Du hieltest mich sicher. Ich machte dich wild.

„Schreiben bedeutet, niemandem und allen das zu sagen, was man einem Jemand nicht sagen kann.“ – Rebecca Solnit, Aus der nahen Ferne

Schreiben bedeutet, in seine Ängste zu gehen und sich ihnen zu stellen. Und Schreiben kommt niemals von Happiness. Also schreibe ich über die Hässlichkeit, die Monster und Dämonen, die Schwärze und Leere, die Abgründe, an denen ich entlang gehe und die Tiefe, in die ich mich immer wieder stürzen möchte. Über die Stille, in der Tränen und Lähmung regieren.

Und ich schreibe mit so unschöner Feder, dass kein Zweifel daran bleibt, dass Schmerz und Angst nicht die pathetisch wundervollen Gefühle sind, dass Melancholie kein Accessoire ist, das den nötigen Tiefgang und Glanz transportiert. Und auch darüber, dass nie nur Helligkeit regiert, dass Dunkelheit in jedem und allem liegt. Und darüber, dass über ersteres laut und über letzteres nur stumm kommuniziert wird.

„Es war schön, von dir zu hören.“

„Hey, der Nebenkriegsschauplatz ist beendet. Wir können dann jetzt über uns reden“, denke ich in diesem Moment, wo ich unser Gespräch noch einmal auseinander nehme und wieder zusammen setze. Während ich völlig vergaß, über mich zu reden, sprachst du nur von dir. Weil es uns beiden Luft und Herz abschnitt, als wir die Stimme des anderen aus der nahen Ferne hörten. Frei und doch so nervös, so empfindlich berührt, dass ein Satz uns auf den Boden der bitteren Realität zurück holte:

„Ja, wir wissen beide am besten, wie dieses Thema eine Beziehung belasten kann“, sagte ich unbedacht und unüberlegt antwortest du mit einem ausgeatmeten: „Ja.“ Du sogst noch einmal mehr an deiner nächsten Zigarette, nur um mir dann von den neuen, guten Dingen in deinem Leben zu erzählen. Diesem neuen Job, dem Leben zwischen Sicherheit und Freiheit, in das du dich schon traust. Nicht ganz in die eine, nicht ganz in die andere Richtung.

„Am liebsten würde ich das ja machen wie du“, atmestest du wieder ins Telefon und an meinen Armen zog sich eine Gänsehaut bis zum Hals hinauf. Da war er, der Satz. „Wie du, wie du, wie du. Ich will wie du, ich mache wie du, ich träume wie du. Ich bin du.“ Und du, ich wie du, sind wir genau daran gescheitert.

Es ist schön, von mir zu hören.

Etwas leichter ums Herz, aber mit schwerer Brust erzähle ich ihr von dir. Zum ersten Mal ganz echt und ohne die Verbiegungen in der Stimme, die meine Wort sonst auslösen, wenn ich unsere Geschichte erzähle. So viel Scheitern, so viele Lügen, so viel Schmerz lassen mich in Verzerrungen reden, bis ich vor mir selbst rechtfertigen kann, dass du und ich, dass du wie ich, und ich immer mit dem Kopf voran durch die Wand.

Eine ganze Wand aus Verrat und Wut über mich und dich, die ich nie zum Einsturz bringen konnte. Weil ich mir einfach nicht verzeihen konnte. Du konntest es, nicht nur für dich, für mich noch mit, für die anderen und jeden darüber hinaus. Und trotzdem reichte es nicht. Trotz dem und der Liebe konnten alle dir, aber ich nie mir verzeihen.

Den Respekt vor mir verloren, dir deinen genommen, ging ich und ließ dich zurück. Wieder und wieder und so weiter, bis jedes Zurück in keiner Realität mehr vertretbar war, brachte ich die ganze Wand und die Welt dahinter zum Bersten. Verbrannte Finger, verbrannte Erde überall, wo ich dich sah.

