Mit bestem Dank an unsere Homies von THE FERNWEH COLLECTIVE, dem Ort, an dem die besten Reisegeschichten erzählt werden. The Fernweh Collective erscheint als Print- und Digital-Magazin und ist im Online-Shop erhältlich. Website | Shop | Blog
Als ich beschließe, meine letzte Coca Cola für alle Ewigkeit zu trinken, beginnt für uns ein neues Abenteuer. Willkommen in Afrika. Das erste Mal auf der Südhalbkugel. Wir sitzen am Flughafen von Kapstadt, um uns herum herrscht reges Treiben. Ich nippe ein letztes Mal an der zuckerhaltigen Droge in rotem Gewand. Das schwere Weihnachtsessen und viele Nächte der Vorbereitung inklusive Steuererklärung am Silvesterabend liegen hinter uns. Es ist Sommer. Zeit, den Bauch einzuziehen und entgegen unseres Biorhythmus‘ zu leben.Wir sind ohne Erwartungen hergeflogen, sind einfach nur unserer Inspiration an der Wohnzimmerwand gefolgt. Das Bild vom blauen Beetle am Strand von Muizenberg von „The Fernweh Collective“-Co-Herausgeberin Belka war die Visualisierung unserer Ziels. Schon lange wollte Farina mal nach Kapstadt. Nun sind wir hier. Bis auf die Adresse unserer Airbnb-Unterkunft steht nichts fest. Vor 18 Stunden haben wir uns für drei Monate von Berlin verabschiedet. Ein Abschied, welcher uns nicht wirklich schwer gefallen ist. Auf Wiedersehen, du graue, lichtabsorbierende Dunkelheit, denke ich mir, als wir in den ersten Flieger Richtung Südafrika steigen.
Beste Reisezeit
Es ist Anfang Januar, als der Sommer unseres Lebens beginnt. Schnell wird uns klar – hier sind wir richtig. Wir warten einfach nicht, bis der Sommer in Europa vorbeischaut und sich dann nur als morgenmufflige Laune der Natur entpuppt, wir haben uns entschieden, der Wärme und dem Licht hinunterzufliegen. Es ist Balsam für die Seele und den müden Körper, der sich eben noch im Winterschlaf befand. Die beste Reisezeit für Südafrika ist jetzt. Ab Anfang Dezember bis Mitte März herrscht hier, am unteren Zipfel des afrikanischen Kontinents, ein Zustand, von dem nur unsere Eltern aus ihren Kindertagen zu berichten wissen. Die Tage, an denen per ungeklärter Definition schlechtes Wetter das Gemüt trüben kann, lässt sich an einer Hand abzählen. Sommer pur!
Das einzige, was beständig ist, ist der Wind. Küstenwetter eben. Und ehrlich gesagt sind wir darüber ganz froh, als wir im Januar bei durchgehend dreißig Grad die Stadt und die umliegenden Orte erkunden. Einen ersten Stopp legen wir an der Victoria & Alfred Waterfront ein, in den Tagen danach pilgern wir zum berühmten Clifton Beach – einem Strand, der in vier Abschnitte unterteilt ist. Dabei beobachten wir, dass nur wenige Menschen im Ozean schwimmen. Als wir der Sache auf den Grund gehen, erfahren wir am eigenen Leib, wie unfassbar kalt sich fünfzehn Grad Wassertemperatur anfühlen können.
Insider-Tipp: West Coast National Park
Die ersten vier Wochen wohnen wir gemeinsam mit einer Familie und ihrem wunderschönen Husky zusammen in ihrem großen Haus im stadtnahen Bezirk Walmer Estate. Hier blicken wir vom Balkon aus auf Downtown Kapstadt. Einige große, für südafrikanische Verhältnisse riesige Wolkenkratzer versperren den Blick auf die Waterfront mit dem Riesenrad. Aus der Ferne fühlen wir uns an San Francisco erinnert, am Horizont erspähen wir Robben Island – die Insel, auf der Nelson Mandela jahrelang sein Dasein als Gefangener gefristet hat.
