Er ist endlich da, so ganz offiziell. Auch wenn die erste Hitzewelle samt Winter is coming (back) bereits hinter uns liegt und die Tage, pessimistisch gesehen, eigentlich schon wieder kürzer werden und Mücken echt nicht okay sind und die fehlende Hygiene mancher Mitmenschen (vor allem in der U-Bahn) einen an die Grenzen der eigenen Geruchsnerven bringt, beginnt mit diesem 21. Juni für manche vielleicht nur die nächste Jahreszeit – für mich aber beginnt ein neues Leben.
Ein neues Leben, soso. Das mag jetzt vielleicht etwas übertrieben klingen. So ein bisschen sehr nach ›alles über den Haufen werfen und ans andere Ende der Welt ziehen.‹
Ein neues Leben, soso. Das mag jetzt vielleicht etwas übertrieben klingen. So ein bisschen sehr nach „Wiedererwachen“ oder „Reinkarnation“, nach „alles über den Haufen werfen und ans andere Ende der Welt ziehen.“ Dabei ist doch ab September alles wieder beim Alten und überhaupt steckt im Sommer manchmal gar nicht so viel Sommer drin, wie draufsteht.
Zumindest, wenn man in nördlicheren Breitengraden lebt und von den zögerlichsten Sonnenstrahlen schon angezogen wird, wie die Motten vom Licht. Aber abgesehen davon, dass ich menschliche Sehnsüchte nach Jahreszeiten (sogar der Fünften) respektiere, ist diese Zeit zwischen Juni und August eben doch mehr als nur ein paar – letztendlich abgerissene – Kalenderblätter.
Für mich ist der Sommer nämlich ein Lebensgefühl. Und ich glaube, da bin ich nicht allein.
Für mich ist der Sommer nämlich ein Lebensgefühl. Und ich glaube, da bin ich nicht allein.
Da ist einerseits natürlich das ganz Offensichtliche. Endlich aus dem Zwiebellook schälen und die Sonne auf der Haut spüren, mit ein bisschen Glück die Kalkschicht an den Beinen loswerden, Sommersprossen sprießen lassen und, wenn schon nicht am Strand, dann wenigstens im Park liegen und der Arbeit für einen kurzen Moment die kalte (gleich aber schon heiße) Schulter zeigen.
Der Sommer ist auch ein bisschen so wie mein persönliches Schlaraffenland. Da baumeln Hängematten in der Luft und säuseln verführerisch Siesta und da stehen alle paar Meter Melonenscheiben zum Abknabbern bereit und aus den Brunnen sprießt Zitronenlimonade (zumindest in meiner Phantasie und ab mittags um 12 natürlich auch Gin und Tonic) und vom Himmel fällt Stracciatellaeis oder manchmal auch ein Ofenbaguette.
Und die einzigen Verpflichtungen bestehen darin, die Sommerlektüre abzuarbeiten und vor sich hin zu träumen und ganz viel zu lieben und sich einmal zu drehen, damit auch die andere Pobacke etwas Sommerbräune abbekommt.
Das ist der Sommer auf den ersten Blick und das mag ich so sehr an ihm. Aber eigentlich sind das nur ganz nette Extras, weil der Sommer nämlich eigentlich von der äußersten Hautschicht bis ins Innere sickert und sich da in Sekundenschnelle auflöst, wie eine Vitamin-Glücklich-Tablette.
Der Sommer sickert nämlich eigentlich von der äußersten Hautschicht bis ins Innere und löst sich da in Sekundenschnelle auf, wie eine Vitamin-Glücklich-Tablette.
Und das weiß mein Kopf und deswegen sehne ich mich das ganze Jahr über nach ihm, weil ich mir diese lauen Sommernächte vorstelle, in denen man abends ohne Jacke draußen sitzen und tanzen und lachen kann, in denen das Gefühl grenzenloser Freiheit in der Luft liegt und in denen man beschwipst vor lauter Leben und einem Herzen voller Glück todmüde ins Bett plumpst.
Weil ich mit ihm Möglichkeiten verbinde, die mir die anderen Jahreszeiten verwehren. Weil er mich leichter, abenteuerlustiger und nachsichtiger macht. Weil er mir den nötigen Antrieb gibt und mich inspiriert. Weil die Menschen mit ein bisschen Wärme wieder aus ihrer Frostlaune auftauen und die Welt mit einem Mal so anders erscheint – irgendwie offener und potenziell besser.
Vielleicht sehne ich mich auch so sehr nach ihm, weil er mich in einen Zustand vollkommener Unbeschwertheit zurückversetzt. Er erinnert mich an eine Zeit, in der die Sommerferien der Sechser im Lotto plus Superzahl waren, voller spontaner Verabredungen, kleinster Abenteuer, buntem Wassereis, träger Schäfchenwolken und in der Nase kitzelndem Grillgeruch.
Als die Federbälle im Garten des Nachbarn landeten und das Glück tatsächlich noch von den Bäumen wuchs, nämlich in Mirabellenform.
Als die Federbälle im Garten des Nachbarn landeten und das Adrenalin noch vor einem vom Fünfmeterbrett sprang und das Glück tatsächlich noch von den Bäumen wuchs, nämlich in Mirabellenform.
Mit den Erinnerungen an vergangene Sommer entsteht ein Gemisch aus Bildern, Gerüchen, Geräuschen und Musik, vor allem aber aus dem Wissen, dass das alles – trotz Dauerregenphasen und Winterblues, trotz zeitlicher und geografischer Entfernungen – tatsächlich sein kann; dass es nicht nur eine riesengroße Sehnsucht und bloßes Wunschdenken ist: Den Sommer gibt es ja für mich. Irgendwie, irgendwo, irgendwann.
Ich mag den Sommer so gerne, weil er tatsächlich der Anfang von etwas Neuem – eben diesem neuen Leben – bedeutet. Auch wenn wir natürlich nicht nur für die – am ganzen Jahr bemessen – relativ kurze Zeitspanne leben können und wollen, glaube ich, dass wir mit ihm den Grundstein setzen für die nächsten Monate. Dass wir uns jetzt vielleicht noch einmal mehr trauen, Pläne zu schmieden und größer zu träumen. Dass wir Potenzial in Menschen und Dingen und den eigenen Bedürfnissen sehen.
Und vielleicht schwingt in diesem Neusein auch ein bisschen was von Freiheit mit, weil die überflüssigen Kleiderschichten symbolisch stehen für die Steine, die wir uns gerne mal selbst in den Weg legen.
Und vielleicht schwingt in diesem Neusein auch ein bisschen was von Freiheit mit, weil die überflüssigen Kleiderschichten symbolisch stehen für die Steine, die wir uns gerne mal selbst in den Weg legen. In diesem Sinne… Roll out those lazy, hazy, crazy days of summer, you’ll wish that summer could always be here.