Damals lernte ich Dich in einer verrauchten Kneipe kennen. Drei, vier Biere waren schon genüsslich verzehrt worden. Der Bass bebte auf meiner Haut, ein Lächeln hier, ein Zwinkern da. Voller Glückseligkeit trieb ich durch den Raum. Es war diese Situation, in der du alles ausblendest, was um dich herum passiert. Du tanzt einfach. Du spürst die Musik und lässt deinen Körper machen, was er möchte. Du schwebst in eine andere Welt, bis du nur noch lächeln kannst.
Auf einmal standest Du vor mir, grinstest mich an und zack standen wir an der Bar. Die Gespräche wurden vielfältiger, hier und da gabst Du ein kleines Geheimnis von Dir preis. Die Nacht schien endlos. Obwohl ich Dich erst seit ein paar Stunden gekannt habe, habe ich mich direkt wohl gefühlt.
Ich konnte mich fallen lassen, weil Du über jeden noch so flachen Witz gelacht und mir das Gefühl gegeben hast, so sein zu können, wie ich bin. Inzwischen war es hell geworden. Wir verließen die Bar, nahmen uns noch ein Bier mit für den Weg und das letzte Gespräch.
Es war diese Situation, in der du alles ausblendest. Du tanzt einfach. Du spürst die Musik und lässt deinen Körper machen, was er möchte.
Dieses Gespräch beinhaltete damals, dass Du in so etwas wie einer Beziehung warst, Du eine Frau vor mir kennengelernt hattest. Aber Du nun gerade hier in diesem Moment mit mir zusammen warst, damals, in dieser atemberaubenden Nacht, in der die Atmosphäre vollkommen schien. Du hast es genau so sehr genossen wie ich, denn außer einem gegenseitigen Lächeln verschwamm die Welt um uns herum.
Aber nein, Du warst einer anderen Frau versprochen und so beließen wir es bei einer intensiven, langen, wohlig warmen Umarmung und vielleicht würden wir uns ja bald wiedersehen – na gut, wir tauschten noch schnell die Nummern aus, man weiß ja nie.
Die Wochen vergingen, bis Du Dich gemeldet und nach einem Drink gefragt hast. „Warum eigentlich nicht?“, dachte ich mir. Und so sahen wir uns schließlich wieder. Die Wochen schienen wie im Flug vergangen zu sein. Wir warfen uns wieder ein Lächeln zu und führten unsere Gespräche fort. Schließlich kam die entscheidende Information: Du bist wieder Single. So genossen wir diesen Abend umso mehr und näherten uns zu späterer Stunde langsam an.
Bei einem ruhigeren Beat legtest Du Deine Hand um meine Hüfte, zogst mich liebevoll zu Dir, bis uns nur noch ein Luftspalt voneinander trennte. Mein Herz klopfte bis zum Scheitel, schließlich war ich Dir nun ganz nah. Noch ein Stückchen näher und Deine Lippen berührten meine. Überschwemmt von meinen Gefühlen konnte ich nicht klar denken.
Damals, als ich noch jünger war, in dieser zweiten Nacht, in der wir gänzlich frei waren und uns nur zueinander hingezogen fühlten, verbrachten wir auch den Rest der Nacht miteinander. Wir waren uns ganz nah, bis wir in dem einen Moment gemeinsam Arm in Arm einschliefen.
Überschwemmt von meinen Gefühlen konnte ich nicht klar denken. Wir waren uns ganz nah.
Und als hätte der Zauber plötzlich seine Wirkung verloren, fühlte ich mich am nächsten Morgen wie ein anderer Mensch. Ich weiß nicht, ob ich mit Deiner Nähe überfordert war oder ob ich mein Glück in diesem Moment nicht fassen konnte. Doch eine tief sitzende Stimme sagte mir: „Geh, flieh, lauf weg!“
Ich konnte nur den Kopf schütteln. Was stimmte nicht mit mir? Gerade noch erlebten wir diese berauschende Nacht, in der unsere Emotionen freitanzten und auf einmal rüttelt mich der Fluchtinstinkt wach?
Ich widersetzte mich meinen Gefühlen und verbrachte auch den nächsten Abend mit Dir. Du warst so liebevoll zu mir, schenktest mir jede Sekunde Deiner Aufmerksamkeit und ließest mir dennoch jede Freiheit, die ich brauchte. Es schien alles perfekt, doch meine innere Stimme sagte mir etwas anderes.
