Vor kurzem hatte ich meinen ersten, kleinen Shitstorm. Naja, um genau zu sein, war es gar nicht „Scheiße“, die mir da entgegenflog, sondern viel mehr schlichtweg Kritik an einer Formulierung in meinem Text. Doch weil diese Kritik in der Kommentarspalte auf Social Media stattfand, fühlte es sich im ersten Moment an wie ein Shitstorm.
Im zweiten Moment aber erkannte ich die darin liegende Chance. Weil ich denke, dass der beste Diskurs der ist, in dem ehrlich miteinander kommuniziert und sich verletzlich gezeigt wird, habe ich diesen Text genauso geschrieben. Damit möchte ich nicht mich in den Mittelpunkt rücken, sondern das, was in meinen Augen wirklich wichtig ist in dieser Debatte über Gender-Diskriminierung und Sprache.
Ich denke, dass der beste Diskurs der ist, in dem ehrlich miteinander kommuniziert und sich verletzlich gezeigt wird.
Die Formulierung wurde aufgrund ihrer widersprüchlichen und auf non-binäre Menschen potenziell verletzend wirkenden Aussage kritisiert. Das traf mich. Als Journalistin, die sich feministisch äußert und gegen Diskriminierung stark machen möchte, und auch als empathischer Mensch achte ich sehr genau darauf, eine korrekte und inklusive Sprache in meinen Texten und Gesprächen zu verwenden.
Um das zu können, lese ich Bücher und schaue Interviews und Dokus. Ich bilde mich weiter und sammle fleißig Argumente, um später in Diskussionen die passenden Begriffe parat zu haben und meinen Standpunkt klar vertreten zu können. Und trotzdem ist mir dieser Fehler passiert, durch den sich jemand diskriminiert gefühlt hat.
Angst, die egoistisch macht
Das hat mich aufgewühlt und zum Nachdenken gebracht. Ich kann nicht gut mit Fehlern umgehen. Das darf ich definitiv noch lernen. Inzwischen glaube ich sogar, dass ich absichtlich (von dem oder was auch immer gesteuert) immer wieder in Situationen gerade, die mich damit konfrontieren und mir die Möglichkeit geben, es endlich zu checken. Aber nur weil ich gewillt bin, es zu lernen, bedeutet das nicht, dass ich Fehler herzlich willkommen heiße und in meine Arme schließe.
Um ehrlich zu sein: Ich hasse es, etwas falsch zu machen. Und wenn mein Fehler dann auch noch andere negativ beeinflusst, möchte ich am liebsten wegrennen, abtauchen und mit neuer Identität am anderen Ende der Welt ein neues Leben beginnen. Zumindest ist das mein erster Impuls – wahrscheinlich ein weiterer, übriggebliebener Urinstinkt – in solchen Situationen.
Ich hasse es, etwas falsch zu machen. Und wenn mein Fehler dann auch noch andere negativ beeinflusst, möchte ich am liebsten wegrennen, abtauchen und mit neuer Identität am anderen Ende der Welt ein neues Leben beginnen.
Bis ich mich dann schließlich daran erinnere, dass ich, auch wenn es sich selten so anfühlt, ein erwachsener Mensch bin, der selbst die Verantwortung für sein Handeln trägt. Und wenn es auch andere Menschen betrifft, muss ich mich stellen, anstatt wegzurennen. Mist. Also habe ich meinen ersten Impuls ignoriert, kurz durchgeatmet und dann die Kommentare gelesen.
Ich habe reflektiert und überlegt, welche Kritik in meinen Augen konstruktiv ist und was ich daraus für mich mitnehmen kann. Immerhin war das die Kommentarspalte auf Social Media – bei aller Einsicht ist ein differenzierter Blick also dennoch sinnvoll. Dieser Prozess war nicht angenehm, aber wichtig.
Außerdem habe ich erkannt, dass mein Wille, zu lernen, um einen guten Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, viel größer ist als meine persönliche Angst davor, Fehler zu machen. Das sollte selbstverständlich sein, ich weiß. Aber auch an dieser Stelle will ich ehrlich sein. Manchmal ist da Angst. Angst, die mich hemmt und egoistisch macht. Umso wichtiger sind die Momente und die Kritik von außen, die mich direkt damit konfrontiert.
Was ich gelernt habe
Es gibt Menschen da draußen, die sich aufgrund meines Unwissens verletzt, getriggert, diskriminiert fühlen oder dadurch sogar retraumatisiert werden könnten. Meine Angst, mein persönliches Befinden spielt dann keine Rolle mehr. Stattdessen ist es meine – die diesbezüglich nicht von Diskriminierung betroffen ist – Aufgabe, mich damit zu beschäftigen und mit Betroffenen zu sprechen, um so sensibel und empathisch wie nur möglich mit ihnen umgehen und meine Stimme für sie erheben zu können.
Auch wenn im Mittelpunkt dieses Themas ausnahmslos die stehen, die die Diskriminierung erfahren, ist es wichtig, dass auch wir, die wir täglich dazu lernen, geduldig und mitfühlend mit uns sind.
Was ich noch dazu gelernt habe: Es ist ein Prozess des Verstehens, Reflektierens und Lernens. Und in diesem Prozess passieren Fehler, die möglicherweise sogar verletzen, aber zumindest immer auch neue Erkenntnisse mit sich bringen. Auch wenn im Mittelpunkt dieses Themas ausnahmslos die stehen, die die Diskriminierung erfahren, ist es wichtig, dass auch wir, die wir täglich dazu lernen, geduldig und mitfühlend mit uns sind.
Denn nur wenn wir empathisch mit uns selbst umgehen, können wir es auch mit anderen. Und Empathie ist im Kampf gegen Diskriminierung vielleicht sogar die wichtigste Waffe überhaupt.
Headerfoto: Michelle Leman via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!