Durch das Leben mit den Einheimischen erfahren wir einiges über die Gepflogenheiten und Menschen der Stadt. Es stellt sich ein Gefühl von Sicherheit ein. Viel zu viele Geschichten über Kriminalität wurden uns zuvor erzählt. Uns ist nach wie vor bewusst, dass wir aufpassen müssen. Doch jetzt können wir viel besser einschätzen, wo wir uns ungestört bewegen können. Ein Auto haben wir uns zunächst nicht gemietet und sind somit auf den Taxi-Dienst UBER angewiesen. Umso erfreuter sind wir, als unsere Gastgeber uns zu einem kleinen Familienausflug einladen.
Sonntagmorgen verlassen wir Kapstadt Richtung Paternoster. Unser Ziel ist der West Coast National Park, wo wir endlich schwimmen gehen werden. Den Traum vom Haus mit Pool haben wir uns zunächst nicht erfüllt, umso aufregender ist es, als wir nach einer neunzigminütigen Fahrt entlang der Küste eine karibische, türkisblaue Bucht erspähen. Einfach wow. Wir vergnügen uns den ganzen Tag über in der Langebaan Lagune. Ein herrliches Gefühl, durch das Wasser zu tauchen – definitiv ein Ort, an den wir zurückkehren werden. Es herrscht kaum Betrieb an diesem kleinen Strandabschnitt, wo das Wasser tagsüber mal kommt und dann wieder geht. Wie an der Nordsee eben, nur karibischer.
Der absolute Food-Heaven
Da wir im ersten Monat keine eigene Küche haben, probieren wir uns durch die verschiedensten Restaurants der Stadt. Wir treffen jede Menge Fotografenfreunde, schließen neue Freundschaften und frischen alte Bekanntschaften auf. Kapstadt erscheint im Winter der Nabel der Kreativbranche zu sein. Schöne Menschen wohin wir schauen. Auch ein Grund, das mit der Cola sein zu lassen. Bei unseren vielen Erkundungen stellen wir fest, es fällt äußerst schwer, in Kapstadt schlecht essen zu gehen.
Am wohlsten fühlen wir uns im Kloof Street House und im Café Paradiso, zwei Restaurants, die auf der gleichen Straße zu finden sind. Die Kloof Street wird in den kommenden Wochen unsere Küche. Ob Frühstück oder Abendessen – wir sind im Food Heaven. Zwischendurch versorgen wir uns mit Smoothies oder Säften vom Elixir in der Bree Street oder dem Orchards in der Long Street. Ganz besonders schmackhaft wird es jedes Wochenende in Woodstock an der Old Biscuit Mill oder in Hout Bay, etwa zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt.
Gerüche aus aller Herren Länder wabern durch die Hallen in unsere Nasen, der Blick wandert von links nach rechts auf die vollen Teller. Ob süß oder salzig, es gibt einfach alles, was das Herz begehrt. Es duftet himmlisch. Die verschiedensten Fleischsorten brutzeln auf dem Grill, der Beat der Musik dröhnt in unsere Ohren. Das Grün der frisch angemachten Salate sticht uns ins Auge. Ein Fest der Sinne für jeden Besucher. Wir erfreuen uns an dem äußerst gesunden Lifestyle im deutschen Winter, während wir in der freien Zeit am Strand liegen, im Apartment arbeiten, die Gegend erkunden und natürlich viele verliebte Menschen fotografieren. Wir sind ja nicht im Urlaub hier.
Auf die knapp vier Wochen in Kapstadt folgen fünf Tage in Stellenbosch. Obwohl wir uns nicht im geringsten für Wein interessieren, wollen wir gerne die charmanten Weingegenden besuchen. Eines der Highlights dieser Tage ist nicht die gestohlene Visa-Karte und das Leben mit umgerechnet nur knapp sechzig Euro in der Tasche, sondern unsere Stippvisite auf einem der ältesten Weingüter der Region. In Babylonstoren in der Nähe von Franschoek verbringen wir etliche Stunden. Sogar am Wein nippen wir, als uns eine schmackhafte Käseplatte gereicht wird. Ich trinke zwei Gläser, Farina bleibt bei Wasser.
Im Anschluss bestaunen wir die Vielfalt der Gärten, an dessen Ende uns ein schnuckeliges Café mit Gewächshaus erwartet. An diesem heißen Sommertag gleicht das Haus eher einer gläsernen Sauna und so fällt der Besuch nur kurz aus. Alles fürs Foto. Zu dem Zeitpunkt sind wir übrigens noch der Meinung, wir hätten eine zweite funktionierende Visa-Karte. Wie sich schon bald herausstellt, ist meine Karte ebenfalls gesperrt. Ein wahrlich bescheidenes Abenteuer außerhalb von Kapstadt, weshalb wir froh sind, als wir unsere Koffer ins Auto laden und zurück fahren.
