Warum lächelst Du nicht? Dir geht es gerade nicht so gut? Fühlst Du Dich dreckig, einsam und allein gelassen mit all dem Ballast auf Deinen Schultern, den niemand verstehen kann, weil es keinen gibt, der die Zeit oder die Muße hat, Dir jemals aufmerksam zuzuhören? All die Leute, die Dir nah waren, sind verschwunden und Du fühlst keine Verbindung zu den meisten Menschen, die Dich zurzeit ohnehin nur peripher umgeben?
Findest Du keinen Trost im Allerlei der Dinge, die den anderen so viel Spaß zu machen scheinen? Hast Du das Gefühl, allein auf der Welt zu sein? Im Universum? Kommst Du zum Schluss, dass nichts und niemand eine wirkliche Bedeutung hat? Hast Du das Gefühl, dass Du morgen nicht mehr schaffen wirst?
Dann möchte ich Dich beglückwünschen. Ich freue mich für Dich. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich etwas neidisch auf Dich bin. Aber ich glaube, ich greife vor. Also lass mich kurz ausführen.
Ich weiß, wie Du Dich fühlst. Ich kenne all diese Gefühle. Ich hatte und habe sie gelegentlich selber.
Ich weiß, wie Du Dich fühlst. Nein, nicht mit den Augen rollen! Bleib hier für einen Moment und lies weiter! Ich kenne all diese Gefühle. Ich hatte und habe sie gelegentlich selber. Und wie so viele, wie wohl auch Du, schweige ich davon. Und zurecht. Es bringt ja auch keiner Schindlers Liste mit zum Filmabend.
Aber deswegen würde ja kein Mensch in der Welt jemals behaupten, dass es ein schlechter Film wäre. Nein, es ist ein Meisterwerk, in Kraft und Ausdruck. Aber es soll lustig zugehen, wenn wir uns sehen. Niemand möchte hören, wie es wirklich geht. Und niemand will anderen mit seinem Scheiß auf den Sack gehen.
Und so bleibt es bei uns und kriecht in unseren Venen. Wie schwarzes Öl durchdringt es unsere Herzen und lacht kalt im Dunkeln macht sich in unserer Seele breit. Wir wollen ja auch selbst nicht hinschauen und lenken uns lieber ab mit Weapons of Mass Distraction. Wir treffen uns mit Menschen und reden über die Höhepunkte unserer Zeit in der Ablenkung und vergleichen deren jeweiligen Wirkungsgrad, das Leben schön zu machen.
Nicht zu selten werden wir auf Menschen treffen, die in unseren Augen weit mehr mit ihrem Leben und ihrem Potential angestellt haben, als man selbst. So gesellt sich Selbstzweifel zum lichtlosen Gift der Isolation in uns. Das Fühlen an sich wird immer schwieriger und seltener – und dann kommt die Angst. Lass mich ausreden, dann brauchst Du keine Angst mehr zu haben.
Das Fühlen an sich wird immer schwieriger und seltener – und dann kommt die Angst.
Diese Dunkelheit konsumiert Dich, hüllt Dich ein, bis Du nicht mehr atmen kannst. Du willst schreien, aber es würde keiner hören. Du weißt, es ist da, aber es ist nicht greifbar, wie ätzender Nebel. Und es wächst. Jeden Tag ein wenig mehr. Gut.
Das heißt, Du hast den ersten Schritt getan. Du tust etwas, das sehr, sehr viele Menschen auf dieser Welt tunlichst vermeiden. Du beschäftigst Dich damit. Vielleicht auch nur, weil es mittlerweile zu groß geworden ist, um es noch zu ignorieren. Es nimmt zu viel Raum ein. Doch Du weißt nicht, hast keine Ahnung mehr, wie Du diesen Dämonen noch Herr werden sollst.
All diese Bestien, die im Raum hinter der verschlossenen Tür leben und durch die Ritzen im Rahmen quellen wie schwarze Tentakel – kurz davor, die schon berstende Tür in tausend Teile zu sprengen. All die nie vollendeten Dinge, die toten Träume und verflossenen Lieben, die Psychosen und persönlichen, unvorhersehbaren Horrorszenarien, für die niemand jemals Zeit haben wird, um sie aufzuarbeiten.
Kein Grund, langsam den Kopf zu schütteln und die Augen so weit aufzureißen. Bleib hier. Schau hin! Das ist der Schlüssel. Diese beiden Worte: Schau hin.
Kein Grund, langsam den Kopf zu schütteln und die Augen so weit aufzureißen. Bleib hier. Schau hin! Das ist der Schlüssel. Diese beiden Worte: »Schau hin«.
Wann immer Du bereit bist, hast Du nun die Möglichkeit, mit diesem Schlüssel diese schwere Tür zu öffnen. Und Dir die bestialischen, grotesken Dämonen anzuschauen, die Du dorthin verbannt hast.
