Mit sechs oder sieben war mein Leben ziemlich einfach. Meine größte Leidenschaft waren meine Barbies, ich hatte mindestens 15 Frauen, die sich auf zwei Männer aufgeteilt hatten. Meine Barbies haben stets jung geheiratet, mindestens eine von ihnen war immer schwanger. Und für mich war klar: Natürlich bekomme ich irgendwann Kinder, was für eine Frage!
Für mich war klar: Natürlich bekomme ich irgendwann Kinder, was für eine Frage!
Mit fünfzehn, sechzehn war mein Leben alles andere als einfach. Wegen typischer Die-ganz-Welt-steht-Kopf-Teenie-Themen, wegen einer ziemlich bescheidenen Schulzeit, wegen übergriffiger Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht.
Mitten in diesem ganzen emotionalen Durcheinander gab es meine knapp zehn Jahre ältere Schwester, die für mich in dieser Zeit wie einer der stabilsten und entschlossensten Menschen der Welt wirkte und der ich unbedingt nacheifern wollte. Und da für sie schon immer feststand, dass sie niemals im Leben Kinder haben wollen würde, wollte natürlich auch mein sechzehnjähriges Ich auf gar keinen Fall jemals Kinder haben.
Zumindest in diesem Punkt war ich mir zur damaligen Zeit hundertprozentig sicher.
Heute bin ich Ende zwanzig, emotional nach wie vor nicht immer richtig stabil, aber mit einem Leben, das ich mag.
Heute bin ich Ende zwanzig, weit weg gezogen von meiner Heimat und dem Chaos meiner Jugend, emotional nach wie vor nicht immer richtig stabil, aber mit einem Leben, das ich mag.
Ich bin seit nicht allzu langer Zeit verheiratet, liebe meinen Mann, liebe unser flauschiges Hundekind, liebe auch mein Business, das ich mir in den letzten drei, vier Jahren aufgebaut habe.
Mein Leben ist gut. Nicht mehr ganz so einfach wie damals in meiner Barbie-Zeit, glücklicherweise emotional deutlich einfacher als in meiner Teenie-Zeit. Und doch vermisse ich eines: Meine kindliche und jugendliche Klarheit in Bezug auf die Frage, ob ich irgendwann Mutter werden will.
„Du brauchst keinen Hund, du brauchst Kinder.“
Ich lebe mitten in Hamburg. Der Großteil meiner engen Freundinnen ist etwas älter als ich, und die meisten von ihnen haben noch keine Kinder. Natürlich gibt es auch diesen kleineren, stetig wachsenden Anteil der Menschen in meinem Bekanntenkreis, die langsam Nachwuchs bekommen – teils deutlich älter als ich.
Ich müsste mich also eigentlich überhaupt nicht stressen. Aber als hätte ich mit dem Überschreiten der Mitte Zwanzig eine imaginäre Grenze passiert, ist mein soziales Umfeld plötzlich doch mehr und mehr der Meinung, ich müsse mich stressen.
Meine Cousine hat zwei kleine Töchter hat und schrieb mir nach einem Jahr ohne Kontakt letztens bei WhatsApp: „Du braucht keinen Hund, du brauchst Kinder.“
Etwa meine Großeltern, meine Schwester oder mein Vater, die seit Jahren schon halb, aber eben nur halb scherzend fragen, wann ich denn endlich Kinder bekäme. Oder meine Cousine, die ein paar Jahre älter ist als ich, zwei kleine Töchter hat und mir nach einem Jahr ohne Kontakt letztens bei WhatsApp schrieb: „Du braucht keinen Hund, du brauchst Kinder.“
Es fühlt sich an, als würde mit jedem weiteren Lebensjahr mein Leben mehr und mehr um diese eine, scheinbar alles entscheidende Frage kreisen. Ich spüre die Erwartungshaltung meiner Familie, jetzt, wo ich ja auch verheiratet bin.
Ich spüre die Erwartungshaltung meiner Familie, jetzt, wo ich ja auch verheiratet bin.
Ich höre mich selbst mit Freund:innen sprechen und davon reden, dass unsere Wohnung eigentlich echt schön ist, aber spätestens, wenn wir „mal Kinder haben“, nicht mehr so richtig passt. Ich sage das, aber ich fühle es nicht. Habe dabei ein Bild von mir vor Augen, das eher einer vagen Erwartungshaltung statt wirklicher Überzeugung entspricht.
Die Konstellationen, die uns prägen
Ohne ihnen dafür einen Vorwurf machen zu wollen, würde ich behaupten, meine Eltern haben mich nicht sonderlich feministisch erzogen. Sie leben eine klassische Rollenverteilung, mein Vater verdient schon immer deutlich mehr als meine Mutter, sie arbeitet Teilzeit und schmeißt dafür einen Großteil des Haushalts.
