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Schon mal von einem feuchten Traum aufgewacht, in dem du Sex mit einer Person hattest, die du im echten Leben mit keiner Faser deines Körpers leiden kannst? Ich auch. Deshalb habe ich unsere Leserinnen nach ihren unangenehmsten Sexträumen gefragt und habe ihre Geschichten an eine Therapeutin weitergeleitet und sie um Interpretationsansätze gebeten – inklusive eines meiner absurdesten Sexträume.
Bevor wir jedoch den nächsten Schritt gehen, möchte ich – auch auf Rat der befragten Therapeutin Dr. Hilda Burke – ganz deutlich darauf hinweisen, dass es in der Traum- und Schlafforschung noch sehr viel zu erkunden gibt. Es gibt in der Untersuchung von Träumen sogar zwei wissenschaftliche Lager.
Auf der einen Seite befinden sich jene, die meinen, dass Träume eine willkürliche Aneinanderreihung bloßer Bilder und Momente sind, die das Hirn uns während der Ruhezeit hinklatscht. Dass der Tiefschlaf auf einer „Ebbe und Flut“-ähnlichen Übertragung von Neurotransmittern basiert und dass Träume so ganz einfach der simpelste und deshalb oft brachialste Weg sind, das Geschehene ohne bestimmte Reihenfolge oder Relevanz zu verarbeiten.
Es gibt Menschen wie Dr. Burke, die das Gehirn als eine Art Schaltzentrale unseres Unterbewusstseins betrachten.
Auf der anderen Seite gibt es Menschen wie Dr. Burke, die das Gehirn als eine Art Schaltzentrale unseres Unterbewusstseins und den Inhalt unserer Träume als interpretierbar betrachten.
Dr. Burke erklärt uns ihre Deutungsmethode anhand des Freudschen Drei-Instanzen-Strukturmodells und erklärt: „Während wir wach sind, dominiert uns das Es, das uns sagt, ‚ich habe Hunger‘, ‚ich will Sex‘, ‚ich brauche Ruhe‘, ‚mir ist kalt‘ – es ist etwas Animalisches. Dann gibt es das Ich, bei dem wir über uns selbst reflektieren und denken, ‚ich bin witzig‘ oder ‚ich habe schwarzen Humor‘. Und dann gibt es noch das Über-Ich, das uns sagt, ‚ich sollte‘. Doch unter all diesen Layern liegt das Unterbewusstsein, das im Schlaf hervortritt. Die unterdrückten Gedanken und versteckten Begierden.“
Das, so betont Dr. Burke, heißt noch längst nicht, dass wirklich jeder Traum eine tiefer liegende Bedeutung hat. Das Hirn verarbeitet schließlich auch völlig irrelevante Informationen in Träumen. Nicht jeder davon muss also gleich etwas über ein unterdrücktes Verlangen aussagen.
Los geht’s mit der Traumdeutung.
Sex mit der falschen Person
„Ich träume häufig davon, Sex mit Menschen zu haben, die ich im echten Leben nicht leiden kann. Wenn es sich zum Beispiel um Kollegen handelt, kann ich ihnen danach bei der Arbeit kaum in die Augen sehen!“
Ob es sich um deinen Boss, deinen Kollegen, den Creep von der Bushaltestelle oder jemand anderen handelt: Von Sex mit einer Person, die du nicht magst, zu träumen, ist im Gegensatz zu vielen anderen Träumen auffällig.
„Wenn die träumende Person mein*e Patient*in wäre, würde ich fragen, was die Person, von der sie träumt, denn darstellt“, erläutert Burke. „Es kann beispielsweise sein, dass man an der Person, mit der man im Traum unerwartet Sex hat, Charakterzüge bewundert, die man sich selbst wünscht.“
Man kann das Gewicht eines Traums an der Emotion messen, die man unmittelbar nach dem Aufwachen hat.
Entwarnung also: Du hast nicht insgeheim etwas für deine anstrengende Kollegin übrig, du bewunderst klammheimlich einfach ihre dominante Ader, mit der sie ihre Forderungen aussagekräftig durchsetzt.
