Innerhalb weniger Wochen, kaum Monate, hast du mein Herz beschlagnahmt. Hast all mein Denken, mein Fühlen für dich beansprucht. Unbewusst. Ohne Anspruch zu erheben. Habe ich mich anfangs noch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, gebe ich mich dir jetzt nur allzu gern hin. Nur manchmal, in stillen Momenten, regt sich ein Widerstand in mir. Nicht laut, nicht allumfassend. Eher leise, bedächtig. Flüsternd, aber doch hörbar. Wenn Mauern bröckeln, kommt Angst zum Vorschein. Angst, dir nicht gerecht zu werden. Angst, mir nicht gerecht zu werden.
Schwer atmend liege ich neben dir. Langsam, nur schleichend, breitet sich die Müdigkeit in dir aus. Dein Atmen wird leiser, deine Brust – auf der mein Kopf ruht – hebt sich nur noch behutsam, kaum merklich. Während du dich dem Schlaf hingibst, lausche ich deinen Atemzügen. Dein Herzschlag pocht an deine Brust. Ich zähle mit, verpasse einen Herzschlag, zwei Herzschläge und komm nicht mehr hinterher. Zu laut sind die Gedanken, die meinen Kopf einnehmen. Kann nicht fassen, dass ich hier liege, in deinen Armen. Beschützt, bewacht. Deine Hand hält meine, solange bis du zu schwach bist und aus dem Streichen meiner Haut ein Bedecken meiner Haut wird. Ich rücke ein Stück näher an dich heran, vergrabe meinen Kopf tiefer in der Armbeuge, die wie für mich gemacht scheint. Ich hole tief Luft, versuche deinen Geruch zu speichern. Es gelingt nicht. Gelingt nie.
Während ich in deinen Armen liege, wehre ich mich gegen die Angst, die sich Stück für Stück ihren Weg bahnt. Von dem mulmigen Gefühl im Bauch, durch mein geschundenes Herz bis zu meinen Gedanken. Eine Angst, die ich kaum zu fassen bekomme. Doch dass sie da ist, ist nicht zu übersehen. Die unbestimmte Zeit, die für uns vorgesehen ist, rennt. Wir hetzen hinterher, gönnen uns keine Pause. Wollen jeden Atemzug, jeden Wimpernschlag des anderen wahrnehmen. Die Angst, etwas zu versäumen, nimmt von uns Besitz ein. Geschuldet ist das den letzten Monaten. Als du und ich noch allein schlafen gingen. Als jeder für sich selbst gekämpft hat. Als ich dich vermisst habe. Jeden Tag. Und mein Herz Stück für Stück an dich verloren ging. Ohne, dass du es bemerkt hättest. Die Tatsache, dass es dir auch so geht, immer schon ging, ist nur ein schwacher Trost.
Diese Wochen voller Schmerz, Zurückweisung und dem immer wehrenden Kampf des Selbstschutzes haben gezehrt. An unseren Herzen, unserem Selbst. Und nach wie vor, nach unzähligen Küssen, Beteuerungen und kleinen, kaum hörbaren Versprechen, jagt uns der Gedanke an diese Zeit einen Schauer über den Rücken. Bemerkst du das bedrohliche Kribbeln auf meiner Haut, wenn sich nach und nach die kleinen Härchen vor Furcht aufstellen, hauchst du deine Küsse auf meinen Körper. Und holst mich damit zurück. Zurück zu dir. Zurück zu uns. Jedes Mal wieder. „Lass dich fallen“, flüsterst du. Und ich lasse mich fallen. Immer wieder ein Stück mehr. Anfangs noch zaghaft, wusste ich nicht, ob du da sein wirst – wenn ich falle. Mittlerweile ohne Zweifel. Aber die Angst, die auch du mit dir herum trägst, die bleibt. Genauso wie du und ich. Versuche ich die Furcht zu orten, scheitere ich meist ziemlich schnell. Mal ist sie greifbar, mal unbestimmt. Präsent ist sie aber eigentlich immer. Bevor du an meiner Seite warst, habe ich selbst dafür gesorgt, mich nicht zu verlieren. In der Suche, dem Finden meiner selbst. Jetzt erliege ich mehr und mehr der Versuchung, zu glauben, angekommen zu sein. Und das jagt mir eine Heidenangst ein. Denn seit aus dem „ich“ ein „du und ich“ geworden ist, laufe ich nicht mehr nur Gefahr, mich zu verlieren, sondern uns. Dich. Und das ist fast schlimmer als nur auf mich Acht zu geben. Trotzdem, oder gerade deshalb, will ich mutig sein. Die Angst beiseite schieben, fallen ohne Absicherung. Nur um endgültig in deinen Armen zu landen. Ohne mich dabei selbst zu verlieren.
Headerfoto: Nicola Fioravanti via Unsplash.com (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!