Ich bin stumm. Tief in mir habe ich es immer gewusst – die Wahrheit ist auf mich zugerollt wie ein Tornado. Manchmal hat er sich in ein Lüftchen verwandelt, um dann in gewaltiger Geschwindigkeit anzukommen, um mich einzunehmen, um mich zu lähmen, um mir die Stille ins Herz und in meine Seele einzuflößen.
Vor fünf Monaten haben wir uns das letzte Mal gesehen, haben ein letztes Mal miteinander gesprochen, haben uns ein letztes Mal berührt und geküsst. Vor drei Wochen dann deine Mail in meinem Postfach. Diese Sorte von Mails, bei denen man schon vor dem Öffnen weiß, was einen erwartet und jede Zeile, die man anschließend liest, fühlt sich wie ein fester Schlag in die Magengegend an. Ich kenne das physische Gefühl nicht, stelle es mir aber genauso vor.
Was hatte ich erwartet? Nichts mehr.
So fühlt es sich also an, wenn man etwas wirklich Wertvolles verliert – eine Person, mit der man sich alles vorstellen konnte, was das Leben mit sich bringen kann. Du hast mir Schokoladenkuchen gebacken, mir meine vom Küssen rot schimmernde Nase mit Kokosnussöl eingerieben. Du hast mich gesehen, als ich geweint, gekotzt und geschrien habe. Wir haben im Bett geraucht, du hast mit mir fünf Folgen Shopping Queen am Stück geschaut. Für jemanden, der das Fernsehen hasst und so gut wie kein Deutsch spricht und es auch nur mittelmäßig gut versteht, waren das 300 Minuten Kompromiss. Vielleicht hätte ich viel öfter selbst einen Kompromiss eingehen müssen. Du hast im kalten schwedischen Winter ein Lagerfeuer für mich gemacht, mir auf der Gitarre vorgespielt, für mich gekocht und immerzu meine Hand gehalten. Wir haben Met getrunken und Knäckebrot gegessen. Es war das leckerste Knäckebrot, das ich je aß.
Mit dir haben sogar Tintenfische geschmeckt. Obwohl ich Tintenfische hasse. Mit dir zusammen hat einfach alles geschmeckt.
Du warst mir so nah, wie es niemand vorher war. Ich bin dankbar dafür und traurig zugleich. Du hast immer gefragt: Ist es Liebe oder Angst? Eine wirkliche Antwort auf deine Frage habe ich nie gefunden. Vielleicht wurde aus Liebe Angst.
Der treue Begleiter Egoschmerz ist bei dir abgesprungen. Es geht nicht um Egoschmerz. Es ist Liebeskummer. So fühlt sich das also an. Autsch!
Du bist weit weg, ob sie bei dir ist – geht’s mich was an? Sie spricht deine Sprache, ist jünger als du und so viel jünger als ich – und das mit dem Meditieren kann sie mit Sicherheit um Längen besser, als ich es je gekonnt habe. Ich, die allenfalls stets sehr bemüht war. Vielleicht eben einfach zu bemüht.
Manchmal zuckt es schon ein kleines bisschen in mir. Ein bisschen Ego bleibt eben immer. Und das tut weh.
Aber eben nur für Momente. Der Rest der Zeit geht fürs Drüber-hinweg-Kommen drauf.
Zum ersten Mal fühlt sich ein Abschied wie ein kleiner Tod an.
>>Ich hab ihn echt geliebt.<< Dieses tiefe Gefühl plumpst immer dann in mein Gedankenkaudawelsch, wenn ich alleine mit mir bin. Vor der Arbeit, nach der Arbeit, wenn ich bei der Arbeit unbeobachtet dein Facebook-Profil anklicke, obwohl ich genau weiß, dass ich dort sowieso nichts entdecken werde, weil wir nicht befreundet sind. Nicht mehr. Auf die Mail folgte die Stille – etwa eine viertel Stunde saß ich regungslos da. Nach der Stille kam die tiefe Traurigkeit und das Gefühl, die Kontrolle über das Jetzt zu verlieren. Dann – zwei Klicks später – Freundschaft beendet. Purer Selbstschutz!
Das erste Mal „Ich liebe dich“, das erste Mal „nackt sein ohne Scham“, „Essen mit Lust“, „Liebe ohne Grenzen.“ Das erste Mal sich alles mit dem anderen vorstellen können, das erste Mal Gefühlsausbruch ohne Fassade, das erste Mal echt sein ohne Angst. Ist es Liebe oder Angst?
Vielleicht hat mein Freund Moritz mit seiner Theorie recht, dass eine gesunde Portion Wut im Bauch hilft, den Liebesschmerzrotz erträglicher zu machen. So sehr ich mir manchmal in meinen Selbstgesprächen „Wichser“ oder „Arschloch“ abringe, so wenig glaubhaft komme ich mir dabei vor. Und am Ende stehe ich da – weinend und innerlich dankbar dafür, dass ich so viel Schönes mit dir erleben durfte.
Du hast mich weich gemacht.
>>Du bist schön, von innen und von außen.<< Immer wieder sagten wir uns diesen Satz, in einer der vielen Nächte, die wir in Stockholm oder Berlin miteinander verbrachten. Meist passte zwischen unsere Gesichter kein Blatt Papier. Ja, das bist du: ein heldenhaft schöner Mensch – von innen und außen.
Ich betäube mich mit Pilates, Yoga und spreche Mantras – wirklich anschlagen wird wahrscheinlich nur die Zeit, die ins Land fließen muss – Bla Bla. Eine Floskel noch und ich schlag zu. Liebeskummer macht traurig und aggressiv. Eine fiese Mischung. Und trotzdem bleibt da diese tiefe Dankbarkeit, dieses tief versöhnliche Gefühl, auf das, was gewesen ist, weil es einfach so, so schön war. Mit dir. Und ich bin tief dankbar für die Zeit, die wir uns im Sommer noch einmal füreinander genommen haben. Vielleicht sollte das mit uns so enden, wie es angefangen hat. Vielleicht stimmt es wirklich – vielleicht hatte ich gehofft, dass du mich rettest.
Tack för kärlek vacker svensk man!
Headerfoto: Milan Popovic via Unsplash.com (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!