„Man kann das Gewicht eines solchen Traums an der Emotion messen, die man unmittelbar nach dem Aufwachen hat“, ergänz Dr. Burke. „Wenn du aufwachst und das Bild schnell wieder abschütteln und darüber lachen kannst, ist alles in Ordnung. Wenn es dich allerdings berührt und deinen Schlaf grundlegend stört, weil du angewidert oder schockiert oder wirklich stark überrascht bist, dann könnte hinter der Beziehung zwischen dir und der Person, von der du geträumt hast, womöglich mehr stecken und dem solltest du auf den Grund gehen.“
Sex mit den Eltern
„Ich träume gelegentlich, dass ich Sex habe, und wenn ich meinem Gegenüber im Traum ins Gesicht schaue, sind es plötzlich meine Eltern. Ich habe Angst vor der Bedeutung.“
Diese Art von Traum ist für viele besonders erschreckend und verdient deshalb eine eigene Kategorie.
„Tabus wie dieses sind besonders interessant. Träume lösen sich vollständig von dem Teil im Gehirn los, der uns im Alltag vorschreibt, was wir tun oder nicht tun sollten“, erklärt Dr. Burke. „Im Schlaf verlieren wir diese Hemmschwellen und was dabei herauskommt, ist wirklich spannend. Es sind starke Bilder, die das Gehirn da hervorruft. Vielleicht möchte es deine Aufmerksamkeit auf etwas umlenken: Hast du eine enge Beziehung zu deinen Eltern? Oder ist die Beziehung eher distanziert? Womöglich sogar gestört? Sehnst du dich nach einer engeren Bindung? Dein Hirn bricht solche Impulse unter Umständen herunter und verarbeitet sie in der gröbst möglichen Art.“
Träume lösen sich vollständig von dem Teil im Gehirn los, der uns im Alltag vorschreibt, was wir tun oder nicht tun sollten.
Unangenehm, ja, aber Burke betont, dass ein solcher Traum auf etwas Unterdrücktes hinweisen kann. „Man sollte sich den Traum als Ganzes ansehen und auch Details betrachten. Vielleicht sagt auch der Zeitpunkt, zu dem du etwas geträumt hast, etwas über den Kontext aus? Vielleicht hast du an genau diesem Tag deine Eltern nach längerer Zeit wiedergesehen? Es kann wirklich so einfach sein.“
Sexuelle Gewalt
„Manchmal träume ich davon, dass ich zufällig einen sexuellen Übergriff beobachte, aber nichts tue. Es ist schrecklich.“
„Im schlimmsten Traum, den ich je hatte, habe ich mit einer Person gegen ihren Willen Sex gehabt. Das war wirklich schlimm. Ich konnte auch kein Gesicht sehen und bin schließlich mit einem unglaublichen Schamgefühl aufgewacht.“
Wie bei den vorangegangenen Beispielen heißt der Traum von sexueller Gewalt nicht, dass du dich danach sehnst oder sie unbedingt selbst erleben willst. Der Traum sagt ganz und gar nicht aus, dass du in Wirklichkeit einfach still dabei zusehen würdest, wenn jemand in deiner Gegenwart vergewaltigt würde.
„Sexuelle Gewalt zu beobachten und nichts tun zu können, klingt wie ein klassischer Angsttraum“, betont Burke. „Du möchtest einschreiten, aber kannst nicht, fühlst dich gelähmt. Ein bisschen so verläuft auch ein anderer Klassiker: Du willst vor irgendetwas wegrennen, kannst dich aber schier nicht bewegen.“
Ein Traum, der davon handelt, Machtverhältnisse wieder ins Gleichgewicht zu bringen, spielt sich oft so ab, dass die Strukturen andersherum gezeigt werden.
