Wenn es um das Thema Gleichberechtigung geht, bin ich der absoluten Überzeugung, dass zwei oder mehr Menschen in einer Partnerschaft unabhängig von deren Geschlecht, Identität oder sexueller Orientierung gleichgestellt sein sollten.
Ich weiß, es gibt etliche benachteiligende Strukturen in unserer Gesellschaft, von denen einige natürlich auch mich als Frau betreffen, aber in meinem Alltag, in meiner Beziehung und meiner Lebensgestaltung fühle ich mich größtenteils gleichberechtigt und an Stellen, an denen das nicht so ist, kann ich meistens aufstehen, für mich selbst einstehen und Gleichberechtigung einfordern.
In meinem Alltag, in meiner Beziehung und meiner Lebensgestaltung fühle ich mich größtenteils gleichberechtigt.
Dieses Gefühl, gleichberechtigte zu sein, ändert sich deutlich, wenn ich anfange, über meine Zukunft nachzudenken: über potenzielle Möglichkeiten wie eine Familie oder eine Ehe.
„Möchtest du meine Frau werden?“ – Eine Frage der Unterdrückung
Vorstellungen, die vor zehn Jahren noch selige Glücksgefühle in mir ausgelöst haben, bereiten mir plötzlich Alpträume. Ich, wartend auf ihn, dass er mir einen Antrag macht. Vielleicht den Ring in einem Sektglas oder einem sebstgebackenen Kuchen? Oder vielleicht habe ich das Glück, einen etwas weniger einfältigen Partner zu haben, der in einem unerwartet authentischen Moment auf die Knie fällt und mich fragt, ob ich seine Frau werden möchte?
Vorstellungen, die vor zehn Jahren noch selige Glücksgefühle in mir ausgelöst haben, bereiten mir plötzlich Alpträume.
Der mich damit fragt, ob ich Lust habe, mir ein weißes (wenn es sein muss, geht auch cremefarben, eierschale oder perlweiß, wir sind ja eine moderne, offene Gesellschaft) tendenziell überteuertes Kleid auszusuchen, vielleicht eines, für das ich noch etwas abnehmen könnte, um wahrhaft mädchenhaft und „schön“ genug für so einen wichtigen Tag zu sein.
Der mich fragt, ob ich gerne seinen Nachnamen annehmen möchte, weil der ja eh besonders schön sei und ich ja nicht länger Tochter meines Vaters bin, sondern Frau meines Mannes. Ein neuer starker Mann also, zu dem ich aufblicken darf und der mich ab jetzt durchs Leben führt, beginnend damit, dass ich all meine Dokumente, Bonuskarten und wichtigen Papiere umändern lassen darf und nebenbei ein Stückchen Identität zurücklasse.
Ein Mann, der mich fragt, ob ich gerne seinen Nachnamen annehmen möchte, weil der ja eh besonders schön sei und ich ja nicht länger Tochter meines Vaters bin, sondern Frau meines Mannes. Ein neuer starker Mann also, zu dem ich aufblicken darf und der mich ab jetzt durchs Leben führt.
Der mich fragt, ob ich gerne zu Hause bleiben möchte, eines Tages zumindest, weil er nun mal eben ein Mann ist und in Deutschland die obligatorischen X% mehr verdient. Wir haben dann schließlich Verantwortung und von Luft und Liebe können Kinder nicht leben, keinen Klavierunterricht bekommen oder ein Mountainbike oder was auch immer meine potenziellen Kinder eines Tages machen möchten und worin ich sie natürlich unterstützen möchte.
Können Traditionen aktualisiert werden?
Warum zur Hölle ist das so? Ich schätze, wegen Gott irgendwie, aber kann das ernsthaft noch genug Grund sein für mich heute? Mich in diese Rolle zu zwängen, untergeordnet zu werden? Muss ich ein weißes Kleid tragen, um klar zu machen, wie unschuldig und rein ich bin und dass ich im Gegensatz zu dieser Eva nicht einfach mal so in irgendeinen fremden Apfel beiße, nur weil ich Bock drauf habe und der sexy ausschaut?
Muss ich ein weißes Kleid tragen, um klar zu machen, wie unschuldig und rein ich bin und dass ich im Gegensatz zu dieser Eva nicht einfach mal so in irgendeinen fremden Apfel beiße, nur weil ich Bock drauf habe und der sexy ausschaut?
Ich sehe Freundinnen, die gerade mit Leichtigkeit glücklich und erfüllt ihre eigenen Namen über Bord werfen, sich in weiße Kleider schmeißen, schwanger werden möchten und dafür ihre Karriere pausieren, egal an welchem Punkt.
Und so sehr ich es wunderschön finde, die Liebe zu feiern, mit diesem einen Menschen, den man sich eben ausgesucht hat, um durch Dick und Dünn zu gehen, so sehr zweifle ich doch daran, ob ich ein gleichberechtigtes Leben führen kann, wenn ich mich auf diese patriarchalen Traditionen stürze.
So sehr ich es wunderschön finde, die Liebe zu feiern, mit diesem einen Menschen, den man sich eben ausgesucht hat, um durch Dick und Dünn zu gehen, so sehr zweifle ich doch daran, ob ich ein gleichberechtigtes Leben führen kann, wenn ich mich auf diese patriarchalen Traditionen stürze.
