Nah am Wasser

Das Wasser läuft ein. Die ersten Kerzen brennen. Du hast ein Buch ausgesucht. Unser Buch. Mit den zerknitterten Seiten. Zu oft zu Boden gefallen. Voll mit Notizen. So mancher Seite beraubt. Haben es mit unserer Beziehung überschrieben. Sätze ausgeborgt, manche auch schamlos geklaut.

In Liebesbriefe geklebt, als Entschuldigung unter die Sachen des Anderen gemischt. Kennen jede Höhepunkt der Geschichte. Und doch lesen wir es immer noch. Nebeneinander, alleine und heute einmal wieder vor.

Dampf steigt auf, es riecht weich.

Weil ich an der Reihe bin, bleibe ich angezogen, nehme auf dem Stuhl neben der Wanne Platz. Dampf steigt auf, es riecht weich. Die Schatten schwappen über die Wände, fallen auf den Boden. Alles ist warm. Besonders deine Hände in meinem Nacken. Auf die ein paar zärtliche Küsse folgen, die mich noch immer erzittern lassen. Du weißt, was ich mag. Vielleicht, weil es so einfach ist. Weil wenig von dir für mich schon ausreicht.

Dein Handtuch fällt und schneller als ich schauen kann, bist du unter den Schaum geschlüpft. Bedeckst dich mit einer Decke aus verträumter Luft. Nicht aus Scham, sondern, um meine Konzentration nicht zu gefährden. Denn heute muss ich lesen. Nicht schauen, nicht greifen, erkunden, kosten. Sondern unsere Geschichte in den Raum rufen. Sie vor deinen Augen entstehen lassen. Den Alltag vertreiben, für die nächste Stunde ein kleines Paradies beschwören.

Alltag aus, Paradies an

Sobald sich deine Augen geschlossen haben, der gehauchte Kuss in den Wellen versunken ist, stolpern die ersten Silben über meine Lippen. Noch unsicher, nicht im Fluss, fange ich sie auf. Wiederhole mich lieber einmal, als etwas auszulassen. Suche die richtige Betonung. Beobachte dich, wie jedes neue Wort, egal wie vertraut, dich weiter versinken lässt. Dich Richtung Entspannung zieht.

“In tiefster Innigkeit, fern jeder Scheu, von Vertrauen durchwoben, berührten wir uns das erste Mal. Egal, ob es Finger oder Lippen waren. Die Neugier war echt und einfach. Schwer, geduldig zu bleiben und nicht gleich alles haben zu wollen. Sich an jedem Tropfen zu laben, als wäre er ein Meer aus Berührungen.”

Jetzt tauchst du auf. Sind deiner liebsten Stelle so nah. Kann die Worte in all den Variationen hören, in denen sie deine, meine, unsere Lippen verlassen haben. Ein Teppich aus Erinnerungen, ein Netz der Sicherheit, das wir als Fallschirm verwendeten, wann immer wir springen mussten. Dem Alltag entfliehen, in unsere eigene Welt eintauchen, die laute Welt durch eine neue Harmonie ersetzen wollten.

Sag Lava. Sag Eis. Sag Oase. Nichts reicht.

Ein Knistern, nicht in der Luft, sondern an dem Punkt, wo sich unsere Körper kreuzen. Sag Lava. Sag Eis. Sag Oase. Nichts reicht. Annäherungen, unaufhaltsam. Gegeneinander Richtung Miteinander. Vor dem Ziel stehen bleiben. Zurück auf den Weg blicken. Blind vor Aufregung. So oft das Falsche sagen. Bis der Andere sagt: „So stimmt es. Das ist wahr. Wir sind jetzt wahr.“

Als ich meine Augen wieder öffne – selbst erst bemerke, dass ich nicht mehr gelesen, sondern aus dem Gedächtnis gesprochen habe –, stehst du vor mir. Dein nasser, nackter Körper mit Schaum und einem wunderschönen Lächeln geschmückt. Lädst mich ein. In diesen Ozean.

 Headerbild: Ombeline via Creative Commons Lizenz 2.0! („Sexy-Times“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

 

Der Mensch hinter NACHTFARBEN lebt in Wien, entwickelt Spiele und macht auch sonst ein paar spaßige Dinge mit und ohne Liebe. Mehr soll nicht gesagt werden, wir wollen ja noch genug Platz für deine Phantasie lassen.

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