Als ich mit 13 Jahren zum ersten Mal meine Periode bekam, war ich eine der letzten in meiner Klasse. Wenn ich heute darüber nachdenke und mit anderen Frauen darüber rede, stelle ich immer wieder fest, dass ich trotzdem noch recht jung war für dieses ganze Frau-werden-Ding.
Denn für mich bedeutete das Einsetzen meiner Periode nicht nur pubertäre Peinlichkeit. Es bedeutete auch in einer gewissen Art und Weise, dass meine Kindheit nun vorbei war. Ab diesem Moment war ich nämlich zumindest rein biologisch in der Lage, Kinder zu bekommen.
Somit war auch klar: Ich musste jedes halbe Jahr zum Gynäkologen, um sicherstellen zu lassen, dass bei mir „da unten“ auch alles in Ordnung ist. Okay. Klingt erst einmal soweit ganz vernünftig. Schließlich geht es um meine Gesundheit. Der Intimbereich der Frau ist ja auch für Infektionen jeglicher Art viel anfälliger als der eines Mannes.
Für mich bedeutete das Einsetzen meiner Periode nicht nur pubertäre Peinlichkeit, sondern auch, dass meine Kindheit nun vorbei war.
Besser regelmäßig checken, ob die Flora ausbalanciert ist, sich irgendwo irgendwelche Zysten verstecken und oder ob man sich vom letzten ONS durch nen blöden Zufall Chlamydien eingefangen hat. Das soll – das muss! – verhindert werden! Und Kranplätze müssen verdichtet sein.
Nun bin ich 29 Jahre alt und gehe selbstverständlich (!!) immer noch regelmäßig zum Frauenarzt – halbjährliche Vorsorge-Untersuchung nennt sich das. Aber was „vorsorge“ ich denn da eigentlich?
Bis vor wenigen Tagen habe ich das nie wirklich hinterfragt. Denn, wie gesagt, ist ja vernünftig, zum Arzt zu gehen, damit man immer weiß, dass alles fit im Schritt ist. Doch letzte Woche ereignete sich dann bei meiner Arbeit ein Gespräch mit meiner lieben Kollegin Camille, die folgende Frage in den Raum stellte:
„Ist es nicht seltsam, dass Frauen zweimal im Jahr zum Arzt laufen müssen, um festzustellen, ob sie irgendwelche gesundheitlichen Probleme im Intimbereich haben – und Männer nicht? Kein Mann geht zum Urologen, es sei denn, es brennt akut oder er ist weit über 50 und bekommt Probleme mit der Prostata. Warum ist das so?“
Tja, warum ist das so? Die einzige Antwort, die uns beiden darauf einfiel, war: Ab dem Moment, in dem eine Frau bereit ist, Kinder zu bekommen, wird ihr Uterus zum Knotenpunkt privaten UND allgemeinen Interesses.
Ab dem Moment, in dem eine Frau bereit ist, Kinder zu bekommen, wird ihr Uterus zum Knotenpunkt privaten UND allgemeinen Interesses.
Und die Antwort auf die Frage nach der Begründung dieses Interesses ist auch nur diese: Die Frau ist bereit, Kinder zu bekommen. Es muss folglich alles dafür getan werden, dass das auch so bleibt. Und zwar solange, bis sie Kinder bekommen hat – „ihre Familienplanung abgeschlossen hat“ – oder es eben nicht mehr geht.
In einer Zeit, in der Frauen sich viel häufiger als noch vor 50 Jahren für Karriere statt Kinder entscheiden, oder zumindest erst einmal, muss der Vorsorgewahn, den das staatliche Gesundheitssystem uns Frauen aufoktroyiert, zumindest einmal hinterfragt werden. Denn: Wie kann es sein, dass Männer bis zu dem aktiven, also vorsätzlichen Versuch einer Zeugung im durchschnittlichen Alter von 30 Jahren oft nicht einmal wissen, ob sie nun zeugungsfähig sind oder nicht?
Währenddessen bekommen Frauen von 14 bis 48 durchgängig immer wieder gesagt, ob sie Kinder gebären können und was sie dafür tun müssen, dass das so bleibt. Und darüber hinaus werden sie im Alter von 20 bis 35 zusätzlich auch ständig und von allen daran erinnert, dass sie doch auch bitte Kinder bekommen sollen. Und zwar unabhängig davon, ob sie nun Kinder haben wollen oder nicht.
Schließlich wird man ja nicht jünger, die Uhr tickt, und man will ja auch mit 70 nicht alleine unterm Weihnachtsbaum sitzen.
Die Gebärfähigkeit einer jeden Frau ist für den Staat anscheinend nur scheinbar ihr eigenes Business. Nein, spätestens seit der geradezu grenzbescheuerten Idee Jens Spahns, die psychischen Folgen von Abtreibungen in einer Studie feststellen zu lassen, ist klar: Mein Uterus gehört nicht nur mir, er gehört dem Staat. Krass. Finde ich gar nicht mal so geil.
Ich bin an meiner eigenen Gesundheit interessiert. Und nicht daran, ob meine Gesundheit für den Staat eine kinderreiche Zukunft bedeutet.
Natürlich bin ich daran interessiert, dass bei mir gesundheitlich alles in bester Ordnung ist. Auch in meinem Uterus. Aber ich bin in aller erste Linie, wie bereits gesagt, an meiner eigenen Gesundheit interessiert. Und nicht daran, ob meine Gesundheit für den Staat eine kinderreiche Zukunft bedeutet. Oder zumindest eine um durchschnittlich 1,9 Kinder reichere Zukunft.
