Nicht selten scheitert ein konstruktives Gespräch innerhalb einer Beziehung an Feinheiten in der Krisen-Kommunikation. Mitgefühl zeigen oder Masterplan aushecken – was ist richtig? Kleiner Spoiler: Es kommt auf die Bedürfnisse der Person an, die die Krise erlebt.
Ich geb’s zu, ich bin mit Sicherheit nicht immer einfach. Ich habe auch meine Launen, ich bin nicht immer fair, ich kann auch ziemlich nachtragend sein. Ich bin aber auch durchaus in der Lage, mich zu entschuldigen, wenn ich falsch lag, ich habe ein gutes Gespür für Stimmungen und merke, wenn mein Gegenüber unzufrieden ist und frage dann auch gerne nach, was ich tun kann, damit es wieder besser wird.
Lange Zeit hielt ich diese guten Eigenschaften, die ich dann doch auch habe, für allzu selbstverständlich und dachte, jede andere Person würde auch so ticken wie ich. So ist das aber keineswegs. Empathie und Mitgefühl liegen nicht jeder/jedem unbedingt – und das macht sie nicht zu schlechteren Menschen.
Dennoch habe ich in meinem Leben festgestellt, dass (mindestens!) es zwei Sorten Menschen gibt, die zwei unterschiedliche Vorgehensweisen haben, wenn es um Trost Spenden geht.
Dennoch habe ich in meinem Leben festgestellt, dass (mindestens!) es zwei Sorten Menschen gibt, die zwei unterschiedliche Vorgehensweisen haben, wenn es um Trost spenden geht. Die einen hören zu und geben Mitgefühl, zeigen Verständnis und nehmen das Problem erstmal so, wie es besteht.
Die andere Sorte Mensch hört sich das Problem an, analysiert direkt los und will mit einem zusammen einen Masterplan angehen, am besten gleich! Keine Zeit verlieren, Probleme müssen angegangen werden. Proaktiv!
Mitgefühl oder Masterplan: Eine Typfrage
Es gibt dabei kein besser oder schlechter, jede Person hat eine eigene Strategie, Dinge zu bewältigen und bei jedem Menschen kommt eine Sorte Problembewältigung besser an als die andere. Manche wollen eben den Masterplan und andere wollen Mitgefühl. Ich persönlich möchte eigentlich immer gerne zunächst einmal Mitgefühl.
Für mich ist es wichtig, wenn ich Probleme schildere, dass mich die andere Person erstmal sieht. Dass mein Gegenüber mir zuhört und das Problem als solches anerkennt – mir vielleicht auch ein bisschen im Geiste (oder auch gerne in Echt) den Kopf streichelt und mir einfach sagt: “Es wird alles wieder gut. Irgendwie schaffst du das und wenn du willst, bin ich für dich da.” Das kann man unsinnig finden, das ist eben so.
Allerdings finden sich in meiner Familie und in meinem näheren Umfeld durchaus Leute, denen diese Art von tröstlicher Zuwendung nicht genug ist. Diese Leute – so lieb ich sie alle habe – kommen mir immer direkt mit einem Fahrplan an, wie ich mich durch aktives Vorgehen selbst aus meiner Lage befreien kann.
In den meisten aller Fälle weiß ich ganz genau, was ich zu tun hätte, um mir selbst zu helfen. Aber – auch in den meisten aller Fälle – fehlt mir vorläufig die Kraft und ich möchte einfach nur Trost und Mitgefühl.
Was sie dabei nicht verstehen, ist, dass ich das in solchen Momenten nicht will. Bitte nicht! Denn Fakt ist: In den meisten aller Fälle weiß ich ganz genau, was ich zu tun hätte, um mir selbst zu helfen. Aber – auch in den meisten aller Fälle – fehlt mir vorläufig die Kraft und ich möchte einfach nur Trost und Mitgefühl.
Ein Masterplan zur Lösung dieser Probleme fühlt sich dann in etwa so an, als hätte ich die Person nach Äpfeln gefragt, diese habe aber eigenständig entschieden, mir Paprika zu geben. Weil das halt doch besser wäre. Kann durchaus sein. Aber ich hatte nunmal nach einem Apfel gefragt. Auch wenn ich weiß, dass Paprika viel mehr Vitamin C enthalten und daher noch besser für das Immunsystem sind: Ich hatte einen fucking Apfel bestellt.
Bedürfnisse können nicht erraten, sondern müssen kommuniziert werden
Der erste Schritt, den man gehen muss, um der anderen Person klar zu machen, dass sie einem gerade nicht das gibt, was man braucht, ist: offen und ehrlich sein. Sagen: “Hey, ich finde das super, dass du mir direkt einen Lösungsweg anbietest, aber danach steht mir gerade nicht der Sinn. Können wir uns heute bitte darauf konzentrieren, dass du mir ein wenig Trost und Mitgefühl spendest und dann retten wir morgen die Welt?”
Seine Bedürfnisse zu äußern ist superwichtig, denn Bedürfnisse sind in den seltensten Fällen für andere konkret greifbar. Sie sind kein Schweinebraten – würde meine liebe Nachbarin sagen –, man kann sie nicht riechen. Zumindest nicht immer.
Vielleicht ist ihr Aktionismus bei irgendeinem anderen Problem genau das, was man dann braucht. Auch wenn es jetzt noch nicht soweit ist.
Trotzdem wird es aber immer Menschen geben, die eher dem Aktionismus verfallen, bevor sie sich einfach still mit dir hinsetzen und sagen: „Ich sehe und verstehe dich. Das ist doof, heul dich aus und dann wird es besser.“ Man kann ihnen sagen, dass diese Vorgehensweise nicht gefragt war. Aber wenn diese Art nunmal die ist, auf die sie Trost spenden können, muss und sollte man sie auch nicht ändern. Denn vielleicht ist ihr Aktionismus bei irgendeinem anderen Problem genau das, was man dann braucht. Auch wenn es jetzt noch nicht soweit ist.
Wenn man von einer Person also nicht das bekommen kann, was man in einer – großen oder kleinen – Krise braucht, ist es völlig fair, sich an eine andere Person zu wenden, von der man weiß, dass sie einem genau das gibt, was man gerade braucht. Liebe, Mitgefühl, Verständnis.
Ich weiß, irgendwann wird der Tag kommen, da werde ich mit Schrecken und vielleicht einem kleinen Bisschen Erleichterung feststellen, dass ich zwar nach Äpfeln fragte, aber die Paprika dann doch viel besser funktioniert.
Dem Zufall sei Dank, habe ich auch solche Menschen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Dankbar bin ich allerdings für sie alle. Denn ich weiß, irgendwann wird der Tag kommen, da werde ich mit Schrecken und vielleicht einem kleinen Bisschen Erleichterung feststellen, dass ich zwar nach Äpfeln fragte, aber die Paprika dann doch viel besser funktioniert. Zumindest für diesen Moment.
Headerfoto: cottonbro (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!