Ja, ich gebe es zu: Ich schaue gern Reality TV, ich liebe Datingshows und das TV NOW Abo sind meine best invertiertesten 5 Euro des Monats. Und trotzdem gucke ich regelmäßig sprachlos auf den Fernseher und schüttel den Kopf über so viel Dreistigkeit und Ignoranz. In meiner Bubble, in der ich lebe, existiert Sexismus natürlich auch, aber definitiv nicht in diesem Maße. Bauer sucht Frau, Bachelor:ette, Couple Challenge – alles, was gerade läuft, enthält Sexismus, Misogynie und toxische Männlichkeit.
Challenge Nummer eins: Das Sommerhaus der Stars
Speziell rege ich mich heute über das Sommerhaus der Stars auf. Ein Pärchen, das dort gemeinsam antritt, wird schon am ersten Tag mit der ersten eher privaten Challenge konfrontiert. Sie war vor vielen Jahren mal mit einem anderen der Kandidat:innen zusammen und sagt es ihrem Freund direkt, als sie ihren Exfreund entdeckt. Und dann geht das große Kopfschütteln los. Ihr aktueller Freund ist sehr unsicher, shamed sie, macht sie verantwortlich für alles, verbietet ihr Kontakt, schränkt sie in jedem Schritt ein und fordert und fordert und fordert.
Ich sitze vor dem Fernseher, kann kaum glauben, dass sowas immer noch gesendet wird. Bringt Zuschauer:innen und Klicks, ja. Aber zu welchem Preis? Und wissen die Menschen hinter den Kulissen überhaupt, wie eine gesunde Beziehung aussieht? Das ist natürlich nicht die erste schwierige Situation im Reality TV und ziemlich sicher auch nicht die letzte. Und doch schockiert es mich.
Bringt Zuschauer:innen und Klicks, ja. Aber zu welchem Preis? Und wissen die Menschen hinter den Kulissen überhaupt, wie eine gesunde Beziehung aussieht?
Natürlich kann man das Ausstrahlen solcher Momente auch nutzen, um Debatten anzustoßen, zu Diskussionen anzuregen und klarzustellen, dass solches Verhalten nicht gesund und nicht normal in Beziehungen egal welcher Art ist. Die Sender dieser Shows tun dies aber nicht. Bei anderen Formaten brauchte es erst einen viralen Aufschrei, der dazu führte, dass Szenen nachträglich gelöscht wurden oder die Sender dahinter Stellung nahmen.
Außerhalb der eigenen Bubble ist es manchmal gruselig
In der eigenen Bubble vergesse ich manchmal, dass toxische Männlichkeit und Misogynie an anderen Orten an der Tagesordnung sind und ganz ehrlich, ich würde die Partner:innen der Personen immer gern in den Arm nehmen ihnen sagen, dass all das, was sie da erleben, Manipulation und Erpressung ist. Gleichzeitig frage ich mich aber, warum ich solche Formate immer noch schaue und damit den Sendern die Möglichkeit gebe, mehr zu produzieren.
Ich frage mich, warum ich solche Formate immer noch schaue und damit den Sendern die Möglichkeit gebe, mehr zu produzieren.
Um mich aufzuregen? Um mir selbst bewusst zu machen, wie glücklich ich mich schätzen kann, mich nicht täglich damit auseinandersetzen zu müssen? Oder gerade, um mir solche Themen bewusst zu machen, damit ich mich damit auseinandersetzen muss? Wie wunderbar wäre es, wenn Sender bei solchen Szenen einfach eine kleine Bauchbinde schalten könnten: Triggerwarnung: toxische Männlichkeit, alle gezeigten Aussagen und Szenen zeigen Sexismus und keine gesunde Beziehung.
Vorschlag für den Bildungsasuftrag
Auch aufgrund der häufig sehr jungen Zielgruppe empfinde ich den Bildungsauftrag, den Medien haben, als nicht ausreichend genutzt. Am Ende machen all diese Formate mit emotionaler Erpressung und seelischer Gewalt keinen Unterschied der Misshandlung zu Netflix-Formaten wie Squid Game. Der einzige Unterschied ist, dass bei Squid Game alles fiktional und ausgedacht ist und wir nach der Show den Fernseher ausschalten und die Misshandlung vorbei ist.
Mein Vorschlag also, wenn wir an die Sendung LOL auf Amazon denken: Jede:r der/die etwas Misogynes oder Sexistisches sagt, sollte durch einen Buzzer-Klick aus der Show gekickt werden. Würde ich auch gucken. Oder freiwillig die Jury sein. Für den letzten Kick.
Headerfoto: KoolShooters via Unsplash. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!