Das liebe Geld. Hachja. Nicht selten kommt der Wunsch auf, easy ein paar Dinge von der Amazon-Wishlist – einfach so – geschickt zu bekommen, 10, 20, 30 oder auch 40 Euro mehr im Täschlein zu haben oder auch einfach eine neue, aufregende Erfahrung zu machen. Im Internet, mit Sexarbeit.
Ich selbst habe auch schon Männern beim Wichsen zugeschaut und dafür 100 Euro abgesahnt – großes Dankeschön!
Ich selbst habe auch schon Männern beim Wichsen zugeschaut und dafür 100 Euro abgesahnt – großes Dankeschön! – die habe ich im letzten Urlaub gleich in Restaurantbesuche und neue Schuhe investiert. Ob das leicht verdientes Geld war, bei dem ich gleichzeitig das Gefühl bekam, einen Mann nicht einfach um 100 Euro zu „erleichtern“? – Für mich schon.
Für meine Interviewpartnerin Ivy ebenfalls – für andere hört sich das nicht danach an; ich sehe vor meinem inneren Auge einige entgeisterte Gesichter und ein unausgesprochenes „Nee, Du.“
Ist nicht für jeden was, aber hey, ich kann Euch trotzdem was davon erzählen: von Erotik und Arbeit, von Wichse und Webcams. Denn wer es entweder austesten mag oder nur darüber lesen möchte, ist hier schon einigermaßen-über-die-Maßen (keine Garantie für nichts, natürlich) richtig.
Webcamgirls – wo, wann und wie
Um nicht nur aus meinem geringen Erfahrungsschatz heraus zu sprechen, treffe ich Ivy. Sie ist 22, holt gerade ihr Abi nach und arbeitet als Erzieherin und nebenher als sexy Camgirl. Sie macht damit so 100 Euro pro Woche, wenn sie drauf Bock hat. Mit 14 war ihr Traumjob Stripperin, mit 18 hat sie über Instagram ab und an mit Nacktbildern und sexy Texten ein bisschen Kohle nebenher eingesteckt.
Vor kurzem kam sie wieder auf den Geschmack zu „camen“, um sich ein oder zwei schöne Sachen außer der Reihe zu gönnen – zum Beispiel für ihre Selfcare, ein paar schöne Bücher oder mal was Schönes zum Anziehen. Daher hat sie sich wieder auf einer der einschlägigen Seiten angemeldet, die als Vermittler zwischen Anbieter*innen und Nachfragenden fungiert. Da sitzen wir also auf ihrem Balkon, bei Eiskaffee und Kippen, Blick in den Hinterhof.
Er bot ihr 25 Euro, wenn er ihr dabei zusehen dürfe, wie sie eine Luftmatratze aufbläst.
Irgendwann beim Thema angekommen, lacht Ivy beim Gedanken an ihren letzten Kunden vor der Cam, denn der war schon bemerkenswert. Er bot ihr 25 Euro dafür, dass er ihr beim Aufblasen einer Luftmatratze zusehen durfte. Eigentlich ganz witzig oder?
„Ich lerne immer wieder neue Fetische kennen – und diesen kannte ich zum Beispiel noch nicht“, grinst sie. Die üblichen Sessions gehen fünf bis zehn Minuten. Sie nimmt humane ein oder zwei Euro pro Minute und bekommt diese via PayPal oder als Amazon-Gutschein ausbezahlt.
„Die meisten meiner ‚Freier*innen‘ sind um die 20-30, also so alt wie ich. Viele davon Studierende, denen will ich das Geld nicht aus der Tasche ziehen. Außer natürlich: Sie stehen drauf …“, erzählt sie mir.
Vorsichtsmaßnahmen
Um regelmäßig zu verdienen, muss man sein Profil auf den Seiten pflegen und nach Möglichkeit auch oft online (und damit verfügbar) sein. Ivy speist ihr Profil mit Instagram-Fotos – wer die Richtlinien bei Facebook, Insta und Co. kennt, weiß also: keine Nippel, keine nackten Hintern – sie zeigt nur soviel, wie nötig, um potenzielle Online-Freier*innen neugierig zu machen.
