Wir stehen voreinander, nachdem wir die ganze Nacht wie wild getanzt haben. Wir kennen uns nicht wirklich gut, nur von mehrfachem flüchtigem Hallo. Er sagt ganz von allein: „Hey, ich bin momentan nicht offen für etwas und jemanden!“
Wieso sagt er das? Ich lächle und spüre, dass jetzt der Zeitpunkt ist zu gehen. Ich bleibe. Warnsignal gekonnt ignoriert. Wir tauschen Nummern aus. Es ist alles ganz freundschaftlich, danach gehe ich und bin ganz stolz auf mich, rechtzeitig vom Zug abgesprungen zu sein.
Am nächsten Tag meldet er sich unter einem Vorwand, der kein Vorwand ist, von dem ich aber jetzt denke, dass es unbewusst einer war. Ich steige drauf ein, alles ganz lustig, alles ganz easy, alles entspannt. Er ist nicht offen, denke ich. Er hat gesagt, er ist nicht offen. Aber wir können ja Freunde sein. Was sind das für Gedankengänge? Warnsignal Nummer zwei gekonnt ignoriert.
Ich fahre zu ihm und bringe ihm das, was er braucht: Medizin. (Hier hätte aber auch genauso gut „Mich“ stehen können!) Es ist Sonntag, er ist krank und ich bin seine Apotheke und Krankenschwester! Wir reden und trinken Tee, es liegt etwas in der Luft, aber: Er ist nicht offen! Warum sitze ich hier? Zwei attraktive Menschen, von denen einer nicht offen ist, und eine sich voll und ganz öffnen möchte, wie passt das zusammen?
Er ist nicht offen! Warum sitze ich hier?
Es wird dunkel, wir haben es uns gemütlich gemacht. Er kommt näher. Oh, oh. Die Sirene in mir schrillt. Don’t do it! Steh auf und geh! Ich stehe auf! Und lege mich in sein Bett. Und dann kuscheln wir! Die ganze Rettungsmannschaft in mir resigniert, es ist zu spät, Rettungsmannöver gescheitert! Alle Sirenen blieben unerhört.
Wir treffen uns regelmäßig. Er ist nicht offen! Er bringt mir Frühstück, er meldet sich häufig, wir gehen spazieren, wir schauen in die Sterne, wir schicken uns unsere Lieblinglieder, aber sorry, er ist nicht offen, er braucht ganz viel Raum.
Ich gebe ihm Raum. Den wir kurze Zeit später wieder gemeinsam besetzen. Das Einsatzkommando in mir hat sich starke Schutzwesten zugelegt. Es wittert stürmische Zeiten. Es wird ein Kampf! Gegen mich selbst. Und all das nur, weil er nicht offen ist.
Ich versuche seine verschlossene Tür einzurennen, aber das ist viel zu schmerzhaft.
Ich versuche seine verschlossene Tür einzurennen, aber das ist viel zu schmerzhaft. Alles, was bleibt, ist ein Rückzug mit einer Erkenntnis: Es ist nicht so gut, das Frühwarnsystem zu ignorieren. Ich bin kein Schlüsseldienst, wenn die Tür zu ist, kann ich sie nicht öffnen. Ich habe gerüttelt und dagegen gehämmert, er möge diese Scheiß-Tür öffnen, aber alles, was aufging, war ein kleines Guckloch. Gewalt ist nie eine Lösung.
Und nun? Nun ist Stille, und meine persönliche Swat-Einheit in mir empfängt mich mit den Worten: Nächstes Mal machen wir es besser. Wenn die Tür zu ist, dann drehen wir uns gleich wieder um und gehen weiter. Sie klopfen mir auf die Schulter und sagen: Es war ein Lernprozess. Gut gemacht!
Und ich sehe in der Ferne schon die nächste Pforte.
Headerfoto: Joanna Nix via Unsplash.com. (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!