Ich will euren Support, nicht eure Blumen! Ein Appell an Männer zum Feministischen Kampftag am 8. März

Disclaimer: Ich verwende im Folgenden den Sammelbegriff FLINTA* (für: Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Personen), der all diejenigen umfasst, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentitäten patriarchal diskriminiert werden. Der 8. März ist nämlich längst nicht mehr nur ein Tag für cis Frauen, sondern für alle Menschen, die unter dem Patriarchat leiden.

Es ist wieder 8. März und das bedeutet: Same procedure as every year. Jedes Jahr am 8. März werden viele Männer auf einmal ganz demütig gegenüber den FLINTA* in ihrem Leben. Dann wird Müttern, Töchtern, Schwestern, Partner:innen, besten Freund:innen, Kolleg:innen gedankt (für ihr Existieren, für ihr Durchhalten im Patriarchat, für all die kostenlose Bildungsarbeit – sucht euch was aus), es werden große pathetische Reden von Politiker:innen geschwungen und obligatorische Blumensträuße von Männern an ihre Partnerinnen übergeben.

Es werden obligatorische Blumensträuße von Männern an ihre Partnerinnen übergeben. Ich will eure verdammten Blumen nicht!

Ich will eure verdammten Blumen nicht! Ich will auch eure Rabattcodes und sneaky Marketingstrategien und eure kommerzialisierte Selbstliebe nicht, für die ihr einen ohnehin nur symbolischen Gedenktag immer weiter instrumentalisiert und zweckentfremdet. An dieser Stelle no shame an alle FLINTA*, die die Blumen und die Rabattcodes mit offenen Armen entgegennehmen. Im Patriarchat zu existieren ist schon hart genug, also gönnt euch, vor allem, wenn ihr darauf angewiesen seid.

Ich will die Blumen nicht, weil mich die Symbolhaftigkeit dahinter anwidert. Blumen zum Dank für die sanften, dankbaren und kümmernden Wesen, als die das Patriarchat uns zeichnet. Blumen, die mit ihrer Fülle an Farben und Düften all die Wut in uns liebevoll vernebeln sollen. Damit sie bloß nicht ausbricht.

Das Ende des Patriarchats?

Doch, keine Sorge, die Revolution bleibt aus, jeden 8. März aufs Neue. Auch in diesem Jahr wird die Revolution ausbleiben. Es ist nämlich leider bisher noch keiner Gesellschaft gelungen, an einem einzigen Tag ein neues System zu etablieren. Genau das bräuchte es aber faktisch, um Gleichberechtigung auf allen Ebenen zu erlangen: ein Ende des Patriarchats. Davon sind wir natürlich weit entfernt. Wir leben ja noch nicht einmal in einer Gesellschaft, in der alle Menschen die Existenz des Patriarchats anerkennen. Und für eine Revolution braucht es bekanntlich viele.

Am 8. März wird wieder einmal Individuen gedacht und gedankt und die strukturelle Ebene wird gekonnt umschifft. 

Stattdessen wird also am 8. März wieder einmal Individuen gedacht und gedankt und die strukturelle Ebene wird gekonnt umschifft. Sich mit dieser auseinanderzusetzen, ist ja auch ziemlich unbequem, schließlich müssten wir dann anerkennen, dass wir alle (die einen natürlich mehr, die anderen weniger) zur Aufrechterhaltung patriarchaler, diskriminierender Machtstrukturen beitragen. Dann doch lieber kostenlose Blumen in der Fußgänger:innenzone (ja, gegendert, in your face!).

Ein Gedenktag zum Anerkennen und Benennen

Für mich ist der 8. März nicht länger der Internationale Weltfrauentag. Ich schließe mich den Feminist:innen an, die vom Feministischen Kampftag oder Anti-Patriarchatstag (Emilia Roig) sprechen. Wenn wir schon einen symbolischen Gedenktag haben, dann bitte einen, der strukturelle Ursachen für Ungleichheiten anerkennt und Verantwortlichkeiten benennt. Anerkennen und benennen sind nämlich mit viel mehr Aktionismus und Aktivismus verbunden als ein faules Gedenken, begleitet von einem beschwichtigenden Lächeln und pathetischen Gesten.

Wenn wir schon einen symbolischen Gedenktag haben, dann bitte einen, der strukturelle Ursachen für Ungleichheiten anerkennt und Verantwortlichkeiten benennt.

Und wenn wir Ursachen anerkennen und Verantwortlichkeiten benennen, dann darf der 8. März nicht länger nur FLINTA* ansprechen. Dann müssen vor allem diejenigen aktiv miteinbezogen werden, die vom Patriarchat profitieren. Ich spreche von euch, liebe Männer. Streng genommen natürlich nicht von allen Männern. Denn das Patriarchat funktioniert nur deshalb so gut, weil auch Männer gegeneinander ausgespielt und über- und untereinander hierarchisiert werden.