Kapstadts unermessliche Vielfalt
Alle anderen Ausflüge, die wir in der gesamten drei Monaten unternehmen, bleiben glücklicherweise besser in Erinnerung. Alleine die Natur rund um Kapstadt hat so viel zu bieten. Noch nie hat uns eine Region so dermaßen gut gefallen. Meer und Berge sind nur wenige Kilometer voneinander getrennt. Das kenne ich bis dato nur von den Kanarischen Inseln. Kleine Affen bespringen uns im World of Birds. Wir sehen süße Pinguine am Boulders Beach und auch in Bettys Bay. Auf dem Weg zum Kap der guten Hoffnung begegnen uns riesige Affen. Die Baboons sind bekannt für ihre räuberische Ader, sobald der Mensch ihnen die Gelegenheit bietet, durchstöbern sie bei offenem Kofferraum oder Fenster die Autos auf der Suche nach Essen. Gedanklich ein kurioser Anblick, der uns zum Glück erspart bleibt.
Vom südwestlichesten Punkt Afrikas bleibt uns viel mehr der orkanartige Wind in Erinnerung, als das allseits beliebte Schild mit dem Hinweis, wo wir uns befinden. Es ist ungemein schwer, dort ein Foto ohne fremde Personen zu ergattern. Wir entledigen uns des Gedankens, ein Erinnerungsbild zu schießen, als eine Busladung asiatischer Touristen, mit Tablets und Selfie-Stangen bewaffnet, ausgeladen wird. Cheese! Viel beindruckender ist die Fahrt zurück nach Kapstadt auf dem Chapmans Peak Drive. Eine Mautstraße, die sich an der Küste zwischen dem langen Strand in Noordhoek und Hout Bay entlang schlängelt. Der kalifornische Highway One lässt grüßen.
So wechselhaft wie die Kurven auf der Strecke ist auch unser Rhythmus beim Koffer ein- und auspacken. Insgesamt vier Airbnb-Wohnungen haben wir in dem Monat bewohnt. Nach dem Abenteuer in Stellenbosch ziehen wir uns in Hout Bay zurück. Wir genießen die Ruhe nach den Tagen der Ungewissheit. Unser Appartement ist noch viel schöner als auf den Bildern. Als Fotografen wissen wir ja, wie trügerisch Fotos sein können und erleben es hautnah, als wir in Seapoint den Schlüssel zu unserer nächsten Bleibe umdrehen. Irgendwie sah das im Internet größer aus.
In der Woche haben wir viel außerhalb geplant, daher fällt es nicht so schwer ins Gewicht. Wir erkennen die Besonderheit der vielen Umzüge. Jeder Bezirk hat so seine Charakterzüge. Hier auf der Rückseite des Signal Hill sind wir mitten am Puls der Zeit, haben die Promenade vor der Tür und fühlen uns wie in Miami. Rein optisch zumindest. Keiner von uns beiden war bislang jemals dort. Diese Wandlungsfähigkeit ist eine der Stärken der Stadt und daher ist die Kapregion auch so beliebt bei Produktionsteams, die von überall aus der Welt anreisen. Daheim in Deutschland entdecken wir in Werbespots und auf Plakaten Ecken, die uns nach der Zeit in Südafrika sehr bekannt vorkommen.
Etwas, das nie langweilig wird: Sonnenuntergänge
Mitte Februar stehen zwei Höhepunkte auf dem Programm: unsere Geburtstage. Zum ersten Mal können wir im Sommer feiern. Nur sieben Tage liegen zwischen uns. Farina ist die Ältere von uns beiden. Wir haben den 14.2. als unseren gemeinsamen Tag auserkoren, zufälligerweise eben auch der Valentinstag. Und tatsächlich wird dieser Tag etwas besonderes. Wir besteigen nach sechs Wochen endlich den Lions Head. Aus einem anfänglichen Spaziergang, bei dem wir einige Höhenmeter überqueren, wird eine sportliche Herausforderung. Es ist der Hausberg der Kapstädter und ein beliebter Ort für eine Klettertour im Morgengrauen oder bei Sonnenuntergang. Mit etwas Ehrfurcht kraxeln wir an Felsen, Leitern und Ketten hinauf.