Mit implodiertem Herzen verlor ich deine Sicherheit und fand zu mir zurück. Die Schuld, die ganze erdrückende Schuld abgeschüttelt, klopfte ich mir den Staub von den Schultern und ging ohne die auf jeden Schritt folgende Scham in ein Leben, in dem keine Reue mehr an mir haftete. Noch mal frei von vorn wollte ich sein, im Reboot-Modus ohne den Dreck unter den Sohlen sprang ich mit Anlauf, aber gutem Grund.

Nebenkriegsschauplatz eröffnet, moralisch viel Blut vergossen, bleibe ich vor dem Spiegel stehen und sehe das gleiche Monster wieder an. Moral und Werte hat es über den Haufen geworfen, wütet und weint und kann sich noch viel weniger verzeihen.

„Draw a monster. Why is it a monster?“ – Janice Lee, Daughter

Ich bin hart mit mir, sagt sie mir. Du wie ich, ich wie du, sind wir Menschen mit Fehlern. Ja, das ist doch eine Erkenntnis, das brachte mich doch hierher. Ja, da werde ich draus lernen, das wird nicht noch mal passieren, erzählt sie mit so viel Gnade in Stimme und Blick und versucht, wie einst du, mich zu überzeugen, dass ich mir doch endlich, bitte, endlich vergeben kann.

Nur ich traue mir nicht, weder der Erkenntnis noch der Schuld. Weiß nicht, ob eine von beiden mich bei einem weiteren Mal abhalten würden. Weil wir manche Fehler mehrmals machen müssen, sagt sie. Weil wir alle Monster sind, sage ich.

Weil wir alle Monster sind.

Wie bitter, bitter, bitter ist diese Erkenntnis. Bin ich die, die von Balance spricht, von Hell und Dunkel und dass beide in uns existieren. Dass das okay ist, dass alles seinen Platz und seine Zeit hat. Dass, ja dass ich wie du und du wie ich uns vergeben müssen. Du wie ich und ich wie du. Und wenn du wie ich um meine Monster wüsstest, wüsstest du wie ich, dass du nicht wie ich willst, machst und träumst. Weil ich wie du hell und dunkel bin und du wie ich keines von beidem ablegen können würdest – wie das einst schöne, heute nicht mehr ganz so passende Kleid.

„What would you die for? Love.“

Mein Monster heißt Liebe. Und für die würde ich auch heute noch bluten, sterben und immer wieder alles über Bord werfen, hinterher springen, nur um darin zu ertrinken und völlig in ihr zu versinken. Für die würde ich immer wieder Moral und Werte gegen die Wand schmeißen. Um mir dann nicht verzeihen zu können, aber sie gelebt zu haben, würde ich jedes Mal von vorn blind am Spiegel vorbei gehen, dem Respekt ab- und der Reue zuschwören.

Und ich wie du weiß, das würdest du auch. Immer mutig mit dem Herz voran, wirst du lieben und ich ziehen. Weil ich nicht verstehen kann, dass du wie ich willst, machst und träumst, weil du nicht wie ich verstehst, dass meine Liebe nicht haltbar ist, nicht besitzt werden kann.

Und so schreibe ich niemandem und allen, um zu sagen, was ich einem Jemandem nicht sagen kann:

Meine Liebe war dir immer sicher. Meine Freiheit dir immer wild. Hättest du doch nur verstanden, dass wenn ich mich selbst nicht, ich auch dich nicht ansehen kann. Hättest du mich wild gehen lassen, wäre ich aus Liebe sicher zurück gekehrt. Hätte ich dich in liebender Sicherheit gehen lassen, wärst du frei zurück gekehrt.

Doch so: Du hältst mich sicher. Und ich dich wild.

Maria Anna Schwarzberg fängt hochsensibel Emotionen in Wort, Ton und Bild ein. Mit guten und schlechten Gefühlen geht sie voran und zeigt, dass Emo nicht gleich Eso ist. Mehr von Maria gibt es auf ihrer Homepage, in ihrem Podcast, bei Instagram und auf Facebook.

Headerfoto: Zulmaury Saavedra via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gedreht.) Danke dafür!

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