Als meine Schwester und ich noch daheim gelebt haben, hat sie sich um uns gekümmert. Ich konnte schon als Kind besser kochen als mein Vater heute, habe mit meiner Mutter Wäsche gelegt, während er daneben saß und Nachrichten geschaut hat. All das war für mich damals nicht schlimm, aber es hat mein Weltbild geprägt.
Als ich mit 18 ausgezogen bin, habe ich zum ersten Mal selbst über mein Leben nachdenken dürfen.
Als ich mit 18 ausgezogen bin, habe ich zum ersten Mal selbst über mein Leben nachdenken dürfen. Habe ausgereizt, was möglich war, habe versucht, mich selbst zu finden. Habe mich nach meinem Studium selbstständig gemacht, mich bei jeder Familienfeier für meine Entscheidung rechtfertigen müssen.
Und bin unheimlich dankbar, diese getroffen zu haben. Weil meine Arbeit für mich mehr ist als eine Arbeit. Es ist meine Chance, ich selbst zu sein. Mich weiterzuentwickeln, Tag für Tag. Und für das einzustehen, was mir wichtig ist.
Ich bin gut darin, Entscheidungen zu treffen. Dinge zu organisieren, Deadlines einzuhalten, mich mit allen möglichen Menschen auseinanderzusetzen. Ich liebe es, Pläne zu schmieden, weiß meistens schon zwei, drei Monate vor Weihnachten oder Geburtstagen, was ich den Menschen um mich herum schenke.
Ich bin es nicht gewohnt, dass es ein Thema in meinem Leben gibt, bei dem ich nicht einfach eine Entscheidung treffen kann.
Ich bin es nicht gewohnt, dass es ein Thema in meinem Leben gibt, bei dem ich nicht einfach eine Entscheidung treffen kann. Das so vieles andere beeinflusst. Das so viele weitere Entscheidungen mit sich zieht. Und das vor allem so sehr den Anschein macht, als läge es nicht nur in meinen eigenen Händen.
Alles das, was von mir bleibt
Ich mag die Vorstellung, Kinder zu haben. Ich liebe dieses Hundekind mehr, als ich es für möglich gehalten hätte. Und ich glaube, ich wäre voll und ganz erfüllt von meinen eigenen Kindern.
Ich liebe die Idee, meinem Mann eine Familie zu haben. Gleichzeitig hasse ich die Vorstellung, selbst schwanger zu sein.
Ich liebe die Idee, mit diesem Mann an meiner Seite eine Familie zu haben. Gleichzeitig hasse ich die Vorstellung, selbst schwanger zu sein. Seit ich denken kann, hadere ich mit meinem Körper. War immer deutlich größer als die anderen Mädchen in meiner Klasse. Habe zig Diäten hinter mir, viel zu exzessive Sportphasen. Musste früh lernen, wie es sich anfühlt, unfreiwillig die Kontrolle weggenommen zu bekommen. Habe erst mit Mitte zwanzig angefangen, mich und meinen Körper zu mögen. Nicht immer, aber oft.
Ich habe Angst vor der Vorstellung, die Kontrolle wieder abzugeben. Nicht zu wissen, was mit meinem Körper passiert. Während oder nach einer Schwangerschaft erneut in einer Haut zu stecken, mit der ich mich vielleicht nicht wohlfühlen könnte.
Ich höre von anderen, dass das dann nicht mehr so wichtig wäre. Dass der Körper natürlich nicht mehr so ist wie vorher, aber dass das egal sei, weil es ja dann das Kind gäbe. Und für das Kind lohnt sich alles.
Ich kann mir nicht vorstellen, meine Selbstständigkeit länger zu pausieren, weil ich darin aufgehe wie in nichts anderem.
Ich kann mir nicht vorstellen, meine Selbstständigkeit länger zu pausieren, weil ich darin aufgehe wie in nichts anderem. Ich kann mir gleichzeitig aber auch nicht vorstellen, den hochgezogenen Augenbrauen der Gesellschaft standzuhalten, wenn ich wenige Wochen oder Monate nach der Geburt tatsächlich wieder arbeiten würde.
Ich höre von anderen, dass ich mir jetzt zwar genau das vornehmen könnte, also früh wieder zu arbeiten – aber, „seien wir mal ehrlich, wenn das Kind da ist, willst du das doch sowieso nicht mehr.“
Ich höre all diese Dinge und ich kann mir vorstellen, dass das vielleicht genauso ist. Aber gleichzeitig frage ich mich, wo ich bei all dem bleibe. Was ist, wenn es mir anders geht? Was ist, wenn ich gleichzeitig dieses noch nicht existierende Baby liebe, aber meine Arbeit eben auch?