Ich bin keine Gynäkologin. Ich weiß nicht, ob es trotzdem eben doch sinnvoll ist, jedes halbe Jahr zum Arzt zu gehen. Auch unabhängig von meinem eigenen nicht vorhandenen Kinderwunsch. Aber wenn man beschwerdefrei ist, reicht dann nicht auch einmal im Jahr? Oder einmal alle zwei Jahre? Frage für keine Freundin.
Der Mensch als solcher hat doch ein natürliches Recht auf Desinteresse. Warum greift dieses Recht auf Desinteresse an der eigenen Zeugungsfähigkeit trotzdem nur bei Männern? Ist das fair? Von einem Staat, der ja auch mir als Frau erlaubt, Zigaretten und Alkohol zu kaufen, mich nicht regelmäßig um meine Lunge und meine Leber zu kümmern, aber um meinen Uterus?
Natürlich ist mir auch klar, dass in Vagina und Uterus manchmal viel mehr vor sich geht, als Frau so mitbekommt. Aber das ist bei Männern doch auch nicht anders. Tatsächlich sind Männer doch viel häufiger auch die Überträger von fruchtbarkeitsmindernden Geschlechtskrankheiten, weil sie selbst eben viel seltener mitbekommen, was sie so alles mit sich herumtragen.
Warum greift dieses Recht auf Desinteresse an der eigenen Zeugungsfähigkeit trotzdem nur bei Männern? Ist das fair?
Aber ihnen wird, im Gegensatz zu den Frauen, kein Druck gemacht, sich regelmäßig danach zu erkundigen.
Erstaunlich eigentlich, wenn man bedenkt, dass zur Zeugung von Kindern auf ganz ursprünglichem Wege ja zwei Menschen gebraucht werden: eine Person mit einem Uterus UND eine Person mit intaktem Sperma. Ob das staatliche Kontrollbedürfnis jetzt unverantwortlich den Männern gegenüber ist oder überfürsorglich den Frauen gegenüber – ich weiß es nicht und freue mich auf lehrreiches Feedback.
All das darf jede Frau, jeder Mensch, für sich anders sehen und dementsprechend handeln. Ich GANZ PERSÖNLICH wäre jedenfalls sehr dankbar, wenn mein Uterus aus dem Scheinwerferlicht heraustreten dürfte. Mein Uterus geht nur mich was an. Komm Uterus, wir gehen.
Headerfoto: kevin laminto via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Hallo!
Ich habe keine Gebärmutter mehr und muss trotzdem alle 6 Monate zur Vorsorge-Untersuchung.
Der Grund: Bei der Vorsorge wird mit dem Abstrich überprüft ob sich veränderte Zellen an der Cervix befinden, die zu Gebärmutterhalskrebs führen können.
In vielen Punkten werden Frauen im Gesundheutssystem benachteiligt. Hier allerdingt geht es weniger um staatliche Interessen als um ein recht hohes Krebsrisiko, was man früh erkennen und behandeln kann.
Wo ich noch großen Handlungsbedarf sehe ist die regelmäßige Testung auf Geschlechtskrankheiten. Das nur Mädchen und Jugendliche bis 18 Jahren gegen den HPV-Virus geimpft werden ist eine Diskriminierung von allen Menschen, die die Impfung nicht erhalten. Mädchen werden immerhin bei den obligatorischen Frauenarztbesuchen darüber informiert. Jungen können diese Impfung auch erhalten, aber wer macht das schon?
Die Impfung macht auch später noch Sinn, aber da man schließlich in jungen Jahren den Partner fürs Leben kennen lernt, eine feste monogame Beziehung eingeht und das für den Rest des Lebens so bleibt, gibt es keine Notwendigkeit andere Menschen zu Impfen oder auf STI´s zu testen.
Aber wenn man einen Test oder die Impfung möchte, muss man tief in die Tasche greifen und wird auch noch blöd angeschaut.
Viele Grüße
Maria
Hui ganz provokative These.
Es stimmt schon, dass bei Frauen, spätestens wenn sie die Pille haben wollen, es nachdrücklich indoktriert wird, ständig zum Frauenarzt zu latschen. Und wenn ich manchmal beim FRAUENarzt bin, frage ich mich wirklich ob es um mich und meine Gesundheit geht oder um die Zeugungsfähigkeit und meine Funktion als Mutter. Ich hatte erst einen (!) Arzt von 6 verschiedenen, der es völlig okay fand, das ich ich keine Kinder möchte und mich trotzdem ganz normal behandelte.
Aber was mich verwirrt: Warum geht man zum Frauenarzt, wenn es denn für sich selbst keinen Sinn macht? Es gibt ja schließlich keine Bestrafung für sowas? Ich gehe jährlich zum Frauenarzt weil meine Gebärmutter ab und an zu vermehrten Schleimaufbau und Zysten neigt. Sonst wäre ich da wahrscheinlich nur alle 5 Jahre. Als Frau sollte man seinen üblichen Geruch, Konsistenz und Farbe des Ausflusses kennen und dann ggf. einen Arzt aufsuchen. Wo liegt also das Problem, sich aktiv den 6-monatigen Kontrollen zu entziehen?
Und ja: Ich finde Fürsorge beim Mann und das Kommunizieren dessen (nicht nur wegen Prostatakrebs) sehr wichtig und notwendig!
Grüße, Jessica