben. Plötzlich warst du da. Plötzlich gehörst du dazu. Plötzlich bist du Teil von mir und meinem Leben.
Plötzlich warst du da. Plötzlich gehörst du dazu. Plötzlich bist du Teil von mir und meinem Leben.
Bisher wissen nur enge Freunde von dir. Meinen WG-Mitbewohnern bist du schon längst bekannt. Wir waren gemeinsam verreist und dennoch weiß meine Familie noch nichts von dir. Wahrscheinlich aus der Angst heraus, dass es, so schnell wie sich etwas zwischen uns entwickelt hat, auch wieder vorübergeht. Dies zeigt zumindest die vergangene Erfahrung. Ich fühle mich schlecht deswegen, aber ich handle aus Selbstschutz so. Würde ich meiner Familie von dir erzählen, dann wäre es offiziell, und ich weiß nicht, ob ich dafür schon bereit bin. Ich möchte es gerne, aber ich kann es einfach noch nicht. Verzeih bitte!
Wahrscheinlich bin ich so verkorkst von all den Dramen und Eskapaden, dass ich mittlerweile mit komplizierten zwischenmenschlichen (Nicht-)Beziehungen besser umzugehen weiß als mit einer normal gesunden und gut funktionierenden. Wie absurd!
Wir beide haben unsere Päckchen von vergangenen Zusammenkünften zu tragen und unsere Storys zu erzählen. Auch du hast deine Wunden und Macken, die ich Stück für Stück kennenlerne. Wir nutzen uns gegenseitig als Projektionsflächen ungelöster Konflikte, die mit uns eigentlich gar nichts zu tun haben. Du hast auch deine Unsicherheiten. Das habe ich gleich zu Beginn gemerkt. Ich würde sie dir gerne nehmen, indem ich dir zeige, wie gerne ich dich mag.
An unser Beisammensein muss ich mich erst noch gewöhnen, schließlich habe ich Jahre als Single verbracht. Es fällt mir schwer, die damit verbundenen Freiheiten aufzugeben oder eine Balance zu finden, ohne dich mit meinem Verhalten ungewollt zu verletzen. Sei geduldig mit mir! Alles, was ich brauche, ist Zeit und deinen Goodwill.
Du willst gut zu mir sein und bist es einfach. Ich muss lernen, das zuzulassen und anzunehmen.
Du, ich, wir – das ist Neuland für mich. Zum ersten Mal seit langem habe ich das Gefühl, dass du jemand bist, der es ernst mit mir meint und keine Spiele mit mir spielen möchte. Du willst gut zu mir sein und bist es einfach. Ich muss lernen, das zuzulassen und anzunehmen.
Es ist schön und doch ungewohnt, wenn es einfach mal läuft. Denn gerade dann erkennt man die Spuren, Wunden, Narben, die vielen Verletzungen, die man in all den Jahren zugefügt bekommen hat. Es wird dauern, sie zu heilen und manche Spuren werden auch für immer bleiben. Aber ich weiß, dass du die notwendige Geduld dafür mitbringst und mich auf meinem Weg der Heilung begleiten magst. Und dafür danke ich dir von ganzem Herzen!
Auch wenn es für mich wieder kompliziert zu sein scheint, läuft es doch zur Abwechslung einfach mal … gut.
Headerfoto: Mädchen im Sonnenschein via Shutterstock.com. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!