In einem meiner letzten Texte habe ich darüber geschrieben, dass wir defizitäre Zustände nur ändern können, indem wir von uns aus immer wieder darüber sprechen, warum sie schlecht sind, warum sie benachteiligen, warum sie verbessert werden müssen.
Auch wenn Menschen es anstrengend, nervig, ungewohnt, unangenehm finden, müssen wir den Finger in die Wunde legen, wir müssen „übertreiben“ und mehr tun als der Durchschnitt. Wer Veränderung, Revolutionen, wer Wandel will, muss mehr tun als die Majorität der Menschen dafür tut, den Status quo – wenn auch oft unbewusst – zu erhalten.
Ich bezeichne mich selbst als Feministin
Ich persönlich habe in den letzten – sagen wir mal – zwei Jahren für mich herausgefunden, dass Feminismus das Thema ist, zu dem ich mich positionieren und engagieren möchte. Eng verwandt damit sind auch die Themen Sexismus und Misogynie – wobei ich offensichtlich gegen beides bin.
Seit diesem Jahr bezeichne ich mich selbst als „Feministin“. Diesen Begriff als Teil der eigenen Identität zu begreifen, scheint für viele Menschen problematisch zu sein. Warum scheuen sich Menschen, sich selbst als Feminist:in zu bezeichnen – obwohl sie sich damit grundsätzlich erst mal nur zum Anliegen „für Chancengleichheit, Gleichberechtigung & gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung“ positionieren würden? Eigentlich sollten wir dieses Anliegen alle unterstützen, wenn wir kein Arsch sein möchten, oder?
Warum scheuen sich Menschen, sich selbst als Feminist:in zu bezeichnen – obwohl sie sich damit grundsätzlich erst mal nur zum Anliegen „für Chancengleichheit, Gleichberechtigung & gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung“ positionieren würden?
Tatsache ist: nur 28 % der deutschen Frauen bezeichnen sich als Feministin, bei den Männern ist es nicht mal jeder fünfte, der sich Feminist nennt. Deutschland landet im Vergleich mit 27 anderen Ländern auf dem viertletzten Platz.
Aus meiner Sicht könnte das unter anderem daran liegen, dass der Begriff Feminist:in heute noch immer durch seine historische Entstehung mit eher militanten, radikalen Feminist:innen verbunden wird und dadurch negativ konnotiert ist.
Im Feminismus geht es weder um Männerhass (Misandrie), noch um die Errichtung eines Matriarchats, noch darum, sich aus Protest nicht mehr die Achselhaare zu rasieren. Alles Dinge, die vor allem von Feminismus-Gegner:innen gerne kolportiert werden.
Was ist eigentlich Feminismus?
Die Meinungen zu einer einheitlichen Definition gehen auseinander. So sagt z. B. der Duden: „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt“.
Bell Hooks, eine zeitgenössische Feministin fasst Feminismus wie folgt zusammen: „Einfach ausgedrückt ist [er] eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung abschaffen will.“
Für mich bedeutet Feminismus, sich dafür einzusetzen, dass Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Menschen entstehen.
Für die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie ist eine Person, die feministisch ist, „jemand, der/die an die soziale, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter glaubt“.
Für mich bedeutet Feminismus, sich dafür einzusetzen, dass Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Menschen entstehen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Sexualität, und dass geschlechtsspezifische Diskriminierung verschwindet. Da vornehmlich (Trans-)Frauen strukturell benachteiligt werden, muss sich Feminismus vor allem für deren Gleichberechtigung einsetzen.
Welche Arten von Feminismus gibt es?
Den Feminismus, den ich oben benenne, gibt es in dieser Form eigentlich nicht. Wie bei jeder Bewegung bilden sich auch hier unterschiedliche Strömungen und auch wenn es auf einem undifferenzierten Niveau so wirkt, als wollten alle Feminist:innen dasselbe, ist dem nicht so. Manche Motivationen stehen nahe zusammen, andere widersprechen sich grundsätzlich. So gibt es z. B. folgende Ausprägungen, was diese bedeuten könnt ihr auf Watson.ch und bei Wikipedia nachlesen.
Mainstream-Feminismus, Radikaler Feminismus, Gleichheits-Feminismus, Differenz-Feminismus, Sozialistischer Feminismus, Öko-Feminismus, Spiritueller Feminismus, Queer-Feminismus, Sexpositiver Feminismus, Black-Feminismus, Intersektionaler Feminismus, Femonationalismus, Anarcha-Feminismus
Der Feminismus, dem ich mich zuordnen würde, bestünde übrigens aus Ansichten des Mainstream- und des Intersektionalen Feminismus.
Wenn ich einen Mann zu einem (sexualisierten) Objekt mache, ist das dann nicht auch Sexismus?
Nein. Genauso wie es keinen Rassismus gegen weiße Menschen gibt, gibt es keinen Sexismus gegenüber Männern. Er bezieht sich auf gesellschaftlich erwartete geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype), wobei Männer im Patriarchat grundsätzlich eine privilegierte Position haben und deshalb primär Frauen als von Sexismus betroffen gelten.
Sexismus spiegelt ein gesellschaftliches Machtverhältnis wider, seine Erscheinungsformen sind zeitlich und kulturell verschieden und determiniert. Lediglich aus sozialpsychologischer Perspektive können Männer individuell (nicht strukturell!) von Sexismus betroffen sein.
Headerfoto: Sinitta Leunen via Unsplash.