Es ist spät am Abend, ich sitze an meinem Schreibtisch und esse kalte Ravioli. Ich sollte sie jetzt nicht essen, brüllt mein Kopf, weil Kohlenhydrate und Kalorien und keine Chance auf Bikinifigur. „Fick dich!“, antworte ich und stecke mir darauf eine ganze Ravioli in den Mund. Sie schmeckt so verdammt gut!
Szenenwechsel.
Wir sitzen gemeinsam in einem veganen Bio-Fairtrade-Öko-Café in Berlin-Wedding, haben uns die außergewöhnlichst klingenden Burritos, fritz-kola und viel zu salzige Cookies bestellt und reden. Darüber, dass wir uns erst vor ein paar Monaten kennengelernt haben, es sich aber anfühlt, als wären wir schon seit mindestens hundert Jahren befreundet. Darüber, dass wir uns so ähnlich sind, dass es fast gruselig ist. Aber auch mindestens genauso schön. Über unsere Reisen und all die dort gesammelten Erlebnisse, über das Alleinsein. Und darüber, dass wir so verdammt persönliche Texte schreiben, dass sie fast wehtun, wenn man sie auf eine Bühne trägt. Du verstehst mich. Ich verstehe dich.
Irgendwann reden wir über Männer. Natürlich. Über Erfahrungen, die wir beide gemacht haben. Die sich so schmerzlich ähnlich sind. Und die uns beide immer noch schmerzen. Über zu viele dieser Erfahrungen. Wir reden darüber, dass wir uns immer wieder verbogen haben, nur um irgendjemandem zu gefallen. Um dann gesagt zu bekommen, wir seien nicht gut genug. Wortwörtlich. Genau so. Darüber, dass wir nachts niemals Ravioli gegessen hätten, weil irgendjemand sagte, dass wir dünner geiler wären. Über Erwartungen und Anforderungen von Menschen, die sich diese gar nicht hätten erlauben dürfen, und über all die Dinge, die wir viel zu lange viel zu stark im Kopf verankert hatten.
Und dann reden wir darüber, wie es uns eigentlich gerade geht. Jetzt. In diesem Moment. Dass manches sich niemals ändert, anderes dafür aber schon. Dass wir langsam einfach lernen, uns selbst gern zu haben. Verdammt gern. Manchmal weniger, aber immer häufiger mehr. Dass wir vor dem Spiegel stehen und sagen können „Fick dich, Kopf, ich bin auch gut genug, wenn ich nachts das komplette Tiefkühlregal plündere!“ Dass wir plötzlich nein sagen können, wenn wir keinen Bock auf ja haben. Und dass da ganz schön viel Glücklichkeit in diesem Jahr liegt.
Und dann erzähle ich dir von ihm. Dass er irgendwie so anders ist, und dass genau das verdammt schön ist. Dass ich ihn gern habe und mir von Herzen wünsche, dass er bleibt. In meinem Leben. Dass ich mich plötzlich ganz und gar nicht mehr verbiegen muss. Du sagst mir, wie meine Augen strahlen und wie sehr du mir all das gönnst. Dass ich es verdient habe, glücklich zu sein. Ohne ihn. Aber eben auch mit ihm.
Ein paar Wochen später rufe ich dich an, meine Stimme überschlägt sich am Telefon und ich erzähle dir, dass es einfach passt. Und dass ich zum vielleicht ersten Mal keine Angst habe, dass es wehtun wird. Dass ich nicht zweifle. Und dann erzählst du mir von diesem Date. Mit diesem Typen, der dich ziemlich genauso schwärmen lässt. Du fragst mich, ob das Schicksal ist, doch ich habe absolut keine Ahnung. Aber genau das ist auch absolut nicht schlimm.
Wir schicken uns minutenlange Sprachnachrichten hin und her, lachen und kichern und fühlen uns wie in rosa Zuckerwatte eingepackt, so süß und kitschig und klebrig fühlt sich all das an. Aber eben auch verdammt schön. „Zu schön, um wahr zu sein“, sagst du irgendwann. Ich höre deine Nachricht zweimal, stolpere wieder über dieselbe Zeile. Zu schön, um wahr zu sein. Denke lange nach über diesen einen Satz, den ich mir selbst in den letzten Wochen viel zu häufig gedacht habe. Den mein Kopf immer wieder dann ruft, wenn ich bei ihm bin und er mich festhält.
Finde es ziemlich traurig, dass manche Erfahrungen uns an der Echtheit von Glück zweifeln lassen. Dass wir uns einzureden versuchen, dass es gar nicht so bleiben kann, nur damit es am Ende vielleicht weniger schmerzt, wenn es nicht funktioniert. Aber dieser Satz klingt falsch. Ich will ihn nicht hören und noch viel weniger will ich ihn denken. Sage dir, dass er nicht stimmt. Dass all das gerade wirklich passiert und somit überhaupt nicht zu schön sein kann. Und dass wir genau das vielleicht einfach mal fühlen dürfen.
Und vielleicht wird es irgendwann anders sein. Ganz bestimmt sogar. Natürlich werden wieder diese Tage kommen, an denen gefühlt alles schief läuft. An denen es Streit geben wir und Chaos und viel zu viele aufgewühlte Emotionen. Vielleicht kommen diese Tage in ein paar Wochen, vielleicht erst in ein paar Jahren. Wer weiß das schon. Und vielleicht tauchen wir gerade viel zu sehr ab in dieses kindisch-naive Gefühl von Verliebtheit, das wir beide schon eine ganze Weile nicht mehr gefühlt haben. Aber weißt du was? Das ist okay. Weil es jetzt gerade gut ist. Unglaublich gut. Aber eben doch wahr. Und das ist das, was zählt.
Ja, verdammt – wir dürfen glücklich sein! Also lass es uns einfach ausprobieren.
Headerfoto: Glückliches Pärchen auf der Straße via Shutterstock.com! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Danke Luisa, so fühl ich mich auch gerade und ich hoffe auch, dass das noch ganz lange hält!