Ab und an verkauft sie über ein zweites Portal getragene Wäsche oder Söckchen. Die Wandersocken des letzten Österreichurlaubs standen hoch im Kurs, am Ende gingen sie an einen ihrer lieben Stammkunden.
Risikopotenzial? Ich zeige mich nur vor einer weißen Wand, gebe keine Ortsangabe preis, maskiere mich ein wenig mit einer Perücke.
Aber was ist mit dem Risikopotenzial? Man sieht Ivys Gesicht, ihr Zimmer. „Ich passe schon auf: Ich zeige mich nur vor einer weißen Wand, gebe keine Ortsangabe preis, maskiere mich ein wenig mit einer Perücke. Und wenn ich Socken oder Slips verschicke, schreibe ich natürlich keinen Absender auf den Umschlag.“
Stigma Sexwork?
Okay, und was ist, wenn jemand Screenshots macht und diese öffentlich verteilt? Stichwort Stigmatisierung und so. Nicht alle sehen das mit der Sexarbeit, der käuflichen Nähe (auch wenn diese durch die Webcam geht) so locker. Sexarbeit hat in Teilen der Bevölkerung weiterhin einen schlechten Ruf, ist anrüchig, tabuisiert und nicht selten werden die Worte „Zwang“ und „Gewalt“ schnell in die Debatte mit eingeworfen.
Ich mache das freiwillig und stehe in meinem wahren Leben auch hinter meinem Nebenverdienst.
„Ich mache das freiwillig und stehe in meinem wahren Leben auch hinter meinem Nebenverdienst. Ich bin Dienstleisterin, nur arbeite ich eben nicht im Call Center und nehme Beschwerden entgegen. Ich mache was anderes. Und ich identifiziere mich mit dem Hashtag #SexarbeitistArbeit, den ich übrigens auch immer wieder öffentlich teile. Also: Wer Screenshots macht, soll es machen. Vorgekommen ist es bisher aber nicht.“
„Und Familie, Freunde, der Liebste oder die Liebste? Was sagen die dazu?“, frage ich weiter. „Meine Eltern wissen davon nichts. Mit denen habe ich keinen Kontakt, aber das ist eine andere Geschichte. Meiner Stiefschwester habe ich davon erzählt und bekam überraschend eine positive Reaktion. Sie hat sich einfach gefreut, dass ich mit ihr so offen spreche und ihr davon erzähle, kein Mysterium daraus mache, sondern sage, was ich da vor der Cam mache und was nicht.“
Alles fein also. Natürlich ist dieser Nebenjob nicht für jede*n was, aber welcher Job ist das schon? Wichtig, um ruhig schlafen zu können, ist ein gewisses Maß an Vorsicht, Medienkompetenz und ein wenig Lust an Rollenspielen.
Wichtig, um ruhig schlafen zu können, ist ein gewisses Maß an Vorsicht, Medienkompetenz und ein wenig Lust an Rollenspielen.
„Meine Grenzen werden kaum berührt. Und wenn, dann beende ich den Chat – so einfach ist das. Ich lebe mich vor der Kamera nicht sexuell aus, wie man das jetzt annehmen könnte. Ich bin selten so richtig geil. Ich spiele diese Rolle für mein Gegenüber und, soweit mir das bekannt ist, mache ich das ganz gut“, sagt sie und ergänzt: „Das Wichtigste ist, eine gute Seite zu finden, die seriös ist und den Anbieter*innen Sicherheit bietet. Das gilt online wie offline.“
Ivys Bericht deckt sich in fast allen Punkten mit meiner Erfahrung. Nur dass ich noch nicht für das Aufblasen einer Luftmatratze bezahlt wurde – schade eigentlich.
Mein Arbeits Einkommen beträgt im Monat 120 € Geld zusätzlich wäre schon gut
Hmmm, schwierig. Das Thema Sex Arbeit ist eines, was bei mir selbst sehr polarisiert. Aber hier wird es mir wirklich zu locker-flockig und unkritisch beschrieben. Ich vermisse eine Gegenstimmen. Denn sollte es bei den beiden wirklich so rosig zugehen… Immer ist das garantiert nicht so.