Warum es nur versuchen und nicht einfach machen? – Über die Angst vorm Scheitern

Woran wir scheitern, wenn wir es nur versuchen, anstatt der Beziehung wirklich nochmal eine Chance zu geben?

Eigentlich rede ich nicht so gerne über dieses Thema, aber für Euch will ich es gerne versuchen. Ob es mir gelingt, dürft Ihr am Ende entscheiden. In meiner Familie jedenfalls ist das Thema Es versuchen statt Es einfach machen völlig falsch verstanden worden.

Meinte Tante ist, wie sie selber sagt, aus einem Beziehungs-Kitt-Versuch entstanden. Doch kurz nach ihrer Geburt ließen sich meine Großeltern scheiden. Ich hingegen wurde gemacht, um allen zu beweisen, welch tolle Eltern meine Mutter und mein Vater sind. Auch die beiden sind nicht mehr zusammen, aber immerhin haben sie es versucht und das sollte man auch anerkennen.

Heißt das also, dass man immer scheitert, wenn man es versucht?

Heißt das also, dass man immer scheitert, wenn man es versucht? JEIN. Ich würde das nicht verallgemeinern wollen, jedoch sind auch sogenannte ON/OFF-Beziehungen für mich nicht das Gelbe vom Ei, wie man so schön sagt. Anstatt etwas durchzuziehen, wird immer wieder abgebrochen, was eigentlich zu Anfang ganz schön war.

Für mich schließe ich daraus, dass das Verzeihen eines „gescheiterten Versuchs“ einfacher ist, als tatsächlich jemandem zu verzeihen – weil es auch bedeutet, dass man sich mit sich selbst aussöhnen muss (mit den eigenen Zweifeln, mit der Wut auf sich selbst, usw.). Es ist nicht unmöglich, aber vielen fällt es verdammt schwer.

Früher als Kind, wenn man unter seinesgleichen war, wurde niemals aufgegeben, so habe ich es zumindest in Erinnerung. Wenn wir etwas wollten, haben wir solange versucht, es zu schaffen, bis es uns gelang. Wer dazu das Glück hatte, niemanden im Umfeld zu haben, der einem dauernd ungefragt Tipps zur Verbesserung und Optimierung gab, der wird auch später keine Probleme gehabt haben, etwas zu tun, einfach weil er wusste und weiß, dass er es machen kann und es ihm auch gelingen wird.

Wem aber andauernd gesagt wurde, was man wie machen muss, damit was auch immer gelingt, wer ständig zwischen der Motivation („Du schaffst das“) und der Suggestion von außen („Du musst das tun, sonst …“ oder „Du schaffst es nicht, weil …“) stand und vielleicht jetzt noch steht, wird auch im späteren Leben scheitern, weil die Angst, es nicht zu schaffen, größer ist als das Vertrauen in die eigene Stärke.

Wer von sich weiß, was er kann, der wird nicht darüber nachdenken, ob das Vorhaben gelingen wird, sondern er wird es einfach machen.

Wer von sich weiß, was er kann, der wird nicht darüber nachdenken, ob das Vorhaben gelingen wird, sondern er wird es meines Erachtens einfach machen. Wer Angst hat, verletzt zu werden oder erneut zu scheitern, der wird sich schwertun, es einfach zu machen, denn er könnte ja scheitern. Haben also wieder einmal die Glaubenssätze daran Schuld? Nun, von Schuld kann nicht die Rede sein.

Manchmal sind die Dinge so, wie sie eben sind. Machen wir doch einfach das Beste daraus. Einfach machen, statt nur den Versuch zu unternehmen.

Und wenn das nicht hilft, dann eben vielleicht sich selbst in Achtsamkeit üben, tief Luft holen, beim Ausatmen die Belastung loslassen und sich einfach vorstellen, wie es anders wäre und ob man dann vielleicht anders fühlen oder denken würde.

Warum nicht dem Partner oder der Partnerschaft und damit auch sich selbst tatsächlich die Chance auf einen Neuanfang geben? Warum immer nur halbherzig an die Sache herangehen und dann im Grunde genommen alles dafür tun, dass die selbsterfüllende Prophezeiung eben genau das tut – sich selbst erfüllen? Warum sich erneut den Stress machen und dem Chaos-Kopfkino-Film weiterhin folgen?

Eine Trennung kann ja auch ein Neuanfang sein. Es muss aber nicht dazu kommen. Kopf aus! Herz an! Liebe ist für alle da.

Die Alternative wäre der klare Cut. Eine Trennung kann ja auch ein Neuanfang sein. Es muss aber nicht dazu kommen. Kopf aus! Herz an! Liebe ist für alle da. Liebe ist wunderbar. Und Selbstliebe ist die Essenz von Allem.

Wenn Menschen anfangen, ihre Glaubenssätze zu hinterfragen, statt immer nur vom Schlechten auszugehen, dann kann es mit einem Neuanfang tatsächlich gelingen. Und das wünsche ich am Ende jedem von Euch. Denn ob eine Sache gelingt, erfahrt Ihr nicht, wenn Ihr nur darüber nachdenkt. Ob eine Sache gelingt, erfahrt Ihr nur, wenn Ihr es macht. Gebt Euch und der Partnerschaft einfach die Chance. Eine gute/neue Erfahrung kann so schön sein. 

Headerfoto: Erico Marcelino via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!

Leonard Anders wurde im Jahr 2015 eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Kurz nach seiner mittleren Reife hatte er seinen ersten Zusammenbruch und mit ihm begann eine wahre Odyssee. Er war fast ein Jahr durchweg in der Psychiatrie, überlebte drei Suizidversuche, war obdachlos und kämpfte sich von ganz unten wieder nach oben. Nach erfolgreicher Aufarbeitung seiner verletzten inneren Kindanteile arbeitet Leonard Anders heute als Coach und Lebensberater und hilft Menschen dabei, ihre Glaubenssätze und Trigger aufzulösen. Er ist Autor des Buches "Ein Narzisst packt aus" erschienen im Mai 2018 im Tectum- Verlag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.