Mit Magie ins neue Jahr

Der Sekt ist überall im Angebot, die Chips sind reduziert und das Raclette- (wahlweise auch Fondue-)Gerät wird gerade entstaubt. Die Schweißperlen stehen den Gastgebern auf der Stirn und die, die eingeladen wurden, wissen nicht, wohin mit sich, denn das neue Jahr will man ja nicht irgendwo anfangen. Symbolisch wie auch sozial muss die Party sitzen, denn Ehre, Würde und Integrität hängen an dieser alles entscheidenden Nacht, die ein Jahr verabschiedet und ein neues (hoffentlich besseres, denn die Vorsätze sind bereits gefasst) Jahr begrüßt. Die Vorsätze sind auf kleine Spickzettel geschrieben, damit sie beim Smalltalk sitzen und Fitnessstudios freuen sich bereits auf neue Abonnenten, die schon ab Februar nur noch Karteileichen sind. So viel Stress! So viele Klischees! Silvester in Deutschland ist wie seine TV-Sendungen: eine erzwungen lustige Runde, die auf einer zu großen Couch sitzt und sich nicht traut, zu sagen, was sie denkt. Das muss aber so nicht sein, deswegen hier ein paar Alternativen und Perspektiven auf den guten Rutsch.

Reinkommen: Rutschen ohne Ausrutscher

Es muss nicht immer die große Party sein. Wer lärmempfindlich ist, kann sich zum Beispiel einfach ins Umland absetzen. Hütten sollen noch immer mietbar sein. Als kostengünstige Alternative zur Hütte bietet sich auch an: die Höhle. Einfach alle Stühle, die sich in der Wohnung befinden, im Kreis aufstellen und mit einer großen Decke eine Höhle daraus bauen. Gemütlichkeit ist ja auch immer ein bisschen Gebärmutter. Es empfiehlt sich aus Brandschutzgründen in der Höhle kein Feuer (also Fondue oder Raclette) zu veranstalten. Wer auch gleich das Dinner umgehen will, der kann sich mit einer dicken Schlaftablette verköstigen und sanft den Jahreswechsel hindurch schlummern – garantiert ohne Kater. Wer das asozial findet, der kann einfach seine Freunde in die Höhle einladen und gruppenkuschelnd die Pillen nehmen, sie seinen Jüngern reichen und sagen: nehmet und schlafet alle davon.

Durchhalten: Magische Vorsätze

Alexander Jodorowsky, ein chilenischer Künstler, steht mit seinen Arbeiten genau an der Grenze zwischen Kunst und Therapie. Wer ist also besser geeignet, uns ins neue Jahr zu begleiten? Denn a) soll es möglichst galant sein und b) auch heilen. Jodorowsky geht, im Anschluss an die Psychoanalyse davon aus, dass unser Unterbewusstsein nur symbolische Handlungen versteht, wir damit aber gleichzeitig auch einen Zugang zu unseren Problemen finden können: indem wir sie einfach symbolisch lösen. Übersetzt man das auf Silvester, heißt das: Vorsätze zu fassen reicht nicht, es muss ein symbolischer Akt damit einhergehen. Vorsätze für Fortgeschrittene, gewissermaßen. Wer sich vornimmt, im neuen Jahr weniger auf die Fallen der Selbstoptimierungsgesellschaft hereinzufallen, darf hier trotzdem weiterlesen, denn es wird blutig. Erst mal weiter zu Jodorowskys Ansatz. Das Problem zu erkennen, heißt den ersten Schritt zur Heilung zu gehen. Synchron dazu heißt die Erwartung an das neue Jahr, alles anders zu machen und einen Vorsatz zu fassen, den ersten Schritt zu gehen. Das reicht aber nicht! Wer wirkliche Veränderungen will, der muss sich bis ganz tief runter ins Unterbewusstsein von Konflikten befreien.
Wer zum Beispiel eine Beförderung im neuen Jahr erreichen will, der soll, so Jodorowsky, auf ein Stück Papier mit seinem eigenen Blut etwas wie „Ich kann es! Ich bin es wert“ schreiben und dieses Papier (je nach Geschlecht) an den Geschlechtsorganen anbringen (einführen, anbinden, irgendwie in die Unterwäsche packen) und es nach einem Tag damit unten, in einen Blumentopf zu Hause stecken. Dabei geht es weniger um die tatsächliche Beförderung, sondern um die innere Stärke, ihr Ausbleiben auch mal auszuhalten.
Klingt für ungewohnte Ohren erst mal hart, aber soll funktionieren, denn, wie gesagt, das Unterbewusstsein arbeitet mit Symbolen. Wenn wir uns selbst überwinden wollen, müssen wir am inneren Schweinehund vorbei, der das Tor zu unserer eigenen Unterwelt bewacht und ganz tief da runter …

Runterkommen: 

Oh, ein Katerrezept, ganz ohne Blut oder Magie, hab ich natürlich auch noch: Basentabletten (oder Basenpulver) jeweils vor dem ersten Schluck und kurz vor dem Schlafen hilft dem Körper, die verlorenen Mineralstoffe wiederzubekommen, die, wenn sie fehlen, den ersten Morgen im neuen Jahr zum Trauma machen.

Bleibt mir nur noch einen guten Rutsch und viel Liebe im neuen Jahr zu wünschen!

Headerfoto: Sparkly 2017 via Shutterstock.com. (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

KEVIN zerbricht sich gerne den Kopf über alles, was mit Liebe zu tun hat. Überhaupt schreibt er gerne über alle möglichen zeitgenössischen Phänomene zwischen Pop- und Subkultur. Keine Kneifzange, alles kommt in den literarisch-essayistischen Fleischwolf. Neben dem freien Schreiben bloggt er auf "wolf auf tausend plateaus" über genau das: Alles und Mögliches.

1 Comment

  • klasse! Mit Jodorowsky ins neue Jahr ist die beste Idee, die mir jetzt passieren konnte. Ich gehe mir dann mal Zettelchen in die Unterwäsche klemmen…

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