Oben angekommen werden wir mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. Ein Dreihundertsechzig-Grad-Blick. Der majestätische Tafelberg erhebt sich vor uns. Ein gigantisches Gefühl. Ein Gefühl von Stolz löst die Erschöpfung ab. Ein magischer Moment. Da es heute bewölkt ist, steigen wir gemütlichen Schrittes hinab. Der Muskelkater wird sich am Folgetag bemerkbar machen. Einen der schönsten Sonnenuntergänge bestaunen wir ein paar Tage später an meinem Geburtstag. Unsere Freunde Larissa und Jens entführen uns auf eine Katamaran-Tour. Bei perfekten Bedingungen schippern wir über den Ozean vor Kapstadt bis die Sonne am Horizont verschwindet. Auf dem Weg zurück in den Hafen begleitet eine Delphin-Flotte unseren Segler. Ein toller Anblick.
Unser Lieblingsplatz: der Tafelberg
Es mag zwar etwas kitschig sein, doch unser Lieblingsplatz in Kapstadt ist der Tafelberg. Nach der ersten Fahrt mit der Seilbahn entscheiden wir uns zum Kauf von zwei Dauerkarten. Wir wollen einfach unabhängig sein und immer wieder hoch und runter fahren. Zu launisch sind die Wolken, die die Tafel häufig bedecken. Zu wunderschön ist der Ausblick von dort oben. Bei einer Tour, die wir zu Fuß von der Talstation absolvieren, fallen wir dem weißen Monstrum zum Opfer. Bei strahlendem Sonnenschein erklimmen wir den Berg Treppenstufe um Treppenstufe. Kurz bevor wir die Spitze erreichen, hören wir von anderen Wanderern, dass die Bahn aufgrund des Windes nicht in Betrieb ist. Uff! Wir sind platt. Was wir nicht erahnen können, sind die kalten Temperaturen auf dem Berg. Im Nebel irren wir auf dem Felsplateau herum. Von oben sehen wir das Meer und frieren dabei. An anderen Tagen fahren wir hoch, um der Hitze in der Stadt zu entgehen. Wir setzen uns dann an den Rand der Tafel und genießen die kühle Brise und Ruhe während wir auf die Stadt hinab schauen. Was für ein Weltwunder!
Herbst in Afrika
Etwas verwundert sind wir dann ab Mitte März über die durchaus spätsommerlichen Temperaturen. Der Herbst kündigt sich an. Zum Glück haben wir auch an längere Kleidungsstücke gedacht. Dennoch deckt sich Farina bei unserem Osterspaziergang auf dem Hout Bay Market mit einigen hübschen warmen Sachen ein. Wir wohnen mittlerweile in einem großen Haus mit Pool in Tamboerskloof ganz in der Nähe der Kloof Street. Wir sind am Ziel und genießen die letzten Wochen, bevor wir nach Deutschland heimkehren. Rückblickend ist es ein sehr geschäftiger Monat mit vielen freien Foto-Projekten und vielen Stunden in der Sonne. Zu uns in die Villa am Hügel haben sich noch andere Fotografen gesellt. Alle arbeiten viel und die Zeit verstreicht wie im Flug. Die Tage werden kürzer. Ende März steigen wir in den Flieger zurück nach Berlin. Wir sind verliebt in dieses Lebensgefühl der Stadt und werden wiederkommen – schon bald!
DIE FOTOGRAFEN: Farina Deutschmann + Hannes Thun. Wenn aus dem Spitznamen des Mannes der Firmenname entsteht, dann muss wohl Liebe im Spiel sein. Bei Farina und Hannes dreht sich alles um das Thema Hochzeit. Als Mister & Misses Do begleiten sie Brautpaare fotografisch – am liebsten überall auf der Welt. Obwohl beide im Februar geboren und vom Sternzeichen her Wassermann sind, lieben sie die Wüste, endlos weite Landschaften und natürlich das Meer. Die Miete bezahlen sie derzeit noch in Berlin, doch die meiste Zeit verbringen sie auf Reisen auf der Suche nach neuen Abenteuern und interessanten Menschen. Blog | Facebook | Instagram