Beziehung. Partnerschaft. Liebe. Hingabe. Füreinander-Dasein. Mehr als das.
Was erwarte ich eigentlich heute als erwachsene, selbstständige Frau von meiner Partnerschaft? Hast Du Dich mal mit den Details Deiner Erwartungshaltung und mit dem beschäftigt, was Dir entgegengebracht wird?
Ihr habt euch gefunden – aber was bedeutet das heute eigentlich? Wie viel Raum kannst Du Deinem Lieblingsmenschen realistisch betrachtet wahrhaftig einräumen und wie viel Platz ist für Dich im Leben des anderen? Wie haben sich Deine Erwartungen erfahrungsgemäß nach Erlebnissen in der Vergangenheit verändert?
Alles war so einfach, weil der Mittelpunkt meines Lebens auf mein Gegenüber ausgerichtet war.
Meine Gedanken fließen zurück in die Vergangenheit, als man das erste Mal in solch einer Beziehungssituation gewesen ist. Ich weiß noch ganz genau, wie es damals war: Alles war so einfach, weil der Mittelpunkt meines Lebens auf mein Gegenüber ausgerichtet war. Nach dem Aufstehen, während der Fahrt zur Schule, in den Pausen, am Nachmittag nach den „Verpflichtungen“, während des Trainings, am Abend und bis hin zum Einschlafen waren meine Gedanken ausschließlich bei meiner jungen, naiven Liebe. In jeder Sekunde hatte ich nur einen Gedanken im Kopf: Wann sehe ich dich endlich wieder?
Damals gab es noch keine Verpflichtungen im Alltag, wie es sie heute gibt. Keine essentiellen Fragen zu Deiner Lebenslage, Deinem Job, Deinem Alltag, der Zukunft, Deiner Selbstbestimmung, Deinen Zielen oder Deinen Wünschen waren so präsent wie der Gedanke an deine Liebe. Nichts und niemand konnte Dich von diesem manifesten Gedanken abbringen.
Es gab einfach nur uns – so einfach wie es klingt war es auch. Tja, das war eben die Jugendliebe. Deine Erwartungshaltung richtete sich ausschließlich danach, jede mögliche Minute mit Deinem Gegenüber verbringen zu können, um den Schmetterlingen, die in Deinem Bauch ins Unermessliche wuchsen, Raum zu schaffen.
Jeder hat in den letzten Jahren viel dafür getan, um glücklich zu sein.
Heute, nach all den Jahren, denke ich ein wenig anders, ich belächle mein naives Ich von damals und frage mich, was ich eigentlich heute von meiner Beziehung, Partnerschaft (fürs Leben?) erwarte. Ohne lange zu zögern, fällt mir die Floskel „eine Beziehung auf Augenhöhe“ ein. Ich stehe im Leben, Du stehst im Leben. Jeder hat in den letzten Jahren viel dafür getan, seine Ziele und Träume zu verwirklichen, sich auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln, um im Hier und Jetzt glücklich zu sein.
Das bedeutet aber auch, dass Du Deinem Erwachsenenleben eine Struktur gegeben hast, einen Aktionsrahmen bei gegebenem Spielfeld geschaffen hast. Deine Familie und Deine liebsten Freunde haben einen festen Platz in Deinem Leben und obwohl sie frei auf dem Spielfeld interagieren, verlässt keiner das Spielfeld, auch wenn es ein wenig voll zu sein scheint. Irgendwie bekommst Du doch alles unter einen Hut, weil Du Deinen Spielregeln tagein, tagaus folgst.
Du bist verliebt, so sehr wie lange nicht mehr. Und jetzt?
Und nun steckst Du in der Zwickmühle, weil Dein Spielfeld auf einmal durch einen Wow-Faktor von außen angestupst wird – richtig, Du bist verliebt, so sehr wie lange nicht mehr oder noch nie. Und jetzt? Jetzt musst Du Dein Spielfeld neu sortieren. Aber wie?
Welche Figuren werden in welche Richtung wie weit gerückt, um dem neuen Mitspieler genügend Platz einzuräumen, schließlich bleiben die Spielregeln, die sich um Verpflichtungen oder den Job-Alltag, Deine Gesundheit, Deinen Ausgleich drehen, bestehen. Leider wird Dein Tag nun auch nicht mehr als 24 Stunden haben.
Vielleicht wird sich Deine Erwartungshaltung an Deine Partnerschaft verändert haben.
Also ja, vielleicht wird sich Deine Erwartungshaltung an Deine Partnerschaft, an Deine neue Liebe verändert haben. Das Füreinander-Dasein und die gegenseitige Unterstützung, die Rücksichtnahme und das Zuhören erhalten eine völlig neue Bedeutung. Indem Du Ratschläge bei Kummer oder kniffligen Situationen erhältst, indem Dir gezeigt wird, dass bei Deinen Erzählungen aufmerksam zugehört wurde und Dir kleine Aufmerksamkeiten vor Augen erscheinen, erfährst Du Zuneigung.
Die gemeinsame Zeit wird immer weniger, die kleinen Momente immer kostbarer, erfüllender und die Zweisamkeit intensiver, tiefer, bedeutsamer. Die Tatsache, dass Du Deinem Gegenüber Platz in Deinem Leben einräumst, wird zu einer wertvollen Geste, wenn Du Dich erstmal langfristig dafür entschieden hast. Andersherum zeigt die Geste Deines Partners, welchen Stellenwert Du in seinem Leben einnimmst.
Du möchtest, dass Deine Gefühle ernst genommen werden.
Du möchtest, dass Deine Gefühle ernst genommen werden, Deine Gedanken einen Raum erhalten, gehört werden und Du auf Unterstützung allzeit zählen kannst. Im Gegenzug schaffst Du Freiraum, lässt ein Stück weit los und vertraust darauf, dass das Zurückhalten Deiner Gefühle an manchen Stellen notwendig ist, um das Wir zu stärken.
Das bekannte „Geben und Nehmen“ bedeutet nun, sein Gefühlspendel an dem einen Tag in neutralem Zustand zu belassen und an dem anderen Tag kraftvoll schwingen zu lassen. All das schafft über die Zeit blindes Vertrauen, indem Ihr Euch gegenseitig fallen lasst und Euch eines Tages ohne Worte versteht.
Nur über Ehrlichkeit, Emotionsäußerungen und gemeinsame Momente kann die Basis gebildet werden, die ein Zusammensein erst ernsthaft ermöglichen kann.
Ein großes Stück Zuneigung, eine Prise Ehrlichkeit gepaart mit Achtsamkeit, ein Stückchen Toleranz und ein Krümel Verstand.
Eigentlich klingt es ganz einfach: Ein großes Stück Zuneigung, eine Prise Ehrlichkeit gepaart mit Achtsamkeit, ein Stückchen Toleranz und ein Krümel Verstand formen einen neuen Teil Deines Spielfeldes, der sich als Bereicherung Deines bisherigen etablieren wird.
Den Rest wird die Zeit regeln, in der sich alles einspielen wird und dann, dann wirst Du Dein Glück nicht mehr fassen können. Dann wirst Du bemerken, dass sich die schier endlos lange Liste an Erwartungen auf die Größe eines Post-Its verringert haben wird.
Headerfoto: Guillaume Bolduc via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!