Ich sehe das mit Bedauern, weil ich Traditionen liebe und mir schon vor sehr, sehr vielen Jahren klar gewesen ist, welchen Schnitt mein Brautkleid eines Tages haben soll. Weil es so feierlich und bedeutsam ist, diesen Tag mit Freund:innen und Familie zu teilen. Aber zu welchem Preis?
Gleichberechtigung – immer noch ein Statement
Ich möchte vielleicht eines Tages heiraten, aber kann ich das als selbstbestimmte Frau ohne mich entweder selbst aufzugeben oder völlig defizitär und verunsichert selbst diejenige zu sein, die die Rolle des Mannes einnimmt?
Wenn ich einen Antrag mache, ist das ein starkes Zeichen, aber lässt das meinen Partner schwach dastehen? Andersherum hätte es schließlich niemand gestört, aber ich bin eben auch nur eine Frau. Ich setze ganz klar ein Zeichen, mit jeder Entscheidung, die ich gegen die vorherrschenden, traditionellen Strukturen treffe. Daran ist eigentlich nichts einzuwenden, aber ich persönlich finde das schade.
Ich setze ganz klar ein Zeichen, mit jeder Entscheidung, die ich gegen die vorherrschenden, traditionellen Strukturen treffe. Daran ist eigentlich nichts einzuwenden, aber ich persönlich finde das schade.
Ich möchte nicht, dass meine Beziehung ein politisches oder zumindest gesellschaftliches Statement wird, ich wünschte, unsere Zukunft könnte einfach nur sein, was wir daraus machen. Nicht ein Nachgeben oder ein Protestieren gegenüber irgendwelchen festgefahrenen Vorstellungen.
Zukunftspläne auf Augenhöhe
Ich wünsche mir eine Partnerschaft auf Augenhöhe und genauso eine Hochzeit, zu der ich vielleicht Weiß trage oder vielleicht auch mein Freund, je nachdem, wer von uns Lust darauf hat. Vielleicht trage ich auch Gelb, obwohl mir das eigentlich nicht steht, aber es ist und bleibt meine all time favourite Farbe.
Vielleicht feiert mein Freund keinen Junggesellenabschied (mal ehrlich, „die letzte freie Nacht“?! Für jemanden, der seit Jahren in einer monogamen Beziehung lebt, ist die letzte wilde Nacht im Idealfall verdammt lang her …), weil meine Ehe kein scheiß Gefängnis werden soll, in dem ich meinen Partner unterdrücke, gängele und erziehe.
Vielleicht muss ich nicht halb verklemmt und halb überdreht irgendwelche Penisspiele spielen, mich besaufen und ein „Bride to be“-Krönchen tragen (obwohl ich eigentlich jeden Anlass, um ein Krönchen zu tragen, gerne nutze).
Ich wünsche mir eine Partnerschaft auf Augenhöhe und genauso eine Hochzeit, zu der ich vielleicht Weiß trage oder vielleicht auch mein Freund, je nachdem, wer von uns Lust darauf hat.
Ich finde, wir müssen bescheuerte Traditionen, die uns einschränken, nicht in Demut hinnehmen. Ich möchte mich dem nicht fügen und ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich irgendwann mit meinem Partner an meiner Seite ein authentisches Fest der Liebe feiern kann. Ein Fest, das zu uns passt – unabhängig von unserem Geschlecht und darauf folgend eine Zukunft, in der wir beide gleichermaßen leben, atmen und dieses verdammt besondere Leben ein bisschen losgelöst von klassischen Rollenbildern teilen können.
Headerfoto: Trung Nguyen via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Hey Nika,
ich wünsche dir ganz viel Kreativität, Mut und Selbstbewusstsein, um genau dein Fest der Liebe zu feiern, irgendwann mal. Also euer Fest 🙂
Wir habens jetzt gerade hinter uns und es war wunderbar. Ziemlich genau so, wie du es beschreibst, ohne Traditionen, die man einfach macht, weil es nun mal so gemacht wird. Sondern mit ganz viel Freiraum und Wohlsein und Begegnen auf Augenhöhe. Anstrengend war aber im Vorfeld dass das ganze Umfeld schon noch sehr klare Vorstellungen hatte, wie „man“ heiratet. Und wir wussten vor allem, was wir alles NICHT tun wollten. Da rauszufinden, wie genau wir es uns denn konkret vorstellten, war wirklich komplex. Aber es hat sich gelohnt, so dass ich nun sagen kann, ich habe geheiratet und war 100% mich selbst dabei. Mensch, Frau, Emanze oder was auch immer 🙂
Liebe Grüsse dir!
Warum nicht ein freies Fest feiern, das zueinander passt? Meine Eltern haben in der Ehe den Namen meiner Mutter getragen, mein Vater mit Doppelnamen. Das Kleid war bunt gestreift. Nach der Trauung ging es chinesisch essen. Gearbeitet haben beide, ebenfalls sich um die Kinder gekümmert. Und das in den 80ern. Ein „Ja“ zueinander ist das eine. Aber dann fängt doch die eigentliche Gestaltung des Miteinanders an. Viel Freude Euch miteinander!