Ich suche Dich überall und verliere mich selbst – Über das Nicht-Loslassen-Können nach einer Trennung

Ich war feiern. Draußen. Raus. Das Leben genießen. Zwei Mal sogar. In kurzen Abständen. Und zum zweiten Mal sitze ich danach nun hier und frage mich, ist das wegen Dir? Ist das wegen Dir, dass mich das alles nicht mehr interessiert? Dass mir das nichts mehr gibt? Dass ich überall das eine Gesicht suche und mein eigenes dabei immer mehr verliere?

Natürlich werde ich angesprochen. Mag an meinem einigermaßen auffälligen Phänotyp liegen. Doch egal, wer da vor mir steht, es lässt mich kalt. Da könnte mir schlichtweg gerade das heißeste Male-Model der GQ erklären, weshalb er schon immer auf der Suche nach einer Frau wie mir war – es würde sich rein gar nichts regen.

Ist das wegen Dir, dass mich das alles nicht mehr interessiert? Dass ich überall das eine Gesicht suche und mein eigenes dabei immer mehr verliere?

Ich suche Deine blauen Augen. Ich suche Deine unkoordinierten Bewegungen. Dein Lächeln, das jeden hier in diesem abgefuckten Club sprachlos machen würde. Deine Haare, die doof am Hinterkopf abstehen. Aber so sehr ich suche, ich finde sie weder hier in diesem Club noch zu Hause auf der Couch.

Ich versuche es. Wirklich, so richtig. Ich führe banale Gespräche. Lasse mich auf Drinks einladen. Und plane, egal wie interessant das Gespräch gerade ist, wie ich in der nächsten Sekunde fliehen kann. Ich lächle, spiele kurz mit, um dann, wenn es ernster wird, mich aus der Affäre zu ziehen.

„Bist du vergeben?“ „Du bist so unnahbar.“ Tja. Ich möchte so sehr nicht-vergeben sein. Möchte so sehr nahbar sein. Doch ich kann es nicht. Immer noch nicht. Ich beginne, an mir selbst zu zweifeln, denn ganz sicher ist längst die Zeit dafür gekommen, wieder unvergeben und sehr nahbar zu sein.

Ich möchte so sehr nicht-vergeben sein. Möchte so sehr nahbar sein. Doch ich kann es nicht. Immer noch nicht.

Tinder. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich auf das X gedrückt habe. Ich bin der sinnloseste Nutzer dieser App auf Welt. Kein schönes Lächeln und keine noch so bezaubernden Augen lösen irgendetwas in mir aus. Außer Leere. Ich swipe belanglos nach links und links und links.

Manchmal, da bin ich ganz mutig und swipe auch mal nach rechts. Dann zwinge ich mich zu humorvollen Gesprächen, bin charmant, eloquent, geheimnisvoll. So, wie das nun mal sein soll. Und dann geht es um ein Treffen, um ein echtes Da-Sein, um ein Date. Dann lösche ich den Chat, egal, wie erfrischend er war. Warum? Das weiß ich auch nicht. Ist das wegen Dir?

Ist das wegen Dir? Ist das wegen Dir, dass ich immer noch Nächte habe, in denen ich schlaflos wach liege und mein Herz mir leise zuflüstert, dass etwas fehlt? Ist das wegen Dir, dass ein interessantes und tiefgründiges Gespräch mit einem Mann rein gar nichts mehr mit mir macht? Ist es wegen Dir, dass ich etwas suche, was mir vertraut ist, aber nichts wiedererkenne? Ist es wegen Dir, dass mir nachmittags um drei Uhr die Tränen kommen und ich gar nicht weiß, warum?

Ich suche Dich überall, verliere mich selbst dabei. Mein Kopf will alles erleben. Mein Herz stellt sich nur wie ein bockiges Kind davor und sagt: Nein, da mach ich nicht mit.

Ich suche Dich überall, verliere mich selbst dabei. Immer ein Stück mehr. Und dabei ist gar nicht mehr die Zeit dafür. Mein Kopf will alles so sehr nutzen, alles erleben, neue Menschen kennen lernen. Mein Herz stellt sich nur wie ein bockiges Kind davor und sagt: Nein, da mach ich nicht mit. Es wirft sich auf den Boden, heult und strampelt wild mit Armen und Beinen.

Am Ende bin ich in Gedanken immer wieder bei Dir. Wo Du wohl bist. Jedenfalls nicht hier, soviel ist sicher. Mit wem Du wohl bist. Jedenfalls nicht mit mir. Ich sollte Dich nicht vermissen, nicht mehr. Ich sollte nicht mehr ein Ebenbild von Dir fantasieren, wenn ich daran denke, jemand anderen kennenzulernen.

Ich sollte Dich und unsere Geschichte irgendwo archivieren. Da, wo mein Herz Dich nicht mehr findet. Doch bei Dir wird es zum Meisterdetektiv, findet Dich überall, auch da, wo Du gar nicht mehr bist.

Du fehlst mir sehr. Noch immer. Das ist wegen Dir.

Headerfoto: Sebastian Pociecha via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

MADAME FOX schreibt Geschichten aus dem Leben, mal traurig, mal lustig, aber immer echt. Mehr von ihr könnt Ihr auf ihrem Blog lesen.

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