Im Kopf war ich schon immer ein paar Jahre älter, als es offiziell auf meinem Ausweis stand. Nicht verwunderlich also, dass meine kleine Kindernase viel zu früh in kitschigen Liebesromanen für Teenager:innen steckte und ich mich in der Fantasie verlor, auch eine Beziehung haben zu wollen. Aus der Retrospektive gesehen völliger Quatsch, so jung einen Freund herbeizusehnen. Dennoch hatte ich gefühlt schon seit jeher Torschlusspanik und rannte mit dem Gedanken durch die Gegend „niemals jemanden zu finden“.
Beim nächsten Kerl wird alles anders, genau.
Lange Zeit wurde diese Panik durch die Qualität meines Dating-Games befeuert. Etliche Jahre, in denen man immer wieder wartend auf sein Handy starrte, weil Kerl XY sich mal wieder nicht zurückgemeldete. Es wurden Gefühle vor jemandem ausgebreitet, der dann nichts Besseres zu tun hatte, als einmal mit Anlauf darüber zu trampeln. Ein Kreislauf aus Tinder installieren und wieder löschen.
Wie oft lässt sich in meinem Tagebuch lesen, dass ich „jetzt wirklich einen richtig Guten kennengelernt habe. Wirklich! Ganz anders, als die anderen“ und doch verlief eine Geschichte nach der anderen letztendlich im Sand. Ich fragte mich, wie das wohl andere Frauen machten? Solche, die, sobald sie einen Raum betreten, umschwärmt werden, wie Motten das Licht umschwärmen. Frauen, die scheinbar irgendetwas an sich haben, weshalb jeder Typ, der bei mir zuvor noch seine Beziehungsunfähigkeit betont hatte, urplötzlich dazu bereit war, sich klar und verbindlich zu positionieren.
Wie oft lässt sich in meinem Tagebuch lesen, dass ich „jetzt wirklich einen richtig Guten kennengelernt habe. Wirklich! Ganz anders, als die anderen“ und doch verlief eine Geschichte nach der anderen letztendlich im Sand.
So entwickelte sich die Suche nach der Liebe hin zu einem einzigen Krampf. Egal, wie oft ich die Dinge durchdachte und analysierte, in einer Beziehung schienen letztendlich immer nur die anderen zu landen. Ich dachte, dass es, wenn man es erst einmal geschafft hätte, mit jemandem an einen Punkt zu kommen, an dem beide sagen „Jo, also ich hab Bock auf uns!“, danach doch logischerweise nur noch gut laufen könnte.
Ja, das mag sich auf eine Art naiv anhören. Und ja, dass Beziehungen auch viel Arbeit bedeuten, war mir klar. Aber diesen Aspekt hakte ich ähnlich ab, als wenn einem jemand sagen würde „Hier, ich schenk‘ dir ne Million, allerdings musst du dich dann um ein gescheites Konto für das Geld bei der Bank kümmern.“ Beziehungsarbeit schien mir als etwas, das irgendwie, irgendwo, irgendwann getan werden musste, aber letztendlich vor allem durch das große Glück (und so weiter und so weiter) überschattet werden würde.
Seit zwei Jahren in einer Beziehung
Heute schreibe ich diese Zeilen, während meine aktuelle und erste wirkliche Beziehung jüngst die Zwei-Jahres-Marke geknackt hat. Schon oder auch erst zwei Jahre mit einem Kerl an meiner Seite, der mich liebt, wie es bisher noch nie einer getan hat. Andersherum genauso. Zwei Jahre ziemlich viel Glückseligkeit. Aber auch: Zwei Jahre viele Tränen und viele Zweifel. Viel sich gegenseitig spiegeln und lernen.
Mit die Krise kriegen und genervt sein. Mit Sachen immer und immer wieder neu besprechen und den Mund aufmachen, wenn es irgendwo zwickt. Mit beieinander bleiben, auch wenn man es in bestimmten Momenten gar nicht so arg fühlt, um es dann kurz darauf aber wieder richtig doll zu fühlen. Und immer wieder dachte ich mir: Wieso hat mir das niemand vorher gesagt?
Können wir bitte das Schulfach „Leben und Lieben“ einführen?
