Man fragt sich, was mit den Leuten los ist. Eh schon, wenn man Menschen im Theater mit Northface-Jacken sieht. Aber es ist ja alles noch viel irrer. Und irgendwann ist das Irre glamourös geworden. Ich bin für einen offenen Umgang mit psychischen Krankheiten. Ob jemand nun Diabetes oder Depression oder beides hat, ist mir erst einmal egal. Beides sind Krankheiten. Aber Krankheiten sind für mich erst mal nichts, was Menschen irgendwie besonders macht. Wenn mir jemand sagt „Alter, ich habe Magendarminfekt, vorher richtig heftig gekotzt, jetzt geht’s mir besser“, ist es auch irgendwie in Ordnung, ehrlichen Ekel zu zeigen. Ersetzt man in dem gleichen Satz das Wort Magendarminfekt mit Bulimie, fühle ich irgendwie dazu genötigt, völlig ergriffen zu sein. Irgendwann in letzter Zeit hat sich die Depression und ihre Gefährten sogar als beliebtes Smalltalkthema durchgesetzt. Folgendes ist wirklich passiert:
A.: „Daniel, das ist Ronja. Die war auch mal in Therapie, ihr versteht euch bestimmt super!“
Daniel: „Oh, krass. Ich find Mädchen mit Depressionen irgendwie scharf. Die haben so was dunkles.“
Wenn der Junge auf die dunkle Seite abfährt, hat er ja Glück gehabt, er selbst ist zumindest nicht besonders helle.
Dass sich die Depression irgendwann als etwas Glamouröses durchsetzte, hat sicherlich mit ihren berühmten Betroffenen zu tun. Wer depressiv ist, steht in einer Reihe mit Picasso, Shakespeare, Kierkegaard. Und natürlich kann man sich fragen: Welcher vernünftige Mensch ist nicht von Grund auf unglücklich? Aber es gibt eine feine Linie zwischen aufrichtigem Unglücklich-Sein und einer Depression.
Wer traurig ist, hat im Idealfall sogar einen Grund. Man kann traurig sein, weil es beim Penny scheußlichen Drehtabak gibt oder weil in Deutschland Menschen studieren dürfen, die gerne Silbermond hören. Ich bin besonders gern traurig, über Dinge die ich nicht habe: Ein altes Saab Cabrio etwa oder eine Perspektive im Leben.
Depression aber ist eine Krankheit. Hat nichts mit Traurigkeit zu tun. Tritt oft willkürlich ein und nicht, weil man tiefsinnige Gedanken hat. Depression kann auch ziemlich dumme Leute treffen. Und ich will den Typen sehen, der darauf abfährt, wenn ich ungeduscht mit fettigen Haaren auf meinem Bett sitze, kalten Curry King aus der Packung esse, mich nicht bewege und einsilbig antworte, weil jedes Wort enorme Anstrengung kostet. Depression, Bulimie, Panikattacken, Burn Out und haste-nicht-gesehen sind keine Auszeichnung künstlerischen Darbens, sind nicht romantisch, sondern ein Abfuck vor dem Herren. Ganz genau wie Magendarminfekte. Oder Northface-Jacken.
Headerfoto: Margot Gabel via Creative Commons Lizenz!
Aus dem tief einer anhaltenden Depression heraus…ja, es ist eine Krankheit mit deutlichen körperlichen Symptomen für mich und manches mal wuerde ich mir gerne einen dickes band um den Kopf wickeln, um zu zeigen, dass ich nicht gesund bin…ein ständiger kampf um das Verständnis dieser scheinbar so offenen welt und Gesellschaft!
Es ist nicht schick eine depression zu haben und ich bin a.len dankbar, die so offen damit umgehen!
passt. passt einfach nur.
und hut ab, wer die dinge mit 22 so klar sehen, der hat noch was vor sich.
schreib weiter.
Wer unter Depressionen leidet , tut dies auch nicht ohne Grund. Sie sind (oft) unverarbeitete Themen , die früher oder später an der Tür klopfen und auch Ausdruck in der Kunst , Musik oder anderweitig finden können. Und diese Art sich auszudrücken ist erstmal besser und auch gesünder. Natürlich ist der Depressive erstmal zu nichts zu gebrauchen , wenn man in Kategorien wie Erfolg oder nicht erfolgreich denkt. Aber das wird den meisten Menschen , die wirklich darunter leiden , nicht gerecht. Denn , ein depressiver Mensch möchte in seiner Not verstanden werden und nicht verurteilt werden für seine vermeintliche Krankheit. Manchen depressiven Menschen nehme ich es auch gar nicht übel , das sie so sind , wie sie sind , wenn man sich mal unsere aktuelle Verwertungsgesellschaft anschaut. Manche haben halt nicht so ein hartes Fell.;)
robert olmstead hat mal in seinem wundervollen Buch „Spuren von Herblut, wohin wir auch gehen“ geschrieben:“ die Leute tun so als wäre traurigsein immer schlecht, eine Krankheit, etwas das man bekämpfen müsse. Ich sage, fuck off, ich bin gern traurig.“
Ich hatte einen Freund, der war jahrelang aufgrund seiner Depressionen in Behandlung. Irgendwann meinte er dann, ich vermisse häufig die Einsamkeit der damaligen Zeit.
wer ist denn das aufm Foto? Sieht aus wie Bukowskis kleene Schwester