Was ist, wenn ich die Erwartungen meines Umfelds schon jetzt nicht erfüllen kann, und das, obwohl ich noch nicht mal ansatzweise schwanger bin? Und wer hat sich eigentlich das Recht herausgenommen, all diese Erwartungen zu stellen?
Der sicherste Raum der Welt
Mein Instagram-Feed ist voll mit werdenden Müttern. Solchen, die ihre Schwangerschaft lieben. Und solchen, die sie ziemlich kacke finden.
Mein Instagram-Feed ist voll mit werdenden Müttern. Solchen, die ihre Schwangerschaft lieben. Und solchen, die sie ziemlich kacke finden. Ich lese Beiträge darüber, dass wir im 21. Jahrhundert leben und es absolut keinen Raum mehr für Mom-Shaming geben sollte.
Ganz egal, wie sich eine Mutter entscheidet, ihr Leben nach der Geburt weiterzuführen. Und gleichzeitig lese ich zig Beiträge von Frauen, die für ihre Entscheidungen verurteilt werden. Weil sie nicht stillen. Weil sie zu lange stillen. Weil sie zu früh wieder arbeiten. Weil sie gar nicht wieder arbeiten. Weil sie dieses, weil sie jenes…
Und es entsteht der Eindruck, dass es immer noch nicht möglich ist, als Mutter heutzutage irgendetwas richtig zu machen.
Zugegeben, ich habe Angst davor, eine schlechte Mutter zu sein.
Zugegeben, ich habe Angst davor, eine schlechte Mutter zu sein. Emotional zu instabil, um einem kleinen Wesen wirklich all das zu geben, was es braucht. Habe Angst davor, mich selbst zu verlieren.
Meine Beziehung, weil sich plötzlich alles nur noch um ein Kind dreht. Habe Angst davor, meinem Mann zu wenig zuzutrauen, weil ich keine Kontrolle abgeben kann. Habe Angst davor, meine Entscheidung für eine Familie an manchen Tagen zu bereuen. Und ich habe Angst davor, schon jetzt für diese Gedanken verurteilt zu werden – lange, bevor sie überhaupt Realität geworden sind.
Das, was wir wirklich fühlen
Vielleicht ist es einfach so, dass ich diese Unsicherheit akzeptieren muss. Dass es diesen einen richtigen Zeitpunkt nicht geben wird, an dem ich voll und ganz das Gefühl habe, bereit zu sein. Dass ich irgendwann einfach sagen werde, „komm, wir machen das“ – oder eben nicht.
Ich will mir vorstellen, dass es einfacher wird, sobald ich einmal diese Entscheidung getroffen habe.
Ich will mir vorstellen, dass es einfacher wird, sobald ich einmal diese Entscheidung getroffen habe. Ganz gleich, ob für oder gegen ein Kind. Will die stichelnde Stimme ignorieren, die mir sagt, dass ich mich so oder so rechtfertigen werden muss. Dafür, dass ich keine Kinder habe. Oder dafür, wie ich meine Kinder erziehe.
Und ich frage mich, welchen Preis Akzeptanz eigentlich hat. Akzeptanz für Ängste. Für Zweifel und Unsicherheiten. Für Fehler und Andersartigkeiten. Akzeptanz dafür, zu sagen, wie man sich wirklich fühlt.
Headerfoto: Monstera (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Ich bin 35. Habe keine Kinder. Bin seit 13 Jahren selbständig, habe einen Mann, den ich bald heiraten werde. Ich möchte mein „Ich“ nicht aufgeben, um ein Kind zu bekommen. Ich weiss, das wir nicht 50:50 aufteilen können und deswegen bin ich nicht bereit. Er arbeitet Vollzeit, ich arbeite Vollzeit. Wenn wir beide fair aufteilen könnten,OK. Ich möchte weiter mein Leben so leben, wie ich es schön finde. So wie es jetzt eben ist. Wenn wir uns eines Tages umentscheiden sollten,ist das OK. Wenn alles so bleibt, wie es ist, ist es auch ok. Ich werde nicht den Kompromiss eingehen, mich mehr aufzugeben. Ich denke, der Mann/mein Mann wird eher „sein Ding“ weitermachen, als ich es tun kann/könnte. Deswegen werden wir wahrscheinlich darauf verzichten. Klingt das hart ?
Danke für den tollen Text. Ich kann das Gefühl, diese Unsicherheit sehr gut nachvollziehen und ich bin mittlerweile 31… manchmal denke ich wirklich das diese welt auch einfach kein Ort ist um Kinder hineinzusetzen und ob ich wirklich bereit sein werde „alles“ aufzugeben. But time will show it (hopefully).
Vielen Dank für diese Zeilen. Ich finde es schön zu wissen, dass ich nicht allein mit diesen Gedanken bin.