Wir sind nicht alleine! – Warum es gut sein kann, offen über seine Therapie zu sprechen

Als mir zum ersten Mal Antidepressiva verschrieben wurden, war ich gerade achtzehn Jahre alt. Ich erinnere mich nicht daran, dass der Arzt sie in dieser Deutlichkeit beim Namen nannte, aber nach ein paar Tagen der Einnahme ging mir damals ein Licht auf und ich verstand, der Neurologe schloss aus meinen Erzählungen von Panik, Dauerkopfschmerzen und einer mich begleitenden Unruhe auf eine psychische Überlastung.

Da meine Ängste und Schmerzen verschwanden, musste ich ihm Recht geben. Zu einer Therapie riet er mir damals dennoch nicht und nachdem die Packung leer war, holte ich mir auch keine weitere. Zu groß das Stigma. Zu groß meine Unwissenheit.

Erst Jahre nach dieser Erfahrung musste ich erneut auf diese Form der Hilfe zurückgreifen. Wieder Ängste, wieder Panik, wieder diese Unruhe in mir, die mich nachts wachhielt und tagsüber dafür sorgte, dass ich nicht stillsitzen konnte. Diesmal schickte mich mein Arzt jedoch direkt weiter in eine therapeutische Einrichtung und ermöglichte mir so herauszufinden, was die Ursache all meiner Beschwerden war.

Lasst uns offener mit unserer psychischen Verfassung umgehen

Mit der Forschung nach Ursachen beginnt jedoch oft der steinige Weg in ein vielleicht bis ins Unterbewusstsein vergrabene Dickicht. Dahin, wo wir unseren Ballast nicht immer ohne Grund haben unter Verschluss gehalten und einige von uns mittels Verdrängung und guter Ablenkungsstrategien eigentlich nur eines wollten: Ruhe.

Ruhe vor den Dämonen der Kindheit oder Jugend, Ruhe vor einer Welt, die nicht unsere sein sollte. Wir wünschten uns Erfahrungen weg, manchmal so sehr, dass uns die Idee kam, mit dem Kopf gegen eine Wand zu schlagen, um die Amnesie vollenden zu lassen, was die Verdrängung nicht bewerkstelligte.

Ich fand in der Therapie nicht immer, was ich finden wollte und mitunter fühlte es sich an wie das Pulen an einer Wunde.

Wir wünschten uns in ein anderes Leben hinein, eines was wir aus Märchenbüchern kannten und aus Filmen oder Erzählungen unserer Freund:innen. Wir sehnten uns danach, später einmal völlig unbeschadet eigene Wege zu gehen und scheiterten auf so vielen Ebenen bei dem Versuch.

Alles in allem war mein Weg in eine Therapie also vorhersehbar und letztlich auch meine Lösung. Ich fand in der Therapie nicht immer, was ich finden wollte, und mitunter fühlte es sich an wie das Pulen an einer Wunde, die sowieso nur sehr langsam heilte, aber die Stunden gaben mir die Möglichkeit, mich in Unterstützung mit einer neutralen und sensiblen Person zu sortieren.

Nebenbei nahm ich meine Tabletten, dankte meinem Körper für wenige Nebenwirkungen und unserem Gesundheitssystem für die Möglichkeit, überhaupt so gut versorgt werden zu können. Ich schämte mich auch nicht mehr dafür und begann anderen von meiner Therapie zu erzählen. Ich erfreute mich an der Erkenntnis, dass Vertrauen manchmal Gegenvertrauen einbringt, wenn mir Freund:innen oder Fremde ebenfalls von ihrem Weg berichteten.

Ich begann anderen von meiner Therapie zu erzählen. Ich erfreute mich an der Erkenntnis, dass Vertrauen manchmal Gegenvertrauen einbringt.

Als ich mit achtzehn zum ersten Mal ein Antidepressivum verschrieben bekam, wusste ich nichts um seine Bedeutung, meine Probleme und all die mir zur Verfügung stehenden Mittel. Ich war einfach nur froh, dass ich nachts wieder schlafen und tagsüber ohne Schmerzen geradestehen konnte.

Heute weiß ich, wie wichtig es ist, sich Hilfe zu suchen, Unterstützung einzufordern und Möglichkeiten auszuschöpfen und ich würde es nie mehr anders machen und nie mehr verschweigen.

Wenn du oder jemand in deinem Umfeld dringend Hilfe braucht, erreicht ihr unter 0800-1110111 jederzeit die Telefonseelsorge und unter 116-111 das Kinder- und Jugendtelefon. Hier gelangt ihr zu einem Artikel mit Hilfestellen für 16 häufige Probleme. Bei Freunde fürs Leben könnt ihr euch über Depression und Suizidalität informieren und unter Therapie.de findet ihr psychologische Psychotherapeut:innen in eurer Nähe.

Headerfoto: Elia Pellegrini via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

Laurine Lauretta, ein Perpetuum Mobile. Zwischen alleinerziehender Mutterschaft, pädagogischer Arbeit und Frausein, bleibt noch genug Zeit sich viele Gedanken um die Liebe, das Leben und allerlei Unsinn zu machen. Hier in Wort und Text.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.