Ich weiß, Du hast Angst. Aber wovor eigentlich? Was ist es, das Dich nicht schlafen lässt? Es ist hinter der Tür. Diese Tür, die niemand, nicht einmal Du, öffnen will. Aber: Nur Mut. Die ersten Male wirst Du die Tür panisch zuschmeißen. Du wirst es vielleicht eine Weile lassen, die Tür zu öffnen und den Schlüssel zu den andern auf die Kommode legen. Mit Freunden ausgehen. Aber eines Mittwochs siehst Du den Schlüssel daliegen.
Du wirst die Gravur lesen und es noch einmal versuchen. Diesmal kennst Du die Gespenster bereits und das Kreischen und kannst einen Moment länger hinschauen. Und plötzlich stellst Du fest, dass durch das Beobachten die Monster an Macht verlieren. Denn Du schaust sie an. Das können sie nicht leiden. Das ist wie Gift für sie. Deswegen sind sie so laut. Nur unbeobachtet können sie wachsen und gedeihen.
Sie wissen jetzt, dass Du es weißt, und sie fliehen in die Schatten – wie Ungeziefer vor der Fackel. Du willst sie jetzt aber sehen, doch sie wollen nun nicht mehr gefunden werden. Also musst Du sie suchen gehen. Doch der lichtlose Raum hinter der Tür ist groß und geht tief. Aber verzage nicht. Solange Du die Tür sehen kannst, gibt es einen Weg zurück. Lange ist es dunkel und kalt. Leer. Eine ungeahnte Neugier wächst in Dir.
Wo immer Du die dunklen Bestien aufstöberst, musst Du sie anschauen, studieren.
Nun wirst Du vom Gejagten zum Jäger. Wo immer Du die dunklen Bestien aufstöberst, musst Du sie anschauen, studieren, ihre Wesenskerne ausmachen und ihnen mit Ein- und Klarsicht die Macht entziehen. Je mehr Du von ihnen kennenlernst, desto weniger furchtbar werden sie. Auf Deinen Exkursionen wirst Du Dich ihnen nähern und Deine Hand langsam ausstrecken.
Sie werden erst noch knurren und bellen – wie Hunde, die zu lange im Käfig gehalten wurden. Doch dann werden sie leise und wollen vielleicht sogar Deine Hand beschnuppern. Du atmest flach, um die Biester nicht zu verschrecken, aber sie gewähren Dir schließlich das Recht, Deine Hand auf ihre Köpfe zu legen. Erst einer, dann mehrere. Andere gesellen sich aus den Schatten hinzu. Auch diese Monstren gestattet Dir, sie zu berühren.
Sie sitzen nun neben Dir, wie die Höllenhunde – aber sie beschützen Dich. Denn Du hast sie überlebt. Du spürst, wie sie auch Teil von Dir sind, genauso wie die Engel der Freude. Doch anders als die meisten, hast Du nun nicht nur Kontrolle über sie, sondern auch über Dich selbst. Du bist nicht frei von deinen Ängsten, aber Du kannst mit ihnen leben und sie kontrollieren.
Und deswegen bin ich, wie gesagt, ein wenig neidisch auf Dich. Du hast den Kampf noch vor Dir. Das Gefühl der Rückeroberung der eingenommenen Territorien. Ich lebe schon eine ganze Weile in Frieden mit meinen Dämonen und ich habe sie liebgewonnen. Sie definieren mich, genauso wie die schönen Zeiten. Sie holen mir nicht die Zeitung oder sowas, fressen müssen sie schon, aber es ist ok.
Es ist wie das alte, rostige Auto, mit der hakeligen Gangschaltung und dem abgebrochenen Innenspiegel, mit dem man so viel Schmerz und Anstrengung über die Jahre verbindet.
Und was machst Du jetzt mit dem Schlüssel, wo es doch keinen Grund mehr gibt, die Türe zu verschließen? Na, ihn weitergeben.
Und was machst Du jetzt mit dem Schlüssel, wo es doch keinen Grund mehr gibt, die Türe zu verschließen? Na, ihn weitergeben.
„Schau hin“. Sieh, dass wir alle von Dämonen beherrscht werden, die unsere Wahrnehmung und unsere Entscheidungen beeinflussen.
Und schon ist man nicht mehr ganz so allein. Dein Leid ist mein Leid, denn nur dann ist Deine Freude auch meine Freude. Denn Du bist ein Teil von mir. Und ich von Dir. Aber genug geredet. Lass uns in den Park gehen. Wer weiß, vielleicht sehen wir ja jemanden vorbeilaufen, dessen Bestien noch unkontrollierbar an den Leinen ziehen. Dann könnten wir etwas Vertrauen schenken. Das wäre doch schön, oder?
Headerfoto: Mean Shadows via Unsplash.com. (Wahrheit-oder-Licht-Button hinzugefügt.) Danke dafür.
Hallo Rob, wow ich habe mal alles gelesen krass Dankeschön ist gut geschrieben ich hoffe dir geht es gut und man hört sich Mal
Danke CU 😁
Danke, dass du deine persönlichsten Gedanken mit mir – uns teilst. Es gibt so unglaubliche Augenblicke, wo jemand Unbekannter meine Gedanken teilt, genau wie jetzt und hier. Wie ähnlich wir uns doch alle sind.