Die Stimme in mir kam auch in den folgenden zwei Wochen nicht zur Ruhe und so beendete ich den Kontakt. Die Vorstellung der Gesamtsituation schien mich zu überfordern. Ich fühlte mich eingeengt, nicht mehr frei, weil Du mir all‘ das gegeben hast, wonach ich mich tief im Inneren eigentlich sehnte – dachte ich zumindest. Heute weiß ich, dass ich damals nicht bereit war. Ich wollte meine Freiheit für keinen Preis auf der Welt aufgeben, für niemanden. Ich war zu jung, hatte noch zu wenig dazu gelernt, wusste nicht, was ich wollte, wen ich wollte und warum ich es wollte.
Was stimmte nicht mit mir? Gerade noch erlebten wir diese berauschende Nacht und auf einmal rüttelt mich der Fluchtinstinkt wach?
Heute nach ein paar Jahren erinnere ich mich gerne an diese Zeit zurück. Ja, ich denke auch gelegentlich an diese Nacht zurück.
Und während ich durch die Straßen flaniere, um meine Freunde in einer der berüchtigten Bars anzutreffen, läufst Du mir über den Weg. Du strahlst noch genauso wie vor ein paar Jahren. Wir kommen ins Gespräch, begrüßen uns mit einer herzlichen Umarmung, offensichtlich sehr erfreut darüber, einander wiederzusehen.
Damit hätte ich nicht gerechnet. Denn damals habe ich Dir keine Erklärung für den plötzlichen Kontaktabbruch geben können. Ich bin dafür nicht bereit gewesen, weshalb ich mich hinter meiner inneren Mauer versteckt habe. Du wusstest das natürlich. Wie schön, dass wir uns nun nach der letzten Zeit so offen unterhalten können. Alles wirkt so, als hätten wir uns nie aus den Augen verloren. Hier ein Lächeln, da eine lustige Geschichte und zuletzt die Frage, warum wir nichts mehr voneinander gehört hatten.
Jetzt, ein paar Jahre später, konnte ich es mir selbst eingestehen und ihm erklären, wie ich mich damals gefühlt habe. Ich war beschämt, dass ich ihm, aber vor allem mir gegenüber so feige gewesen war. Gerade jetzt, da Dein Anblick mich erneut leicht aus den Socken gestupst hat. Du bist noch ein Stück erwachsener, reifer, stärker geworden, was mich beeindruckt.
Aber auch ich bin nicht mehr die gleiche Person wie damals. Meine Ausstrahlung sei fröhlich einzigartig, mein Standing beeindruckend, sagst Du. Und dennoch strahle ich eine solide Gelassenheit aus, die uns beiden das Gefühl gibt, dass es ok ist, dass wir uns wiederbegegnen und über unser ursprüngliches Kennenlernen heute lachen können.
Wir unterhalten uns auch in dieser Nacht noch eine Weile über Veränderungen, bis wir schließlich gemeinsam erneut über die Tanzfläche schweben, vereint in dieser wunderbaren Atmosphäre. Wir wollen den Kontakt wiederherstellen, uns treffen und sehen, wohin die Reise dieses Mal gehen wird. Ich fühle mich immer noch ein Stück beschämt, wenn ich Dich sehe, weil ich mir denke, wie ich damals so handeln und diesen wunderbaren Mann gehen lassen konnte. Jetzt, da ich mich nach einem Partner mit Deinen Eigenschaften sehne.
Ist es okay, einen Neustart zu wagen und sich nach einiger Zeit des Reifeprozesses neu kennenzulernen?
Doch ist heute alles anders? Ist es ok, einen Neustart zu wagen und sich nach einiger Zeit des Reifeprozesses neu kennenzulernen? Wird dieses Mal alles anders, weil wir erwachsener geworden sind, die Toleranz gewachsen ist und die Prioritäten sich verschoben haben? Und so stehe ich vor dem Spiegel und stelle mir genau diese Fragen, denn ein zweites Mal könnte ich Dich nicht verletzen. Das wäre nicht fair.
Und so treffen wir uns einige Tage später bei strahlendem Sonnenschein am Hafen, während eine leichte Brise den Genuss des Feierabendbieres noch angenehmer macht. Es ist unbeschreiblich wertvoll, sich seinem Gegenüber auf diese Art öffnen zu können, während die Gewissheit da ist, dass deine Worte ernst genommen werden.
Ich fühle mich sehr wohl. Ich genieße die Stunden mit Dir und freue mich jetzt schon auf das Wiedersehen. Das Schönste daran ist, dass Du mich immer und egal wo zum Lachen bringst. Wird dieses Gefühl andauern? Möchte ich mich dieses Mal ernsthaft darauf einlassen oder habe ich das Bedürfnis, etwas wieder gutmachen zu wollen?
Das Gute an der vergangenen Zeit ist, dass ich gelernt habe, die Dinge erst einmal auf mich zukommen zu lassen.
Headerfoto: Joanna Nix via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!