Ich bin immer wieder überrascht davon, nein überwältigt, wie unerwartet und vor allem wie stark Emotionen einen so manches Mal überfallen und umwerfen können. Mit einer Wucht und einer Intensität, bei der man denkt, dieses Gefühl würde wohl nie wieder weggehen. Wirklich. Nie wieder.
Weil wie soll etwas weggehen können, dass einem die Luft zum Atmen raubt, den Bauch schmerzen lässt und für panische Heulattacken sorgt? Und das, obwohl man doch eigentlich so stark sein will. So cool. Wo man doch eigentlich so hart daran gearbeitet hat, zu 90 Prozent der Zeit Herrin der Lage zu sein. Ok, vielleicht nicht 90 Prozent. Aber wenigstens daran gearbeitet hat, eine zu werden, die endlich nichts mehr so leicht umwerfen kann.
Und dann passieren sie trotzdem. Diese Tage. Diese Tage, in denen man plötzlich einfach nur noch fällt und fällt und fällt. Und es ist doch eigentlich schon ganz dunkel und man denkt, noch tiefer kann man doch gar nicht fallen, aber trotzdem will man einfach nicht auf dem Boden aufschlagen, wo der dumpfe Aufprall vielleicht sogar mal ein angenehmes Gefühl wäre. So zur Abwechslung.
Unten warten Wut und Angst
In solchen Momenten bekomme ich Angst. Habe Angst, dass all die gekämpften Kämpfe umsonst waren. Dass ich wie bei Monopoly zurück auf Start gesetzt wurde. In solchen Momenten, da frage ich mich, wie das andere machen. Das mit dem Optimismus und dem Lebensmut und der Lebensfreude.
Auf diese Angst folgt nicht selten Wut. Wut auf mich und auf meine Schwäche. Wut darüber, dass ich mich ungerecht behandelt fühle. Ungeliebt vielleicht auch. Wut über meine Unzufriedenheit. Und darüber, dass ich gleichzeitig ganz genau weiß, dass dafür niemand etwas kann.
Ich weiß, dass es keine Schande ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weiß ich alles. Ist aber manchmal gar nicht so leicht, Wissen mit Fühlen in Einklang zu bringen.
Dass da niemand ist, auf den man all diese wütenden Gefühle abschieben kann. Dem man die Schuld geben kann und zur Verantwortung ziehen. Ich weiß, dass das vor allem ganz viel mit mir selbst zu tun hat und den Gespenstern in meinem Kopf, die sich manchmal nicht im Griff haben und einfach auch schon vor Mitternacht zum Spuken aus ihren Löchern kriechen.
Und jetzt? Ich weiß, dass man nicht allein durch solche Momente gehen muss. Dass man im besten Fall Freund:innen hat, die einen kennen, lieben und stützen. Vielleicht ist da auch Familie, die einem die Hand hinhält. Ich weiß, dass es keine Schande ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weiß ich alles. Ist aber manchmal gar nicht so leicht, Wissen mit Fühlen in Einklang zu bringen.
Es geht nur bergauf!
Vor allem in Zeiten wie diesen, wo einem so wenig geblieben ist, um sich mal eine gedankliche Auszeit zu gönnen. Wo wir uns alle innerhalb unserer vier Wände im Kreis drehen, während wir versuchen, gut auf uns und unsere Mitmenschen aufzupassen. Das sind gerade einfach ideale Bedingungen, um sich hier und da mal kurz in einer Negativspirale zu verlieren. Oder vielleicht auch mal länger.
All das Bananenbrot dieser Welt kann einen da nicht automatisch wieder rausholen. Und auch nicht der Fakt, dass sich seit Neustem alle möglichen Achtsamkeitsbücher bei mir stapeln. Nein. Manchmal, da liege ich einfach auf meinem Bett, mir laufen die Tränen und alles krampft. Richtig doll.
„Hi! Mir geht es manchmal so. Dir auch? Na, dann sind wir ja schon Zwei. Wir schaffen das.“
Und alles, was ich kann, ist leise versuchen zu atmen und auszuhalten. Auszuhalten, dass es wehtut. Richtig doll. Was auch immer der jeweilige Grund sein mag. Ich habe keine Lösung für diese Momente. Würde jetzt gerne eine ganz wunderbare „Moral aus der Geschicht“ aus dem Hut zaubern, bei der man sich nun freuen kann, dass hier nach so vielen Zeilen auch noch eine kleine Serviceleistung lauert. Toll, toll, toll.
Aber Nein. Servicewüste Peace. Hier gibt es jetzt kein How to „Nie mehr emotional einklappen und zeitweise total instabil sein“. Leider nicht. Fände ich auch cool. Hier gibt es nur ein: „Hi! Mir geht es manchmal so. Dir auch? Na, dann sind wir ja schon Zwei. Wir schaffen das.“
Und genau so, wie diese trüben Gedanken und Gefühle einen mit aller Wucht in die Ecke schleudern können, so wage ich mich manchmal auch daran zu erinnern, dass es einem ähnlich gehen kann mit der positiven Variante des Ganzen. Will daran glauben, dass nach einem Tief auch wieder ein Hoch folgen wird. Vielleicht sogar muss. Nach dem Regen kommt ja auch wieder die Sonne, ne? Sagen manche. Hab ich mal gehört.
Headerfoto: Leighann Blackwood via Unsplash („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Sprichst mir aus dem Herzen. Ich fahre mittlerweile die Strategie, die Angst nicht mehr als meinen Feind zu betrachten, sondern mehr als eine nervige Nachbarin, die es im Grunde ja nur gut mit mir meint. Wenn ich sie ab und zu hineinbitte und ihr einen Keks anbiete, dauert es länger, bis sie das nächste Mal an meine Tür klopft.
Danke, danke, danke für diesen tollen Text. So eine Phase hatte oder habe ich gerade und es tut immer wieder gut, zu wissen, dass wir zu zweit, zu dritt oder verdammt viele sind. ❤️
Super Text!♥
Mir geht’s aktuell genauso. Ich versuche irgendwie zu überleben, aber um meine Resilienz ist es gerade nicht so gut bestellt. Reserven sind fast aufgebraucht. Corona wird noch viele Opfer kosten – auf mentaler Ebene.
Danke für diesen schönen Text. Ich kann mich da zu 100% wiederfinden, wir sind also schon mal zu zweit! Und ich sehe es genauso : ein Patentrezept gibt es nicht. Einfach nur durchhalten und auf einen neuen Tag warten.
Danke für diesen schönen Text. Ich kann mich da zu 100% wiederfinden, wir sind also schon mal zu zweit! Und ich sehe es genauso : ein Patentrezept gibt es nicht. Einfach nur durchhalten und auf einen neuen Tag warten.