In der Schule werden Dinge als essenziell und relevant vermittelt, die vielen Menschen auf lange Sicht gar keinen Nutzen bringen. Es geht um Wissen, um Zahlen und um Fakten. Aber wieso lernen wir nicht auch, wie man lebt? So richtig mit Alltag, mit Hinfallen und wieder Aufstehen und vor allem wie Beziehung geht? Ob das jetzt eine platonische Freundschaft sein mag oder eine Liebesbeziehung.
Wir alle sind in der Regel verwickelt und verstrickt in verschiedenste Beziehungs-Konstrukte. Wir lieben und leiden zusammen und während all dies geschieht, wissen wir dabei manchmal eigentlich gar nicht richtig „How to: Beziehung“. Ich wünschte, jemand hätte mir beigebracht, wie man gut streitet. Und dass man nicht alles in strikt unterteilte Schubladen stecken kann und muss à la: „So ist eine Beziehung gut. So ist eine Beziehung schlecht.“
Wir lieben und leiden zusammen und während all dies geschieht, wissen wir dabei manchmal eigentlich gar nicht richtig „How to: Beziehung“.
Ich wünschte, jemand hätte mir gesagt, dass ich trotz Beziehung immer noch ziemlich viel für andere Männer schwärmen werde und mich währenddessen sogar einmal richtig in jemand anderen verknallen. Ich wünschte, es gäbe mehr Stimmen da draußen, die davon berichten, wie es ist, in vergleichsweise jungen Jahren schon in einer Beziehung zu sein, die nach viel Zukunft und Perspektive aussieht. Und wie man sich dabei nicht zu viel Stress macht im Hinblick auf sich ausgelebt haben oder eben nicht.
Und ja, ich bin dankbar dafür, dass heutzutage offen über alternative Beziehungsmodelle gesprochen werden kann. Gleichzeitig weiß ich nicht, wie und wo ich mich dort einzuordnen hätte.
Viele Fragen, wo sind die Antworten?
Viele Fragen. Ich wünsche mir viele Antworten. Wie oft stand und stehe ich in meiner Beziehung vor Problemen und Fragezeichen, bei denen ich mir nicht selbst weiterhelfen kann. Und dann bin ich dankbar für jede Person, die mir sagt: „So und so ist das eine Möglichkeit. Das und das hätte ich lieber anders gemacht. Und oh Mann: Hätte ich damals doch auch noch daran gedacht!“
Natürlich ist nicht jeder Rat oder jede Geschichte das, was dich persönlich dann letztendlich auch wirklich weiterbringt. Doch manchmal ist es auch okay, einfach nur zuzuhören und danach mit den Schultern zucken oder sich zu merken, wie man es eben nicht machen möchte. Und weil man mit dem „etwas verändern“ und dem „etwas bewegen“ vor allem bei sich selbst beginnen sollte, will ich gerne über Beziehung schreiben. Dazu einladen, anhand meiner Lebens- und Liebesgeschichte(n) zu lernen.
Das, was da eigentlich alles nach dem Dating-Game so losgehen kann. Oder in Freundschaften. Ich will ehrlich sein. Ich will Zweifel teilen. Ängste benennen. Fehler und Sackgassen hervorheben und vor allem, wie es danach im besten Fall auch wieder bergauf ging. Und vielleicht tut das jemandem genauso gut, wie es das mir tut, wenn ich wieder mal auf jemanden stoße, dem es wichtiger ist, authentisch zu sein, als nach außen hin nur den glorreichen Schein zu wahren.
Headerfoto: Marionel Luciano via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!
Richtig fetter Artikel
Ich merk schon jetzt mit meinen 21 Jahren wie sehr mich meine Langzeit Beziehung überfordert , weil man nicht alles immer rosa rot und aufregend und toll empfindet. Das durch zuhalten ohne an der eigen Liebe für den anderen zu zweifeln, bringt einem keiner bei. Ich hätte gewünscht das hätte ich früher gelernt. Dennoch hoffe ich , dass ich das noch lerne und das ich in ein Klischee behaftes“ und sie nicht gestorben sind“ Ruschtasche, wenn dann vielleicht doch mit mehr mehr Begegnung auf dem Weg mit anderen fabelhaften liebeswerten Wesen .