Eigentlich leiden die meisten Männer ebenfalls unter dem Patriarchat, unter verengten Vorstellungen von Männlichkeit, unerfüllbaren Ansprüchen und Begrenzungen. Ein Grund mehr, kollektiv an seiner Abschaffung zu arbeiten, oder?

Männer am 8. März

Liebe Männer, zum 8. März wünsche ich mir ein bisschen weniger Blumen und ein bisschen mehr echte Anteilnahme. Wir brauchen nicht euren Dank, wir brauchen euren Support. Ich wünsche mir, dass ihr anerkennt, dass euch dieser Tag genauso angeht wie uns. Dass dieser Tag verdammt notwendig ist, weil er nicht nur die Existenz von FLINTA* feiert, sondern vor allem auf strukturelle Ungerechtigkeiten und Missstände weltweit aufmerksam macht. Weil er Raum erlaubt für unsere Wut, Trauer und Enttäuschung, die wir viel zu oft zurückhalten müssen.

Natürlich fängt feministische Praxis eigentlich woanders an und geht weit über einen einzigen Tag im Jahr hinaus.

Natürlich fängt feministische Praxis eigentlich viel früher an und geht weit über einen einzigen Tag im Jahr hinaus. Aber die (symbolische) Notwendigkeit des 8. März anzuerkennen und nicht stattdessen einen „Weltmännertag“ zu fordern, wäre ein erster, wichtiger Schritt. Liebe Männer, hört den FLINTA* in eurem Umfeld zu. Setzt euch mit ihren Lebensrealitäten auseinander und ihr werdet schnell merken, dass die erschreckend, aber auch wirklich bereichernd für euch sein können.

Brecht aus euren männlich dominierten Umgebungen aus und lasst andere Perspektiven zu. Organisiert euch mit uns und nicht gegen uns.

Schaut euch um und blickt auf die Menschen, mit denen ihr euch umgebt. Brecht aus euren männlich dominierten Umgebungen aus und lasst andere Perspektiven zu. Umgebt euch mit Vielfalt statt Einfalt. Organisiert euch mit uns und nicht gegen uns. Hinterfragt Denkmuster und geht an Orte, die sich unbequem anfühlen, gerade weil sie so lange bequem waren und euch gedient haben – physische Orte und Orte in euch drin.

Schlagt dieses eine Buch auf, das euch eure Freundin schon so lange empfiehlt. Geht auf feministische Demos. Informiert euch, bildet euch weiter. Ja, das ist Arbeit, kein Mensch hat gesagt, dass es leicht werden würde. Aber the work must be done, ob mit oder ohne euch. Viel lieber natürlich mit euch.

Es wird sich die Frage stellen, ob ihr Teil der Lösung oder Teil des Problems sein wollt. Eure Wahl.

Nutzt die wichtigen Ressourcen, die Feminist:innen weltweit seit Jahrzehnten in mühevoller und emotionaler Arbeit oft kostenlos bereitstellen. Das Wissen ist schon längst da und ihr könnt davon profitieren. Ihr müsst nur beginnen. Niemand erwartet, dass ihr die Dinge perfekt macht. Aber wir erwarten, dass ihr überhaupt etwas macht. Mit jedem Femizid, jedem #MeToo-Skandal, jeder feministischen Revolution, jedem öffentlichen Outcall erhöht sich der Druck auf euch. Und es wird sich die Frage stellen, ob ihr Teil der Lösung oder Teil des Problems sein wollt. Eure Wahl.

Der Feministische Kampftag ist an einem Tag im Jahr, der feministische Kampf wird an 365 Tagen im Jahr geführt. 365 Tage bedeuten jeden Tag eine neue Chance, euch anzuschließen.

Meinen fellow FLINTA* wünsche ich einen wut- und mutgefüllten Feministischen Kampftag oder Anti-Patriarchatstag. Lasst uns doch bitte auch untereinander solidarischer sein und erkennen, dass unser Feminismus nur funktioniert, wenn er alle Diskriminierungsformen mitdenkt, wenn er intersektional ist. Feminismus, der nicht intersektional gelebt wird, ist kein Feminismus.

Headerfoto: Ann Vosk. (Kategorie-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

Amelie Fischer (sie/ihr) sieht das Politische in den ganz großen und den ganz kleinen Dingen. Sie spricht und schreibt am liebsten über globale Ungerechtigkeiten, Machtstrukturen, intersektionalen Feminismus und die Liebe, immer die Liebe. Um ein wenig Leichtigkeit in den Weltschmerz zu bringen, den sie oft fühlt, liest sie für ihr Leben gerne Romance Novels. Aber nur zu Recherchezwecken, versteht sich! Denn auch die Liebe ist höchstpolitisch. Mehr von Amelie gibt es auf Instagram.

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