Der sexuelle Aggressor zu sein, klingt schrecklich, aber noch einmal: Das bedeutet keinesfalls, dass du das wirklich machen würdest oder es dir auch nur unterbewusst wünschst. Wahrscheinlich geht es dabei eher auch um ein gewisses Kontrollvermögen, ergänzt Burke. „Die Rolle des Aggressoren einzunehmen, könnte ein Machtspiel bedeuten. Vielleicht fehlt dir die Kontrolle und du willst sie dir zurückholen, vielleicht bist du aber auch schon längst in einer Machtposition.“
„Hast du beispielsweise das Gefühl, bei der Arbeit gehört zu werden oder eher nicht? Fühlst du dich in irgendeinem Bereich deines Lebens eingeengt oder unterdrückt? Ein Traum, der davon handelt, Machtverhältnisse wieder ins gewünschte Gleichgewicht zu bringen, spielt sich oft so ab, dass die Strukturen im Traum genau andersherum gezeigt werden. Der Traum, so hart der Inhalt auch ist, will dir unter Umständen sagen ‚Schau her, du schaffst das! Du kannst die Kontrolle wieder übernehmen!‘“
Selbstbefriedigung
„Ich träume manchmal davon, dass ich masturbieren will, aber nicht kann. Dann wache ich frustriert auf.“
Ob du zum Höhepunkt kommst oder nicht oder nur halb – dieser Traum ist wirklich gängig und sagt vor allem darüber etwas aus, wie du es mit der Selbstbefriedigung allgemein hältst.
Wenn der Traum jedoch für mehr Aufruhr sorgt, könnte das etwas mit der Einstellung zu Sex zu tun haben.
„Solche Träume greifen in der Regel auf das echte Leben zurück“, sagt Burke. „Viele Menschen halten Masturbation noch immer für etwas Schmutziges. Wenn du im Traum sexuelle Befriedigung erfährst, im echten Leben aber nicht, gibt es immerhin kein körperliches Problem. Meist hat die Person selbst eine Barriere oder ein Problem mit der eigenen Sexualität, das sie davor zurückhält, diese nicht ganzheitlich auszuleben. Wenn der Traum jedoch für mehr Aufruhr sorgt, könnte das etwas Grundlegendes mit der Einstellung zum Sex gegenüber der Selbstbefriedigung zu tun haben.“
Sex mit Tieren
„Letzte Nacht habe ich geträumt, dass ich einen Fuchs gevögelt habe – was heißt das?“
Jetzt bin ich dran: Ich wollte von Dr. Burke unbedingt wissen, was es zu bedeuten hat, dass ich in einem Traum 2014 Sex mit einem Fuchs hatte. Ich weiß noch genau, dass es eine schwüle Sommernacht im Juni war, weil ich damals schon Tagebuch geführt habe. Darin stand: „Letzte Nacht habe ich einen Fuchs gefickt, was zur Hölle läuft schief mit mir?“ Ich habe eigentlich nichts für Tiere übrig.
„Es könnte ganz einfach daran liegen, dass du diese Tiere schon immer besonders elegant und beruhigend findest, dass du genau diese Tierart magst“, sagt Dr. Burke in einem besonnenen Ton. „Du hast es für dich schon tabuisiert. Dabei musst du dir keine Sorgen machen: Der Traum sagt nicht aus, dass du dich von Tieren sexuell angezogen fühlst.“
„An deiner Stelle würde ich in mich gehen und fragen: Was bedeutet dieses spezielle Tier für mich? Möglicherweise weckt es sogar alte Erinnerungen? Hattest du beispielsweise mal ein Haustier, das du verloren hast oder das gestorben ist, womit dann gefühlt deine Kindheit endete? Manchmal verkraften Kinder diesen Übergang nicht gut. Das alles könnte sich in einem solchen Traum äußern.“
In einem Traum Sex mit einem Tier zu haben bedeutet, dass du große Sehnsucht hast – nach einem Ort, einer Zeit oder einem Moment.
Nun, ich hatte niemals einen Fuchs als Haustier. Allerdings habe ich „Als die Tiere den Wald verließen“ immer geliebt und ich habe in dem Alter von 4 bis 10 Jahren auf jeden Fall die beste Zeit meines Lebens gehabt.
Burke führt fort: „In einem Traum Sex mit einem Tier zu haben könnte Besorgnis erregen, obwohl das eigentlich nur bedeutet, dass du große Sehnsucht hast – nach einem Ort, einer Zeit oder einem Moment. Ganz egal was es ist, dein Hirn spielt es dir eben als Sexszene aus. Und wenn dir deine Sehnsucht wieder vor Augen geführt und ins Bewusstsein gerufen wurde, hat der Traum seinen Job getan!“
Headerfoto: Jan Zhukov via Unsplash. („Körperliches“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!